Nord Stream 2 macht Umweg, um rechtzeitig anzukommen
Die Gaspipeline wird jetzt an dänischen Hoheitsgewässern vorbei gebaut, damit die Regierung in Kopenhagen die Fertigstellung nicht verzögern kann
Die Nord Stream AG hat am Wochenende bekannt gegeben, dass sich der Verlauf der Gaspipeline Nord Stream 2 ändern wird. Anstatt durch dänische Hoheitsgewässer südlich der Insel Bornholm verlegt man die Rohre nun entweder nordwestlich oder weiter südöstlich dieser Insel, die zwischen der schwedischen und der polnischen Küste liegt, aber seit 1658 zu Dänemark gehört. Anlass für die Änderung ist dem Nord-Stream-Geschäftsleiter Matthias Warnig zufolge, dass "die dänische Regierung in den zwei Jahren seit der Antragstellung keinen Hinweis auf eine Entscheidungsfindung gegeben hat", während "der Bau in den Gewässern von vier weiteren Ländern bereits weit fortgeschritten" sei.
Der dänische Außenminister Jeppe Kofod bestätigte inzwischen, dass die Pipelinegesellschaft den Antrag auf den ursprünglichen Streckenverlauf zurückgezogen hat. Kofod gehört der Socialdemokraterne an, die seit dem 27. Juni die neue Regierungskoalition von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen anführt. Frederiksens Vorgänger Lars Løkke Rasmussen, dessen abgewählte Venstre-Partei im Europaparlament zu den Liberalmacronisten gehört, hatte vorher mehrmals verlautbart, die Entscheidung über den Antrag verzögere sich wegen der "geopolitischen" und der "europäischen" Bedeutung des Vorhabens.
Empfehlung des dänischen Außenministers nicht mehr nötig
Die Nord Stream AG entwickelte deshalb bereits im letzten Jahr Pläne für Alternativrouten, welche die dänischen Hoheitsgewässer nicht berühren (vgl. Nord Stream 2: Alternativroute soll dänisches Hinauszögern verhindern). Deshalb ist für diese Routen keine "Empfehlung" des dänischen Außenministers nötig. Einwände kann hier nur die dänische Energieverwaltungsbehörde Energistyrelsen erheben, wenn sie glaubhaft machen kann, dass beide neuen Streckenführungen entweder den Schiffsverkehr oder die Umwelt in den Meererswirtschaftszonen gefährden.
Alexej Miller, der Chef des russischen Nord-Stream-AG-Mehrheitseigners Gazprom, geht nach eigenen Angaben davon aus, dass sich die für Ende 2019 geplante Inbetriebnahme der Pipeline durch die Änderung der Streckenführung nicht in das nächste Jahr verschiebt. Die Gaspipeline soll die Kapazität für Erdgaslieferungen aus Russland auf 55 Milliarden Kubikmetern jährlich erhöhen. Sie sind dem Nord-Stream-2-Berater Steffen Ebert nach nötig, weil der Ausstieg der Niederländer aus der Erdgasförderung und der Rückgang norwegischer Lieferungen eine europäische Versorgungslücke von bis zu 120 Milliarden Kubikmetern pro Jahr erwarten lässt.
Vier Hoffnungen von Naftogas
Darüber hinaus könnte die Ukraine, durch deren alte sowjetische Druschba-Leitungen bislang ein Großteil des russischen Erdgases für die EU-Länder strömt, bei Verhandlungen über Transitgebühren und Bedingungen weniger gut Druck ausüben, wenn neue Alternativkapazitäten zur Verfügung stehen. Der für den Transit zuständige ukrainische Staatsbetrieb Naftogas hoffte deshalb in der Vergangenheit öffentlich, dass sich die Fertigstellung von Nord Stream 2 "verlangsamt, wenn eine Genehmigung Kopenhagens ausbleibt". Drei weitere Hoffnungen, auf die Kiew in diesem Zusammenhang setzte, waren amerikanischer Druck, ein Wechsel an der CDU-Spitze und ein neuer EU-Kommissionspräsident.
Die Naftogas-Hoffnung auf den Wechsel an der CDU-Spitze zerschlug sich bereits im Dezember, als nicht der Nord-Stream-2-Infragesteller Friedrich Merz (vgl. Merz lockt Grüne mit Infragestellung von Nord Stream 2), sondern die Nord-Stream-2-Befürworterin Annegret Kramp-Karrenbauer neue Parteivorsitzende wurde. Ein gutes halbes Jahr später sieht es außerdem so aus, dass auch der Posten des EU-Kommissionspräsidenten nicht an den exponierten Nord-Stream-2-Gegner Manfred Weber geht (vgl. Weber will als EU-Kommissionspräsident Nord Stream 2 blockieren).
Auch der amerikanische Druck führte bislang lediglich zu Erklärungen, ein neues Flüssigerdgas-Terminals im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel zu bauen und die Flüssigerdgasimporte aus den USA auf acht Milliarden Kubikmeter zu verdoppeln, aber nicht zu einem Baustopp von Nord Stream 2 (vgl. US-Senat: Nord-Stream-2-Sanktionsgesetz vorgelegt).
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