OPEC-Traum von steigenden Ölpreisen geplatzt

Die Fracker in Nordamerika machen die Förderbegrenzung wett und Saudi-Arabien steigt aus dem Beschluss der Förderbegrenzung aus

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Immer wieder ist es der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) im zurückliegenden Jahr gelungen, durch Ankündigungen, die Förderung von Rohöl zu begrenzen, die Ölpreise nach oben zu treiben. Vor allem gelang dies, als die Opec real eine Begrenzung im vergangenen November beschlossen hat. Erst richtig legten die Preise zu, als auch große Förderländer wie Russland kurz danach angekündigt haben, ihre Produktion ebenfalls verringern zu wollen. Doch der Trend konnte nicht beibehalten werden. Die Preise blieben zunächst weitgehend stabil, schmieren seit zwei Wochen aber wieder ab. Die Fracker in Nordamerika haben wie erwartet ihre Produktion wieder ausgeweitet und auch Saudi-Arabien, das in der Opec den Ton angibt, pumpt wieder schneller, weil das Land auf Geld angewiesen ist.

Die Vorhersage war nicht sonderlich schwer, dass die Vereinbarung der Opec-Länder, die Fördermengen zu kürzen, mittelfristig bestenfalls die Ölpreise stabilisieren würde und insgesamt das Öl weiter billig bleiben würde. Der große Haken bei der Opec-Rechnung war, dass die Rechnung ohne große Produzenten wie den USA, Kanada und anderen gemacht wurde und Länder wie der Iran, Irak und Libyen wieder zu früheren Förderquoten zurückwollen.

Aber in den letzten Monaten haben sich in Nordamerika, wo mit den USA der drittgrößte Produzent weltweit zu finden ist, die Fracking-Produzenten angesichts der Opec-Linie die Hände gerieben. Denn letztlich räumte die Opec - allen voran Saudi-Arabien - mit ihrer Förderbegrenzung ein, dass die Versuche der Fracking-Konkurrenz definitiv gescheitert sind. Zwar ging die Produktion in den USA seit dem Peak im Juli 2015 deutlich zurück, doch obwohl die Preise vor einem Jahr sogar unter die Marke von 30 US-Dollar pro Barrel fielen, stabilisierte sich die US-Produktion im vergangenen Sommer bei 8,4 Millionen Barrel pro Tag. Die Technik wurde über den Preisdruck verbessert und die Kosten konnten deutlich gesenkt werden. Die Fracking-Bohrlöcher liefern nun mehr Öl als früher und bleiben länger aktiv. Vor drei Jahren brauchte die Fracking-Industrie noch einen Ölpreis von 60 bis 100 Dollar, um auch Gewinn zu machen und ihre oft teuren Kredite bedienen zu können. Inzwischen machen sie schon bei Preisen zwischen 30 bis 40 Dollar Gewinne.

Und da mit den vielen Ankündigungen der Opec und die zuletzt umgesetzte Förderbeschränkung die Preise bis auf 55 Dollar gesteigert werden konnten, stieg natürlich auch die Fracking-Förderung in Nordamerika wieder deutlich. Aktuell werden in den USA täglich wieder gut 9,1 Millionen Barrel gefördert. Seit vergangenem Sommer ist das ein Zuwachs um 700.000 Barrel. Die Produktion wurde seither allein in den USA um fast zwei Drittel der Menge ausgeweitet, um die die Opec und Russland die Förderung eigentlich beschränken wollten. Und die Tendenz ist klar. Nach neuesten Daten der Ölausrüsterfirma Baker Hughes hat sich die Zahl der Bohrlöcher seit Jahresbeginn von 529 um 50% auf 789 erhöht. Allein in einer Woche kamen 21 neue Förderstellen hinzu. Im Jahresvergleich verzeichnen die USA einen Zuwachs von 313 Bohrlöchern und in Kanada stieg ihre Zahl um 207.

Also kann Nordamerika wie erwartet in die Lücke springen und die Förderbegrenzung der 14 Opec-Länder praktisch komplett auffangen. Eine Verknappung auf dem Markt findet also nicht statt und ohnehin liegt weiter eine Überproduktion vor. Insgesamt haben vor allem die Saudis, aber auch die Opec insgesamt, wieder Marktanteile gegenüber Nordamerika eingebüßt. Und genau dieser Entwicklung wollten die Saudis einst eigentlich begegnen, als sie bei fallenden Preisen lange nicht bereit waren, die Förderung zu senken.

Der Preis dafür, sich mit den Frackern einen Preiskrieg zu leisten, war für die Saudis hoch. Die stark gefallenen Ölpreise hatten dem Wüstenstaat im Jahr 2015 ein Haushaltsdefizit von 100 Milliarden Dollar beschert. Das waren 21% seiner jährlichen Wirtschaftsleistung. Und nach Schätzungen sollen es im vergangenen erneut gut 13% geworden sein. Eigentlich brauchen die Saudis, die völlig am Öl hängen, einen Preis zwischen 60 und 70 Dollar pro Barrel, damit der Staatshaushalt ausgeglichen ist. Völlig ungewohnt ist dort, dass sich auch dieses Land nun Geld an den internationalen Kapitalmärkten leihen muss, dass auch in der Wüste nun Banken in Schieflage sind und Sparpläne für die Bevölkerung aufgelegt wurden.

Angesichts der Entwicklungen ist es eigentlich kaum noch verwunderlich, dass die Saudis inzwischen praktisch wieder aus dem Opec-Abkommen zur Förderbegrenzung ausgestiegen sind. Wie der neueste Monatsbericht des Kartells zeigt, haben die Scheichs die Ölförderung im Februar nicht mehr weiter gesenkt. Statt sie auf dem gesenkten Niveau einzufrieren, wurde die Produktion tatsächlich wieder deutlich ausgeweitet. In dem Monatsbericht stellt die Organisation fest, dass die Saudis im Februar wieder 263.000 Barrel mehr als im Vormonat gefördert haben. Die angestrebte Beschränkung um eine halbe Million Barrel, die das Land tatsächlich umgesetzt hatte, wurde so wieder halbiert.

Kampf zwischen Saudi-Arabien und Iran

Den Scheichs ist wohl ziemlich schlecht aufgestoßen, dass Russland das Wüstenland bei der Ölförderung wieder einmal vom Spitzenplatz verdrängt hat, wie auch Sputniknews stolz berichtet hat. "Russland hat Saudi-Arabien im Dezember 2016 bei dem Umfang der Erdölförderung überholt und ist zum Spitzenreiter in diesem Bereich geworden", wird festgestellt. Russland habe die Förderung um 29.000 Barrel auf 10,49 Millionen gesenkt, doch Saudi-Arabien hatte etwas stärker die Produktion eingeschränkt, weshalb es nur noch auf 10,46 Millionen kam. So hatte der Ölminister Khalid Al-Falih zuvor kritisiert, dass sich einige Länder die vereinbarten Förderkürzungen nicht umsetzen würden. Sein Land werde nicht unbegrenzt die Lasten der Produktionskürzung tragen, kündigte er praktisch die erneute Ausweitung der Produktion an.

Er sprach konkret Russland und den Irak an, obwohl allen klar sein dürfte, dass auch der schiitische Iran gemeint ist. Den sunnitischen Saudis ist es auch ein Dorn im Auge, dass der Iran wieder zur Regionalmacht in der Region wird. Die Ölproduktion ist nach der Aufhebung der Iran-Sanktionen dazu der Schlüssel. Anders als die Saudis geben sich die Mullahs in Teheran auch mit einem Ölpreis um die 50 Euro zufrieden, um das darbende Land nach den langen Sanktionsjahren wieder auf die Beine zu stellen.

Es gefällt Saudi-Arabien ganz und gar nicht, dass der Iran kürzlich angekündigt hat, seine Produktion weiter massiv ausweiten zu wollen. "Innerhalb der nächsten fünf Jahre wollen wir unsere Kapazität auf 5,7 Millionen Barrel pro Tag ausweiten", sagte Amir Hossein Zamaninia kürzlich in Frankfurt auf dem CWC Iran LNG & Gas Partnership Summit. Der persische Vize-Ölminister gab sich dabei alles andere als zurückhaltend. "Ich bin nicht vorsichtig, sondern sehr optimistisch, dass gute Zeiten für unser Öl- und Gasgeschäft vor uns liegen, um die verlorene Zeit wieder wett zu machen", fügte er an. Die Ölfördermenge des Landes, die seit dem Ende der Sanktionen schon stark ausgeweitet wurde, beträgt nun gut 3,8 Millionen Barrel. Schaut man sich die Monatsberichte der Opec an, wird klar, dass der Iran seine Förderung nicht eingeschränkt, sondern beständig ausgeweitet hat.

Deshalb ist es insgesamt kaum noch verwunderlich, da die Überproduktion auf dem Weltmarkt nicht abgebaut wird, dass die Ölpreise seit geraumer Zeit wieder deutlich unter Druck gekommen sind und seit zwei Wochen wieder konsequent fallen. Die US-Sorte WTI ist wieder deutlich unter die Marke von 50 Dollar gefallen und der Preis für die Nordseesorte Brent hält sich mit gut 51 Dollar ebenfalls nur knapp darüber. Und derzeit ist es angesichts der beschriebenen Entwicklungen auch mehr als unwahrscheinlich, dass das Ölkartell die Förderbegrenzung verlängern kann. Die ist bisher ohnehin nur bis Juni begrenzt. Ob die Drosselung verlängert wird, entscheidet die Opec auf einem Treffen im Mai.

Zwischen Pest und Cholera

Letztlich kann das Kartell nur zwischen Pest und Cholera entscheiden. Hielte es an der Förderbegrenzung fest, bliebe zwar der Preis einigermaßen stabil, doch die Opec würde weiter Marktanteile zugunsten anderer Produzenten einbüßen. Gibt man aber die Beschränkungen auf, stürzt der Preis vermutlich wieder deutlich ab, was für Länder am Rande des Abgrunds ein Drama wäre. So hatte zum Beispiel das kollabierende Venezuela ungewollt seine Förderung in den letzten Jahre eingeschränkt, wofür aber vor allem Misswirtschaft verantwortlich war, während die Abhängigkeit von den Öleinnahmen weiter zugenommen hat. Das Land kann die Produktion - anders als zum Beispiel Russland - nicht einfach steigern, um darüber Einnahmeausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren.

Weder die Opec-Staaten noch Russland wollen aber mit verschränkten Armen zuschauen, wie die USA wieder zum größten Ölproduzenten aufsteigen, weil andere den Preis über Förderbegrenzungen auf einem für Fracker gewinnbringenden Niveau halten. So geht die große russische Ölfirma Rosneft davon aus, dass es vermutlich keine Verlängerung der Förderbegrenzung geben wird. Rosneft sieht "die Gefahr, dass der Preiskrieg wieder losgeht". Doch, so hofft man in der russischen Firma, würden niedrige Investitionen angesichts ultra-tiefer Preise langfristig wegen des Wachstums der Ölnachfrage "wieder für ein Gleichgewicht auf dem Ölmarkt sorgen". Was langfristig für die Firma bedeutet und ob sich die Hoffnungen erfüllen, bleibt abzuwarten.

Klar ist aber, dass die neue US-Administration mit dem Ausstieg aus dem Umweltschutz und Abbau von Umweltschutzauflagen auch den Frackern weiteren Preisspielraum nach unten verschaffen will, um sie konkurrenzfähiger zu machen. Donald Trump und seine Kabinettsmitglieder aus der Ölbranche wollen die Fracking-Industrie fördern, weshalb auch der umstrittene Bau der Dakota-Access-Pipeline wieder aufgenommen worden ist. Darüber soll Frackingöl von North Dakota nach Illinois transportieren werden. Der Bau wird von der Gesellschaft Energy Transfer Partners vorangetrieben, an der Trump bis Dezember maßgeblich beteiligt war. Auch der Bau einer andere Pipeline soll wieder aufgenommen werden, womit sich deutlich zeigt, wohin die Fracking-Reise in Nordamerika gehen soll.

Experten gehen aber davon aus, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen zusehends darauf gesetzt wird, das schwarze Gold nicht im Boden zu lassen, um wie Rosneft auf wieder deutlich steigende Preise in der Zukunft zu setzen, sondern möglichst schnell die Vorkommen zu versilbern um damit andere Investitionen anstoßen zu können. Im Fall Saudi-Arabien will die Regierung den staatlichen Ölkonzern teilweise privatisieren, um an Geld zu kommen. Angesichts der neuen Börsenblasen hofft die Regierung sogar darauf, dass es sich um den bisher größten Börsengang handeln, der Konzern dort mit rund 2000 Milliarden Dollar bewertet werden könnte und dann etwa dreimal so viel wert wäre wie Apple, das bisher das wertvollste Unternehmen der Welt ist.

"Für das Erdöl wird es eng"

Doch auch hier sollte Vorsicht gelten, denn nicht wenige Experten gehen längst davon aus, dass der Ölpreis auch langfristig niedrig bleiben wird, womit erwartete hohe Gewinne ausbleiben könnten. So meint zum Beispiel Dieter Helm, dass der Umstieg auf Strom den Markt aufmischen wird. "Erdöl bleibt nur bedeutend, wenn der Klimawandel nicht als wichtig erachtet wird und wenn es keine Alternativen zum Öl gibt. Warum haben wir aber Strom?", erklärt er im Interview.

Der britische Energieexperte geht davon aus, dass die nächsten großen Umwälzungen noch nicht einmal richtig begonnen haben. Er sieht, unter Berücksichtigung der Inflation, eher fallende Ölpreise am Horizont. Helm glaubt, dass sich durch verschiedene industrielle Revolutionen, die derzeit gerade stattfinden, die Nachfrage nach Öl eben nicht weiter steigen wird, wie es vor allem Ölproduzenten glauben und hoffen. "Der Petrochemie wird durch neue Materialien wie Graphen das Leben schwergemacht werden. Dadurch könnte aus Erdöl erzeugtes Plastik verdrängt werden." Zudem würden Solarzellen immer dünner und könnten ein größeres Lichtspektrum einfangen. Deshalb kommt er zu der Einschätzung: "Für das Erdöl wird es eng."