Not und Spiele

Seite 2: Lehrmeister des Lebens

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Zugleich ist die Fußball-EM aber ein Schauplatz der Deutlichkeit. Zwar können auch die Griechen gewinnen, Und das ist gut so. Meistens aber gewinnen die Deutschen, oder die Franzosen, die Spanier oder die Italiener. Briten und BeNeLux sind gut dabei, Dänen und Ösis schaffen Überraschungen. Die anderen müssen sich hinten anstellen. Die EM zeigt: Europa ist kein Schauplatz der Gleichheit, sondern einer der Macht. Es ist kein Kindergarten, wo der Klügere immer nachgibt. Es ist auch keine Schulklasse, wo der langsamste Schüler das Tempo bestimmt, oder ein Inklusionsexperiment, wo Behinderte nicht mehr so heißen und jeder "besonders Befähigte" aus Prinzip aufgenommen wird.

Nein, die EM macht deutlich: Es geht in sozialen Verbänden, um Chancengleichheit, es geht um Regeln, an die sich alle halten müssen, aber es geht auch um Wettbewerb, es geht um Sieg und Vermeidung von Niederlage. Im Fußball ist das sichtbar, was anderswo versteckt wird, was stattfindet, aber aus Gründen der "Political Correctness" tabu ist.

Genau darum spielen Boateng und Özil mit: Weil sie das Team besser machen. Weil eine ethnisch von Migranten und Nichtchristen gesäuberte Nationalmannschaft keine Chance hätte. Nicht weil die Nationalmannschaften als Repräsentanten des Volkskörpers derart normativ aufgeladen sind, dass ihre Teilnahme vorgeschrieben wäre.

Zugleich ist im Fußball deswegen so viel von Kameradschaft die Rede, weil sie nicht der Fall ist. Weil es im Kern - auch innerhalb einer Mannschaft - um Rivalität geht. Der Fußball enthüllt die - für manche bittere - Tatsache, dass das Zwischenmenschliche im Kern destruktiv ist. Elf Freunde "müsst" ihr sein - weil ihr es nicht seid.

Gesellschaft ist nicht Nächstenliebe und Humanismus, sondern "Verbrechen und Strafe" und Legitimation durch Verfahren. Genau darum gilt eben auch: Wer sich nicht an die Regeln halten will, wer Sonderregeln und Extrapunkte möchte, der sollte besser gar nicht mitmachen, oder rausgehen und allein spielen.

Wann kommt der Fußball-Brexit?

Wenn die Dinge poetisch oder je nach Perspektive ironisch laufen, dann stimmt Großbritannien am 23, Juni für den "Brexit" und wird am 10. Juli Europameister. Beides ist möglich, wenn auch nicht unbedingt wahrscheinlich. Trotzdem fragt man sich, was der britische Premier David Cameron wohl für ein Verhältnis zum Fußball hat. Denn sollten die "Three Lions" bereits in der Vorrunde straucheln also vor der Abstimmung über den britischen EU-Verbleib, könnte das den Briten auch die Lust am politischen Europa noch weiter schmälern.

Wenn am Schluss des Turniers dann Deutschland gegen Frankreich im Finale spielen sollten, dann wäre dies zumindest ein schönes Bild, in dem die europäische Idee zum Fernseh-Spektakel wird. Nicht Feinde würden aufeinander treffen, sondern Freunde. 100 Jahre nach Verdun würde dann schlimmstenfalls noch von aufgeschlagenen Knien Blut fließen.

Der Zweikampf zwischen Deutschland und Frankreich ist immer das Duell zweiter Fußball-Kulturen gewesen. Er spiegelte die verschiedenen Mentalitäten, das verschiedene Lebensgefühl der ungleichen Nachbarn, wie die unterschiedliche Wahrnehmung des Fußballs. Gerade hat der ARTE-Film Ziemlich beste Gegner diese Geschichte des Fußball in Deutschland und Frankreich noch einmal erzählt.

Ansonsten gilt ab jetzt: "Ludi incipant!" - die Spiele mögen beginnen!

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