Obstruktive Schlafapnoe – wenn der Atem aussetzt
Es handelt sich um eine chronische Krankheit mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen, die gut behandelbar, aber immer noch zu wenig bekannt ist.
Vorbemerkungen
Standen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Infektionskrankheiten ganz oben auf der Liste der Todesursachen, so sind seit den 1950er Jahren die lebensstilbedingten chronischen Krankheiten an deren Stelle getreten, die auch "Non-Communicable Diseases", abgekürzt: NCD, d.h. "nicht-übertragbare Krankheiten", genannt werden.1
Die mit Abstand wichtigsten NCD sind:
- die Verkalkung und Eineigung der Herzkranzgefäße, die sogenannte Koronare Herzkrankheit (KHK) einschließlich Herzinfarkt und dadurch bedingter Herzschwäche,
- die Durchblutungsstörungen der Hirngefäße mit dem Schlaganfall,
- der Bluthochdruck,
- die Adipositas (Fettleibigkeit) mit dem Diabetes mellitus Typ 2 als wichtigster Folgeerkrankung,
- die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die die Bronchien einengt, und
- die häufigsten Krebserkrankungen.
Der weitaus größte Teil aller heutigen vorzeitigen Sterbefälle wird letzten Endes durch diese chronischen Krankheiten verursacht.
Mit einigen dieser Erkrankungen haben wir uns in Telepolis schon näher beschäftigt, wie z. B. mit dem Bluthochdruck und der Adipositas.
Über eine Gruppe von weiteren chronischen Krankheiten, bei der der Nachtschlaf durch vorübergehende Atemaussetzer beeinträchtigt wird, was zu erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen führen kann, soll im Folgenden berichtet werden.
Schlafbezogene Atemstillstände – was ist darunter zu verstehen?
Es handelt sich um Krankheitsbilder, deren Bedeutung erst durch Forschungen in den 1980er und 1990er Jahren näher bekannt geworden ist.2
Diese nächtliche Atemstillstände werden auch schlafbezogene Atmungsstörungen genannt. Die mit Abstand wichtigste und häufigste Form ist die obstruktive Schlafapnoe, auch kurz Schlafapnoe genannt. Dabei bedeutet "obstruktiv" einengend (im Bereich der oberen Atemwege).
Unter dem Begriff Schlafapnoe-Syndrom versteht man schlafbezogene Atmungsstörungen mit körperlichen und/oder seelischen Symptomen und Folgeerscheinungen.
Die gute Nachricht vorweg: Diese Gesundheitsstörungen lassen sich in der Regel gut behandeln und darüber soll weiter unten noch näher informiert werden.
Die schlechte Nachricht ist, dass Personen mit einer nicht-behandelten Schlafapnoe sehr viel häufiger in Autounfälle verwickelt sind als Personen ohne Schlafapnoe.
Man schätzt, dass etwa ein bis zwei Prozent der Deutschen an schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden, die therapiebedürftig sind. Das sind rund 800.000 bis 1,6 Millionen behandlungsbedürftige Erkrankte. Bei Männern kommt die Krankheit deutlich häufiger vor als bei Frauen, die vor der Menopause nur selten betroffen sind.
Neueren Schätzungen zufolge haben etwa fünf Prozent der Männer und drei Prozent der Frauen eine obstruktive Schlafapnoe .
Was passiert bei der Schlafapnoe im Körper?
Bei der Schlafapnoe kommt es im Schlaf zu einer vorübergehenden Einengung bis hin zu richtigen Verschlüssen im Bereich des Rachens, die zu Atemstillständen führen.
Diese nächtlichen Atemstillstände bewirken, dass der Sauerstoffgehalt im Blut absinkt. Wenn dieser unter eine bestimmte Schwelle abfällt, wird vom Gehirn eine "Aufweckreaktion" ausgelöst. Dabei kommt es zu einer plötzlichen Aktivierung mit einer Verkrampfung der Körpermuskulatur in Armen und Beinen, die den Betroffenen weckt und damit den Atemstillstand wieder beendet.
Treten solche Atemstillstände mit Weckreaktion während des Schlafes nur gelegentlich und vereinzelt auf, machen sie noch nicht krank. Wenn aber im Durchschnitt einer Nacht zehn und mehr solcher Atemstillstände in der Stunde auftreten, besteht ein krankhafter Zustand und man spricht von einer leichten Schlafapnoe. Eine mittelschwere Form besteht bei mehr als 20 Atemstillständen und eine schwere Form einer Schlafapnoe bei mehr als 35 Atemstillständen pro Stunde.
Die Schlafapnoe ist dann nicht nur eine ausgeprägte Schlafstörung, die den Betroffenen den erholsamen Tiefschlaf raubt und somit zu einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit führt, sondern sie kann auch bestimmte schwerwiegende Erkrankungen, insbesondere im Bereich des Herzens und des Kreislaufs, hervorrufen bzw. ungünstig beeinflussen.
Dazu gehören viele der oben aufgelisteten chronischen Krankheiten, insbesondere Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Schlaganfall.
Kommt eine Schlafapnoe zu einer schwergradigen chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) hinzu, spricht man von einem Overlap-Syndrom (Überlappungssyndrom), das mit besonders schweren, lang andauernden nächtlichen Sauerstoff-Mangelzuständen einhergehen kann.
Welches sind die Risikofaktoren für eine Schlafapnoe?
Die eigentliche Ursache der Schlafapnoe ist nicht geklärt.
Es gibt jedoch eine Reihe von Risikofaktoren, die deren Auftreten fördern und den Schweregrad der Schlafapnoe ungünstig beeinflussen. Dazu zählt als erstes das Übergewicht bzw. die Adipositas. Etwa 70 Prozent der Schlafapnoe- Patienten gehören zu dieser Gruppe.
Je ausgeprägter die Fettleibigkeit ist, desto größer ist die Zahl der Atemaussetzer.
Ungünstig wirkt sich auch Alkoholgenuss am Abend aus, wahrscheinlich, weil der Alkohol die Spannung der Rachenmuskulatur herabsetzt, und dadurch die Verengung im Bereich des Rachens und damit auch das Schnarchen gefördert wird.
Schlaf- und Beruhigungsmittel wie z. B. Tranquilizer verstärken ebenfalls eine Schlafapnoe.
Weitere wichtige Risikofaktoren sind Bluthochdruck und die Einengung der oberen Atemwege, die etwa bei großen Nasenpolypen, Verbiegungen der Nasenscheidewand, großen Rachen- und Gaumenmandeln und einem großen Gaumenzäpfchen vorliegt.
Wie wird die Schlafapnoe diagnostiziert und behandelt?
Die Diagnose einer behandlungsbedürftigen Schlafapnoe kann heute auf einfache Weise festgestellt werden. Hinweise dafür sind eine ausgeprägte Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung und ein unregelmäßiges, teilweise sehr lautes Schnarchen.
Um die Diagnose abzusichern, wird in der Regel zunächst eine ambulante Schlafapnoe-Überwachung eingesetzt, bei der mit einem tragbaren Monitoring die Zahl der Atemaussetzer pro Nacht unter häuslichen Bedingungen bestimmt wird.
Wenn dabei ein schwerwiegender krankhafter Befund festgestellt wird, ist als nächster Schritt eine umfassende Messung des Schlafs in einem Schlaflabor notwendig.
Dort kann dann in der Regel auch die Behandlung mit einer nasalen Überdruckbeatmung eingeleitet werden, falls sich das als erforderlich herausstellt.
Was können Sie selbst tun?
Da die Schlafapnoe eine zwar häufige Gesundheitsstörung ist, aber immer noch zu wenig bekannt ist, kommt es zunächst darauf an, dass die Diagnose gestellt wird.
An eine Schlafapnoe müssen Sie immer dann denken, wenn bei Ihnen ein ausgeprägtes, unregelmäßiges und teilweise sehr lautes Schnarchen feststellt wird oder wenn Sie tagsüber sehr müde sind und bei monotonen Tätigkeiten wie langen Autobahnfahrten einzuschlafen drohen. Ganz besonders bedrohlich ist ein plötzlich einsetzender Sekundenschlaf, der die Ursache für viele tödliche Autounfälle ist.
Auch wenn Sie in den frühen Abendstunden auffällig müde sind, sollte der Verdacht auf Schlafapnoe abgeklärt werden, ebenso, wenn Ihre Partnerin bzw. Ihr Partner beobachtet, dass Ihr Atem nachts gelegentlich aussetzt.
Mit dem sogenannten Epworth Sleepiness Scale (ESS) kann die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Schlafapnoe leicht abgeklärt werden. Anhand der dort aufgeführten Skala können Sie überprüfen, wie gefährdet Sie sind. Ergibt sich bei Ihren Antworten eine Gesamtpunktzahl von zehn und mehr, sind weiterführende Untersuchungen nötig.
Sobald die Diagnose gestellt ist, ist es wichtig, dass Sie die oben beschriebenen Risikofaktoren abbauen. Dazu gehört in erster Linie, dass Sie versuchen, dauerhaft Gewicht abzunehmen, sofern Sie übergewichtig sind.
Dies kann durch eine Ernährungsumstellung auf eine fett- und kalorienreduzierte Kost mit reichlich Obst, Gemüse und Kartoffeln gelingen oder auch mit der Methode des Intervallfastens.
Untersuchungen haben gezeigt, dass auch durch eine regelmäßige körperliche Aktivität die Zahl der Atemaussetzer nachts um etwa ein Drittel vermindert werden kann.
Die Zahl der nächtlichen Atemaussetzer lässt sich auch verringern, wenn ein eventuell bestehender Bluthochdruck auf Normalwerte eingestellt wird.3
Alkohol und Schlaf- oder Beruhigungsmedikamente, insbesondere Tranquilizer, sollten Sie natürlich meiden, weil darunter eine Zunahme der Zahl der nächtlichen Atemaussetzer zu beobachten ist.
Eine wirksame medikamentöse Therapie der Schlafapnoe ist leider nicht bekannt.
Was kann man sonst noch tun?
In jedem Fall sollten Sie sich, wenn bei Ihnen eine obstruktive Schlafapnoe diagnostiziert wurde, von hals-nasen-ohren-ärztlicher Seite untersuchen lassen.
Dabei kann festgestellt werden, ob mit einem meist kleinen operativen Eingriff eine Behinderung der Belüftung im Bereich der oberen Atemwege beseitigt werden kann. Denn eine solche Belüftungsstörung kann eine Schlafapnoe verursachen oder ungünstig beeinflussen.
Bei einer mittelschweren oder schweren Schlafapnoe, vornehmlich wenn Sie tagsüber sehr müde sind, ist eine gut angepasste nasale Überdruckbehandlung mit einem angepassten CPAP-Gerät die beste Behandlungsmethode. Patienten, die damit behandelt werden, können davon sehr profitieren und sagen häufig schon nach der ersten Nacht der Anwendung eines solchen Gerätes im Schlaflabor, dass "sie sich wie neugeboren fühlen".
Bei leichten Formen der Schlafapnoe kann der Zahnarzt eine Unter- bzw. Oberkieferschiene einpassen.
Außerdem sollten Sie an einem krankheitsspezifischen Schulungsprogramm, etwa in einer Rehaklinik oder einer Lungenfachklinik, teilnehmen, wo Sie Ihre Kenntnisse über Schlafapnoe und Schlafstörungen sowie deren Behandlung vertiefen können.
Im Vordergrund müssen dabei auch Informationen stehen, wie Sie effektiv abnehmen können und wie Sie das Beatmungsgerät und die Atemmaske richtig anwenden, falls Ihnen eine derartige Behandlung von ärztlicher Seite verordnet worden ist.
Zudem können Sie dort erfahren, was Sie selbst für einen guten und gesunden Schlaf machen können.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de