Nordrhein-Westfalen wählt Kohle

Mit CDU und FDP weiter mit der Braunkohle? Tagebau Garzweiler. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Landrechten und Klimaschutz, antarktischen Eisschilden und norddeutschen Küsten

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Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sieht es so aus, als hätte die Pro-Kohle-Politik vorerst gewonnen. Wenn es zu einer Koalition von CDU und FDP kommen sollte, die mit einer hauchdünnen Mehrheit regieren könnte, dann würde im rheinischen Revier möglichst noch bis 2045 Braunkohle gefördert, während der Ausbau der Windenergie eher eingeschränkt würde.

So liest es sich zumindest aus den Wahlprogrammen der CDU und der FDP. Auch wenn die CDU bis 2045 Braunkohle abbauen möchte, will sie die Entscheidungen der Vorgängerregierung bezüglich Garzweiler II respektieren. 2016 hatte die rot-grüne Landesregierung beschlossen, das geplante Tagebaugebiet zu verkleinern. Die CDU möchte sich laut Wahlprogramm für energieintensive Industrien einsetzen und möchte einen "regionalen Deckel" für den Windenergieausbau entwickeln.

Der mögliche Koalitionspartner FDP würde laut Wahlprogramm am liebsten das Klimaschutzgesetz außer Kraft setzen, ebenfalls den Ausbau der Windenergie begrenzen und weiterhin den Abbau von Braunkohle als einzigem "nicht subventionierten heimischen Energieträger" ermöglichen. Klimaschutz solle durch eine Weiterentwicklung des Europäischen Emissionshandels geregelt werden.

Mit anderen Worten: Die FDP bekennt sich klar zur Braunkohle und gegen jeglichen Klimaschutz, da ihr Referenzsystem, der Europäische Emissionshandel nicht andeutungsweise funktioniert. Doch auch im Fall einer großen Koalition würde ein Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen wohl kein Thema sein.

China und Indien über dem Plansoll

In Bonn laufen derweil noch bis zum 18. Mai die Vorgespräche zur diesjährigen Klimakonferenz, wie wir bereits vergangene Woche berichtet haben. Besprochen wird unter anderem, wie die Beiträge der einzelnen Staaten zum Klimaschutz genau berechnet werden sollen und wie sich die erste Zielerhöhungsrunde von 2018 bis 2020 gestalten soll. Die bisherigen freiwilligen Verpflichtungen der Staaten reichen bestenfalls aus, um die Erderwärmung auf rund 2,8 Grad Celsius zu beschränken.

Sollten die USA aus dem Klimavertrag aussteigen oder ihre Ziele wieder herunterschrauben, wird es sogar noch schlechter aussehen. Eine Nachbesserung ist daher dringend nötig. Wie die Stimmung vor Ort ist und ob sich lokale Ereignisse wie die Landtagswahl darin niederschlagen, wissen wir nicht, allerdings sind Klimaexpertinnen einer jüngsten Untersuchung zufolge skeptisch, was den Erfolg des Pariser Klimaabkommens angeht. Die Befragung der Klimaverhandler und -experten fand allerdings im Sommer 2015, noch vor Abschluss des Vertrages statt. "Überraschendes Ergebnis der Befragung: Über 70 Prozent der Befragten vertrauen überhaupt nicht oder nur eingeschränkt darauf, dass die Mehrheit der Staaten ihre angekündigten nationalen Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen erreichen wird. Immerhin fand fast die Hälfte der Teilnehmer die Konferenzen allgemein nützlich."

Doch diese negative Einschätzung muss nicht in jedem Fall stimmen. So sind China und Indien beispielsweise auf einem schnellen Weg der Emissionsreduktion und werden ihre freiwilligen Ziele vermutlich übererfüllen, wie Climate Action Tracker berichtet. Die positive Entwicklung in den beiden Ländern würde die negative Entwicklung in den USA nach der Wahl Donald Trumps sogar mehr als aufwiegen.

Waldschutz durch Landrechte

Dass es um mehr gehen muss, als globale CO2-Bilanzen, macht die Arbeitsgruppe CLARA (Climate Land Ambition Rights Alliance) in einem kürzlich veröffentlichten Papier zu Klima und Landnutzung deutlich. Der Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit Landrechten beschäftigen, drängt darauf, Klimaschutz, Menschenrechte, indigene Rechte und die Integrität von Ökosystemen in Einklang zu bringen.

Böden und Wälder sind eine wichtige Ressource, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre langfristig zu binden, bzw. gebundenes Kohlendioxid nicht freizusetzen. Landnutzungsänderungen, wie etwa der Verlust von Mooren oder die Umwandlung von Primärwald in Ackerland oder Holzplantagen spielen eine Rolle bei der Erstellung globaler CO2-Bilanzen. In diesem Sinne wecken die potenziellen CO2-Senken aber auch Begehrlichkeiten, etwa, wenn es darum geht, die Emissionen von Industriestaaten, Unternehmen oder des Luftfahrt- oder Schifffahrtssektors mit sogenannten Offsets auszugleichen.

Genau dies solle aber nicht geschehen, fordert CLARA. Vor allem dürften derartige Mechanismen nicht zu Vertreibung indigener oder vom Wald lebender Gruppen führen, wie in der Vergangenheit im Zusammenhang mit REDD+ geschehen. Statt solche externen Investitionsmöglichkeiten in Wälder zu schaffen, könnten Wälder durch die Sicherung kollektiver Landrechte effektiver geschützt werden.

Studien zeigen, dass die Sicherung von kollektiven und Gewohnheitsrechten auf Land für Indigene und vom Wald lebende Gemeinschaften einer der effektivsten und kostengünstigsten Strategien ist, um Waldökosysteme zu schützen. Landrechte zu schützen ist eine weit erfolgreichere Strategie zur Abmilderung des Klimawandels als großangelegte Aufforstungsprojekte, die die Gemeinschaften ausschließen.

CLARA

Durch die Abholzung und Degradierung von Wäldern sei bereits die Hälfte der Kohlenstoffspeicherkapazität dieser natürlichen Senke verloren gegangen. Eine fortschreitende Zerstörung von Wäldern und Trockenlegung von Mooren würde die CO2-Bilanz der Menschheit noch weiter in die Höhe treiben. Von daher gelte es, diesen Prozess aufzuhalten und Moore wieder zu verwässern. Vermieden werden sollten hingegen Baumplantagen, die oftmals aus wenigen, schnell wachsenden Arten bestehen, auf keinen Fall sollten Klimafinanzierungen in solche Projekte fließen. Ein weiteres, absolutes No-Go wäre der Anbau von Biomasse mit anschließender CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS).

Wie alle Negativ-Emissions-Technologien steht BECCS beachtlichen Hürden gegenüber, etwa der Menge von benötigtem Land, konkurrierenden Nutzungsinteressen für dieses Land, der Frage, ob die Technologie tatsächlich in der Größenordnung funktioniert und den finanziellen Kosten.

CLARA

Selbst im Fall von technischer Machbarkeit und Bezahlbarkeit wären enorme Flächen nötig, um über den CO2-Entzug aus der Atmosphäre das 2-Grad-Ziel zu erreichen, nach Schätzungen des IPCC zwischen 500 Millionen und 3 Milliarden Hektar. Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO beläuft sich die weltweite Landwirtschaftsfläche derzeit auf 1,6 Billionen Hektar, käme das doppelte für BECCS hinzu, wären alle bewirtschaftbaren Flächen des Planeten erschöpft.

Stärkerer Anstieg des Meeresspiegels befürchtet

Nach Informationen des NDR warnt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) vor einem stärkeren Meeresspiegelanstieg als dem, der im letzten IPCC-Report als Negativszenario angenommen wird.

Im IPCC-Report von 2013 werde in Weiter-So-Szenarien mit 52 bis 98 Zentimetern bis zum Jahr 2100 gerechnet, das BSH bringt nun einen Anstieg von deutlich über einem Meter bis zu 1,7 Metern ins Spiel. Für den Küstenschutz werde es dabei etwa ab der Mitte dieses Jahrhunderts problematisch.

Blick auf die Abbruchkante des Ronne-Schelfeises im südlichen Weddellmeer. Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 1995. Bild: Alfred-Wegener-Institut/Ralph Timmermann

Da Klima- und Meeresforscher immer genauere Daten zur Entwicklung der Eisschilde gewinnen, ist es nicht abwegig, dass das IPCC-Szenario aus dem Jahr 2013 korrigiert werden muss. So beschäftigt sich die Klimaforschung beispielsweise mit der Entwicklung der verschiedenen Schelfeise in der Antarktis. Das sind die aus dem Inland gespeisten Eisplatten, die auf das Meer hinausragen. Erhöht sich die Meerestemperatur zu sehr, beginnt das Schelfeis aber von unten zu schmelzen und ins Meer zu fließen.

Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts kommen in Modellrechnungen zu dem Schluss, dass um das Jahr 2070 ein unumkehrbarer Schmelzprozess im Filchner-Ronne-Schelfeis einsetzen könnte. Hauptursache wäre die Erwärmung des Wedellmeeres. Das dortige Meereis verhindert bislang, dass größere Mengen wärmeren Wassers unter den Eisschild gelangen. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, schmilzt die Eisplatte von unten und hebt sich damit vom Meeresboden, wodurch sie noch schneller ins Meer abfließen kann. Im Amundsenmeer wird ein ähnlicher Prozess bereits jetzt beobachtet.

Nach den Modellrechnungen der AWI-Forscher würde auch eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad das Filchner-Ronne-Schelfeis nicht vor dem Zerfall retten. Bereits vor einem Jahr haben Wissenschaftler der University of Massachusetts und der Pennsylvania State University berechnet, dass ein kompletter Zerfall des westantarktischen Eisschildes zu einem Anstieg des Meeresspiegels um über einen Meter bis zum Jahr 2100 führen würde. Da die Westantarktis nicht der einzige abschmelzende Eisschild ist, klingt ein Szenario von 1,7 Metern dann nicht mehr abwegig.