Nur so eine Idee: Startkapital für alle Volljährigen
Die Vermögen sind weltweit ungleich verteilt, auch in Deutschland. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung will sie mit dem "Grunderbe" überwinden
Die Corona-Pandemie hat nicht nur Verlierer hervorgebracht, sondern auch Gewinner: die Superreichen. Sie konnten ihren Anteil am globalen Vermögen in Rekordgeschwindigkeit vergrößern – so steht es jedenfalls im "World Inequality Report", der vergangene Woche in Paris veröffentlicht wurde.
Seit 1995 stieg demnach der Anteil der Milliardäre am globalen Vermögen von einem auf drei Prozent gestiegen – und die Pandemie hat die Entwicklung noch verschärft. "De facto markiert das Jahr 2020 den steilsten Anstieg des Anteils der Milliardäre am aktenkundigen Vermögen", heißt es im Report weiter. Während ihr Vermögen in den letzten 18 Monaten um mehr als 3,6 Billionen Euro gewachsen sei, seien weitere hundert Millionen Menschen weltweit in die extreme Armut abgerutscht und haben damit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag zur Verfügung.
Nach Ansicht der Forscher ist es möglich, die Kluft zwischen Arm und Reich wieder kleiner werden zu lassen. Dafür schlagen sie eine "bescheidene und progressive" Steuer auf Vermögen ab einer Million US-Dollar vor. Die Autoren des 228-seitigen Bericht schlagen zudem ein internationales Finanzregister vor, um der Steuerflucht zu begegnen.
Auch in Deutschland sind die Vermögen der privaten Haushalte sehr ungleich verteilt. In einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) heißt es:
Die untere Hälfte der Bevölkerung hat keine nennenswerten Vermögen, die reichsten zehn Prozent besitzen 67 Prozent des gesamten Privatvermögens, das reichste Prozent der Bevölkerung 35 Prozent des Privatvermögens und die reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung bis zu 20 Prozent.
Im Vergleich mit anderen EU- und OECD-Länder sei besonders das geringe Vermögen der Mittelschicht in Deutschland auffallend.
Dass die Vermögen in Deutschland derart ungleich verteilt ist, hat laut DIW zahlreiche Gründe. So gebe es einmal im internationalen Vergleich nur wenige, die in ihrem eigenen Haus oder in ihrer Eigentumswohnung lebten. Durch "Ansparen und Abzahlung für Immobilien" würde mehr Vermögen angehäuft als es Mieter im Normalfall täten.
Einen anderen Grund sehen die DIW-Forscher im ausgebauten Sozialsystem. Dadurch würden die Menschen in der Bundesrepublik "von privater Vorsorge und Vermögensbildung" entlastet. Gleichzeitig erfordere es aber hohe Beiträge, so dass die Möglichkeit eingeschränkt sei, Vermögen aufzubauen.
Während Mittelschicht und Geringverdiener kaum Vermögen aufbauen können, weisen die Top-Verdiener eine "weit überdurchschnittliche Sparquote" auf. Die Einkommen würden wiederum in Aktien und anderen Kapitalanlagen investiert, was Kapitalerträge einbringt. Diese seien "die wichtigste Einkommensart zur Erklärung der gestiegenen Einkommensungleichheit": Kapitalerträge würden wieder investiert – und die Investitionen werfen wieder höhere Kapitalerträge ab.
Einkommens- und Vermögensungleichheit verstärken sich auf diese Weise gegenseitig. Die Ungleichheit der Vermögen werde auch dadurch begünstigt, dass weder Erbschaftssteuer noch andere Steuern auf hohe Vermögen keine große Rolle mehr spielten. Die Vermögenssteuer wurde 1997 ausgesetzt und sowohl Erbschafts- als auch Schenkungssteuer machen nur noch etwa 1,1 Prozent am gesamten Steueraufkommen aus.
Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag Maßnahmen vorgesehen, um Vermögen aufzubauen, zum Beispiel die Förderung von Wohneigentum. Das gehe in die richtige Richtung, heißt es beim DIW; aber die vorgesehenen Maßnahmen dürften die Vermögensungleichheit "nur moderat und sehr langfristig senken". Die DIW-Forscher machen einen anderen Vorschlag: das Grunderbe.
Wenn wir wirklich in absehbarer Zeit ,Wohlstand für alle‘ schaffen wollen, dann sollten wir die hohe Vermögensungleichheit in Deutschland durch Umverteilung reduzieren: indem die besitzlose Hälfte ein Grunderbe zum Vermögensaufbau erhält, das über Steuern auf hohe Vermögen finanziert wird
Studienautor Stefan Bach
Bei der Idee des Grunderbes sollen alle 18-Jährigen ein Startkapital von Staat geschenkt bekommen, das auf 20.000 Euro festgelegt werden soll. Die Summe sollen sie aber nicht einfach ausgezahlt bekommen, sondern es soll nur für bestimmte Zwecke verwendet werden dürfen. Zum Beispiel für Aus- und Weiterbildung, für den Erwerb von Wohneigentum oder zur Gründung eines Unternehmens.
Kosten würde das den Berechnungen zufolge rund 15 Milliarden Euro im Jahr, die über eine Reform der Erbschaftssteuer, einer höheren Steuer auf Immobiliengewinnen oder eine Steuer auf Vermögen von über einer Millionen Euro eingespielt werden sollen. "Vor allem die Erbschaftssteuer ist bei vielen unbeliebt – obwohl die wenigsten davon betroffen sind", sagte Bach. Er hofft allerdings, dass sie den Reichen eher zu vermitteln sei, wenn sie für ein Grunderbe verwendet würde.
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