Nordirak: Die kurdische Autonomieregion in der Krise

Seite 2: "Aufruf zum Widerstand", "Männerherrschaft" und "Männerstädte"

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Eine KDP-nahe Website berichtete einige Tage nach der Razzia, REPAK sei geschlossen worden, weil dort die Bevölkerung gegen die Unabhängigkeit mobilisiert worden und zum Aufstand gegen die Regierung aufgerufen worden wäre. Man hätte dort mit "philosophischen Phrasen, wie 'demokratische Bürgerschaft', 'Geschwisterlichkeit der Völker' oder 'ökologische Welt' das Volk von der Idee eines unabhängigen Staates entfremdet".

Cicek dementiert dies, denn es hätte von Seiten REPAKs nie eine Erklärung oder sonstige Texte zum Thema Unabhängigkeit gegeben. Vielmehr sei es so, "dass die KDP aufgrund ihres antidemokratischen, patriarchalen Charakters ohnehin keine Opposition duldet; vor allem nicht durch Frauen..." Die KDP habe eine sehr feudalistische, patriarchale und rückständige Geisteshaltung.

Die Städte, die heute unter Kontrolle der KDP sind, seien "Männerstädte". Frauen seien kaum sichtbar und eine männliche politische Kultur bestimme das gesamte Leben. Die strukturelle Krise, die die kurdische Region heute erlebt, sei Ergebnis dieser Politik. Die Frauen von REPAK seien überzeugt, dass diese Krise nur durch einen demokratischen Wandel, durch eine Demokratisierung der Politik und Gesellschaft zu überwinden sei, erklärte die Vorsitzende des Frauenzentrums.

Obwohl Meral Cicek deutsche Staatsbürgerin ist, erhielt sie keine Unterstützung vom deutschen Generalkonsulat. Die Schließung des Büros von REPAK und die Ausweisung der Mitarbeiterinnen aus Erbil sei eine innerkurdische Angelegenheit, bei der kein Handlungsbedarf durch das Generalkonsulat bestehe, so lautete die Antwort auf ihr Ersuchen nach Unterstützung.

Menschenrechtsorganisation in Erbil geschlossen

Anfang September ließ die KDP auch das Büro der kurdischen Menschenrechtsorganisation in Erbil schließen. Die kurdische Menschenrechtsorganisation hat ihren Hauptsitz in Deutschland und führt Studien zu Menschenrechtsverletzungen durch.

Ein Besuch der Menschrechtsorganisation im Shengal-Gebiet wurde von Sicherheitskräften der KDP verhindert, berichtet ihr Vertreter Sirwan Dartaş.

Deutsche Journalistinnen im Nordirak verhaftet

Auch die Fälle der ezidischen Journalistin Aysel Avesta und der syrischen Journalistin Beriwan Al-Zin zeigen, dass zunehmend politisch aktive Frauen in den Fokus der Sicherheitskräfte Barsanis geraten. Beide besitzen einen deutschen Pass.

Die Moderatorin des kurdischen Senders Sterk-TV und Journalistin Gazal Avanas (Aysel Avesta) war am 19. Mai auf dem Weg in das wichtigste Heiligtum der Eziden, nach Lalish, als sie verhaftet wurde. Sie wollte dort über ein religiöses Fest berichten. Gründe für ihre Verhaftung erfuhr die Journalistin nicht.

Stattdessen wurde sie, ebenfalls ohne Möglichkeit das deutsche Konsulat zu informieren, an einen unbekannten Ort verbracht. Es wird vermutet, dass der KDP-Geheimdienst die Journalistin wegen ihrer mehrfach geäußerten Kritik an der Flucht der Peshmerga während der IS-Offensive am 3. August 2014 in Shengal, in deren Verlauf über 12.000 Eziden und Ezidinnen getötet oder entführt wurden, im Visier hatte. Inzwischen wurde sie gegen Kaution wieder freigelassen.

Am 22. März war bereits Beriwan Al-Zin, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hamburger Linken in Dohuk verhaftet worden. Ihr wurde ein illegaler Grenzübertritt von Nordsyrien in den Nordirak vorgeworfen. Sie saß 15 Tage im Frauengefängnis. Sie war im Auftrag der Hamburger Linken vor Ort, um über die Umsetzung medizinischer Projekte in Rojava/Nordsyrien, und über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen des IS zu recherchieren.

Entgegen internationalen diplomatischen Übereinkünften informierte die KRG weder die Deutsche Botschaft in Bagdad noch das Generalkonsulat in Erbil über die Festnahme. Deswegen konnte kein Besuch von Seiten der Botschaft oder des Generalkonsulats bei Frau Al Zin im Gefängnis stattfinden.

"Die schlimmsten Tage meines Lebens"

In einem Gespräch mit der Zeitung Die Welt berichtete sie über die Zustände im Frauengefängnis der kurdischen Autonomieregion: Sie saß mit 25 Frauen, darunter IS-Kämpferinnen, in einer Zelle. Nach zehn Tagen wurde sie in eine Zelle mit 40 Frauen und Kindern verbracht, ohne bis dahin den Grund ihrer Inhaftierung zu kennen. Den Vorwurf des illegalen Grenzübertritts lässt sie nicht gelten. Es gäbe keine Regeln an der Grenze zwischen dem Nordirak und Rojava, sagt sie im Interview:

Journalisten wird gesagt, dass ein Journalist nur einmal in seinem Leben nach Nordsyrien/Rojava dürfe. Dann hieß es gegenüber anderen Journalisten, nur Ärzte dürften über die Grenze. Den Ärzten sagten sie, nur Journalisten dürften die Grenzen passieren. Das ist eine einzige Willkür.

Im März hatte Präsident Barzani, offenbar als Reaktion auf die Ausrufung der "Demokratischen Föderation Nordsyriens und Rojava" die Grenze zu Rojava schließen lassen. Es kamen keine humanitäre Hilfslieferungen, keine Menschenrechtsdelegationen und keine Journalisten und Politiker mehr durch.