Nordkorea setzt weiter auf nukleare Abschreckung

Kim Jong-un: Immer fröhlich bei der Vorstellung von neuen Waffen.

Während Washington mit Sanktionen China und Russland verärgert, scheint Nordkorea Fortschritte bei der Entwicklung von Langstreckenraketen mit Feststofftriebwerk zu machen

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Bislang hat Nordkorea den Beweis geführt, dass ein Land, das vermutlich über Atomwaffen und entsprechende Raketen verfügt, militärisch aus Sorge vor den Folgen nicht angegriffen wird, wie dies in Libyen oder vor allem im Irak der Fall war, der zusammen mit Iran und Nordkorea von den USA zur "Achse des Bösen" gerechnet wurde. Mit dem Iran konnte ein Abkommen geschlossen werden, das aber mit Trump womöglich aufgelöst werden könnte.

Die nukleare Abschreckungsstrategie funktioniert bislang zumindest auch bei kleineren Staaten wie Nordkorea, die sich Sanktionen widersetzen, und könnte daher weitere Nachfolger finden, zumal sich auch Israel, Pakistan und Indien nuklear aufrüsten konnten und der Iran nicht weit davon entfernt sein könnte. Allerdings ist das hochgerüstete Nordkorea mit seiner Diktatur insbesondere ein Sonderfall, weil es weitgehend hermetisch abgeschlossen ist.

Nordkoreas Führer Kim Jong-un hat zwar kürzlich die Eskalationsstrategie abgebrochen und zumindest vorerst den angekündigten Plan aufgegeben, Raketen Richtung Guam zu schicken, die kurz vor der Insel als Warnung ins Meer tauchen sollten. Gleichwohl wird offenbar an der bislang für den Machterhalt erfolgreichen Strategie weitergestrickt, obgleich der UN-Sicherheitsrat einstimmig weitere Sanktionen verhängt hat, die auch von China, dem Haupthandelspartner von Nordkorea, eingehalten werden. So sind nach offiziellen chinesischen Angaben die Im- und Exporte vom Juni auf Juli um 6,7 Prozent auf 456 Millionen US-Dollar zurückgegangen. Ursache ist vor allem das Einfuhrverbot für nordkoreanische Kohle.

Die Sanktionen, die beginnend mit dem Jahr 2006 verhängt wurden, haben bislang nicht gegriffen. Nach der südkoreanischen Zentralbank wuchs das BIP des Landes letztes Jahr um 3,9 Prozent, das höchste Wachstum seit 1999. Mehr als 92 Prozent des Handels wird mit China abgewickelt. Die Exporte nach China gingen auch um mehr als 4 Prozent im Jahr 2016 in die Höhe, ebenso wuchsen die Importe.

Allerdings veröffentlicht Nordkorea keine Daten über seine Wirtschaft, es handelt sich also um eine Schätzung. Ursache für das Wachstum, so ein Mitarbeiter der Bank, könne auch das ausgebaute Programm zur Entwicklung von Atomwaffen und Raketen gewesen sein. So sei die Stromproduktion gestiegen. Ob der Zuwachs in die Rüstungsindustrie floss, ist aber auch unbekannt. Mit einem BIP von gerade einmal 28,5 Milliarden US-Dollar ist das Land weiterhin arm. Südkoreas BIP liegt bei 1,34 Billionen. Erwartet wird, dass wegen einer großen Dürre die Lebensmittel im Land knapp werden könnten.

Mit einem Affront gegenüber China und Russland hat die US-Regierung chinesische und russische Firmen und Personen sanktioniert, die mit Nordkorea bei der Beschaffung von Teilen seines Atomprogramms geholfen oder nordkoreanische Kohle importiert haben sollen. Für die Beziehungen mit beiden Ländern ist das ein weiterer Rückschlag, China, das Donald Trump eigentlich als Partner für den Konflikt mit Nordkorea bräuchte, hat bereits gefordert, die Sanktionen zurückzunehmen. Das Vorgehen wurde vom chinesischen Außenministerium als nicht hilfreich angesehen, eine Lösung für das Problem zu finden.

Kim Jong-un spielt weiter die atomare Karte

Kim Jong-un scheint das alles nicht zu bekümmern. Staatliche Medien veröffentlichten gestern ein Foto, nach dem das Land eine noch leistungsfähigere Langstreckenrakete des Typs Pukguksong mit einem Feststofftriebwerk entwickelt. Gezeigt wurde auch auf einem Foto ein Diagramm für eine Pukguksong-3-Rakete, die von einem U-Boot abgefeuert werden kann. Von U-Booten abgefeuerte Langstreckenraketen stellen ein größeres Risiko als solche dar, die vom Land gestartet werden, weil sie erst spät ausgemacht werden können.

Kim Jong-un, so die Medien, habe die Herstellung von weiteren Feststoff-Raketen und Sprengköpfen angeordnet. Raketen mit einem Feststofftriebwerk müssen nicht kurz vor dem Start aufgetankt werden, weswegen sie vor präventiven Angriffen geschützter sind, zudem sind sie leichter und sicherer zu transportieren und verbergen. Kim Jong-un behauptet, Nordkorea habe mit den letzten Tests gezeigt, dass man einsatzfähige Langstreckenraketen bauen konnte, die einen Sprengkopf sicher durch den Wiedereintritt in die Atmosphäre bringen kann. Kaum vorstellbar ist, dass das Regime in Nordkorea in Zukunft auf nukleare Abschreckung verzichten wird.

In Südkorea versucht man, Bedenken zu zerstreuen. So sagte Präsident Moon Jae-in, Nordkorea habe noch keine funktionsfähige Langstreckenrakete entwickelt. Es gebe erst eine Überschreitung der roten Linie, so der Präsident, der an einer diplomatischen Lösung des Konflikts festhält, wenn Nordkorea eine Langstreckenrakete mit einem nuklearen Sprengkopf ausstattet. Der Wiedervereinigungsminister Cho Myoung-gyon erklärte ebenfalls, dass man weiter auf Dialog setzt.

Gestern wurden in Südkorea im Rahmen der südkoreanisch-amerikanischen Militärübung Ulchi Freedom Guardian dennoch geübt, wie sich die Bevölkerung im Falle von nordkoreanischen Luftangriffen verhalten soll. In 40 Städten ertönten um 14 Uhr Ortszeit die Sirenen und simulierten Flugzeuge einen Angriff. Die Menschen wurden in Unterstände geführt, Autofahrer sollten anhalten, auf die Seite fahren und Radio hören.