Nordsyrien: Türkische Provokationen an der syrischen Grenze

Seite 2: Sind neue, temporäre Bündnisse zwischen SAA, SDF, Russland und den USA möglich?

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Um einen neuen kriegerischen Konflikt im Norden Syriens zu verhindern, versucht nun der US-Außenminister Rex Tillerson mit russischer Hilfe zwischen der syrischen Regime-Armee (SAA) und der nordsyrischen kurdisch-arabischen Armee der Föderation (SDF) zu vermitteln. Es ist inzwischen denkbar, dass die SDF an einer Befreiungsaktion in der Region Idlib beteiligt werden, da die syrische Armee zu schwach ist, dies im Alleingang zu schaffen.

Eine gemeinsame Operation von SAA, SDF, Russen und USA in der Provinz Idlib gegen die Al Qaida-Milizen klingt erfolgversprechend. Nur, wie soll das ohne Gesichtsverlust für die syrische Regierung gehen? Daran wird in diversen amerikanisch-russisch-syrischen geheimen Diskussionsrunden - trotz des gegenseitigen Säbelrasselns - gearbeitet.

Am vergangenen Montag gab es ein erneutes Treffen der internationalen Koalition mit Vertretern der Nordsyrischen Föderation in Ain al-Issa nördlich von Rakka. Prompt ließ Erdogan als Warnung an die USA auf der syrischen Seite den Grenzübergang von Tel Abyad (kurd.: Girê Spî‎) bombardieren.

Noch wehrt sich das Assad-Regime gegen den Vorschlag eines föderalen Systems in Syrien. Nach wie vor ist für das syrische Regime die offizielle Anerkennung der kurdischen Sprache und Kultur und die Anerkennung, dass Syrien kein arabischer, sondern ein Vielvölkerstaat mit verschiedenen Sprachen und Religionen ist, nicht akzeptabel.

Gemeinsames Vorgehen gegen die al-Qaida

Andererseits gab und gibt es an den verschiedenen Fronten immer wieder militärische Kooperationen zwischen der syrischen Regime-Armee und den SDF gegen die Hardcore-Islamisten von al-Qaida und IS, so z.B. im Februar 2016 bei der Rückeroberung von Aleppo. Die SDF sicherten vor allem das kurdische Viertel von Aleppo, Sheikh Maqsud.

Im März 2017 übergaben die SDF vom IS befreites Territorium an die syrische Armee unter anderem, um eine türkische Invasion auf Manbij zu verhindern. Im Osten im Gebiet um Rakka und Deir el-Zor teilen sich SAA und SDF mittlerweile eine 40 Meilen lange Frontlinie. Ein gemeinsames Koordinationszentrum von russischen Militärs, SDF und syrischer Armee in einem Dorf nahe der historischen Stadt Resafeh, südlich des Euphrat, soll Auseinandersetzungen zwischen SAA und SDF verhindern, und militärische Konfrontationen zwischen den russischen, kurdischen, amerikanischen und syrischen Akteuren vermeiden.

Ein gemeinsames Vorgehen gegen die Al Qaida-Islamisten in der Region Idlib setzt allerdings voraus, dass Russland der Türkei bei deren Provokationen und Angriffen auf Afrin und die Sheba-Region Einhalt gebietet. Ob Russland dies will, ist schwer einzuschätzen. Unlängst forderte der russische Außenminister Lawrow allerdings, die Partei PYD der nordsyrischen demokratischen Föderation an den Gesprächen in Genf zu beteiligen.

Wie bekannt, scheiterte die Beteiligung der PYD bisher immer an der Weigerung der Türkei sich mit Kurden an einen Tisch zu setzen. Wenn Lawrows Forderung nach Einbeziehung der PYD in Genf ernst gemeint ist, sollte Putin schleunigst Erdogan zur Räson bringen. Eine türkische Okkupation des Kanton Afrin kann weder im Interesse Russlands noch des syrischen Regimes sein. Sie würde letztendlich auf eine türkische Annexion von Afrin hinauslaufen, denn Erdogan würde dieses fruchtbare und strategisch wichtige Gebiet kaum wieder hergeben.

Unterdessen hat der Selbstverwaltungsrat der Region Sheba diese offiziell zum eigenständigen Kanton erklärt. Der Kanton Sheba ist dem föderalen Gebiet Afrin zugeordnet. Der Selbstverwaltungsrat verwaltet die Region in den vom IS befreiten Gebieten seit einem Jahr.

Rakka - mehr als die Hälfte der Stadt vom IS befreit

Um Rakka tobt ein brutaler Kampf. Der US-Sonderbeauftragte für die Anti-IS-Koalition, Brett McGurk, spricht von circa 2.000 IS-Kämpfern, die noch in Rakka verblieben seien und die wissen, dass sie "vermutlich alle ums Leben kommen würden". Auch deswegen sind die Verluste der SDF erheblich, die trotzdem jeden Tag viele Einwohner befreien und in sichere Gebiete evakuieren können.

Gleichzeitig zeigen die ständigen Angriffe der Türkei auf Grenzgebiete der Föderation auch Auswirkungen beim Kampf um Rakka. Die SDF können sich nicht mit aller Kraft auf Rakka konzentrieren, sondern müssen sich immer wieder gegen Angriffe der Türkei in ihrem Rücken wehren und dafür Kräfte vorhalten, die deshalb nicht in Rakka eingesetzt werden können. Immer deutlicher tritt so zutage, dass es Erdogan nicht um die Eliminierung des IS-Terrorismus geht.

Ein Sieg der SDF über den IS in Rakka wäre eine weitere Niederlage für Erdogan, weil er die nordsyrische Föderation stärkt. Die Befreiung von Rakka wird ein ähnlicher Meilenstein wie die Rückeroberung von Kobane sein und die Menschen in Nordsyrien beflügeln. Über die Rückeroberung von Kobane sagte Brett Mc Gurk, dass dies die eigentliche Wendung im Krieg gegen den IS gewesen sei.

Durch die Beteiligung der irakischen Peschmerga an der Rückeroberung Kobanes - die Türkei musste zähneknirschend ob der internationalen Empörung den Peschmerga Durchgang nach Kobane gewähren - sei man in Kontakt mit den syrischen Kurden von YPG/YPJ gekommen und man habe festgestellt, dass sie verlässliche Partner im Kampf gegen den IS sind.

Die von der Türkei unterstützte sogenannte syrische Opposition mit ihrer Exilregierung spielt praktisch keine Rolle mehr, seit die USA ihr zwei Milliarden-Programm für die syrische Opposition eingestellt haben. Dies ist eine weitere Niederlage Erdogans, der auf die islamistischen Gruppen in der syrischen Opposition gesetzt hatte.