Norwegens Ölpolitik vor Gericht
Seite 2: Klimawandel in Norwegen
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Die Folgen des Klimawandels sind in Norwegen durchaus sichtbar. Am deutlichsten sind sie auf Spitzbergen, wo in diesem Sommer der absolute Temperaturrekord geknackt wurde: Am 25. Juli wurden am Flugplatz von Longyearbyen 21,7 Grad registriert - auf 78 Grad Nord. Spitzbergen hat mit Gebäudeschäden durch weichenden Permafrost und vermehrter Lawinengefahr zu kämpfen.
2015 starben zwei Personen bei einer Lawine, die ihre Wohnhäuser traf. Früher bewohnbare Häuser werden nun abgerissen, es muss massiv in Sicherungsmaßnahmen investiert werden. Und während das Frühjahrseis in diesem Jahr sogar wieder bis Bjørnøya reichte, zog es sich im Spätsommer so weit zurück wie noch nie. Es ist auch aktuell noch weit von der Inselgruppe entfernt. Für die Eisbären dort heißt dies weiter hungern.
Festland-Norwegens Gletscher wurden mit Rekordschnee aus dem vergangenen Winter über den Sommer 2020 gerettet. Gletscherzungen, die tiefer reichen als die Schneegrenze, half das allerdings nicht. In den vergangenen Jahren waren die Gletscher stets geschrumpft, und die Schneegrenze steigt. Temperaturveränderungen und stärkere Niederschläge haben Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Lawinen- und Erdrutschgefahr sowie Hochwasserereignisse.
Neue Funde dringend nötig?
Kurz vor Beginn des Prozesses hatte die Ölbehörde ihren neuen Ressourcenrapport vorgelegt. Ohne neue Funde werde die Produktion ab 2030 auf dem norwegischen Sockel schnell fallen, so der Fachbereichsleiter Torgeir Stordal. Nach der offiziellen Angabe der Behörde sind 48 Prozent des norwegischen Vorkommens bereits ausgebeutet und verkauft. Etwa ein Viertel des geschätzten Gesamtvorkommens fällt allerdings unter "noch nicht nachgewiesen", es wird lediglich aufgrund der geologischen Daten vermutet.
Besonders viel davon entfällt auf die Barentssee, die noch nicht so gut erforscht ist. Probebohrungen brachten bisher nicht den ganz großen Durchbruch - Johan Castberg ist eher ein kleiner Fisch gegenüber dem neu in Betrieb genommenen Feld Johan Sverdrup in der Nordsee mit 2,7 Milliarden Fass, dazu aufgrund der vorhandenen Infrastruktur günstig auszubeuten. Norwegens Anteil an der weltweiten Ölförderung beträgt aktuell zwei Prozent.
Damit die Suche und der Ausbau der bereits bekannten Ressourcen trotz gesunkenen Ölpreises nicht stockt, hatte der norwegische Staat als Corona-Hilfe vorteilhafte Abschreibungsmöglichkeiten für die Ölindustrie beschlossen. Daraufhin nahm die norwegische Tochter der schwedischen Lundin Energy die Arbeit am Alta/Gohta-Feld wieder auf und vergrößerte sogar ihre Anteile, obwohl sie das Projekt nur wenige Monate vorher als unwirtschaftlich auf Eis gelegt hatte. Dazu gehören Bereiche, die in der 23. Konzessionsrunde verteilt wurden.
Die Ölindustrie hat Norwegen reich gemacht und dem Land ein bequemes Polster verschafft. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass dies immer so weitergeht, sofern man nur genug Öl findet - Johan Sverdrup könnte das letzte große Ölfeld gewesen sein, das sich mit wenig Aufwand ausbeuten lässt. Der Prozess hat das Geschäft, das sonst so weit abseits von der Küste stattfindet, noch einmal deutlich ins Bewusstsein gerufen.
Nachdem der Klimaprozess in den beiden vorherigen Instanzen verloren ging, ist nicht zu erwarten, dass das Oberste Gericht völlig anders entscheidet. Doch es ist wäre nicht das erste Mal, dass Klimaschutzmassnahmen auf gerichtlichem Weg erzwungen werden: Vor einem Jahr gab das niederländische Oberste Gericht der Stiftung Urgenda in ihrer Klage gegen den niederländischen Staat recht.