Öffentlich-rechtliche Sender: Wer hat die Macht über den Rundfunkbeitrag?

Schild des Beitragservices von ARD, ZDF und Deutschlandradio. "Wir sind für sie da."

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Ministerpräsidenten setzen KEF-Empfehlung aus. Neue Regeln in Planung. Verfassungsstreit droht.

Es gibt kein einstimmiges Ja der Länder für die Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Das war die Botschaft der Ministerpräsidentenkonferenz am vergangenen Freitag, die von Medien in Eilmeldungen aufgenommen wurde.

Zwar gebe es unter den Länderchefs Zustimmung für die Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit den großen Sparplänen, aber nicht für die Erhöhung des Beitrages auf 18,94 Euro. Die Beitragszahler können damit rechnen, dass ihnen die Erhöhung bis auf Weiteres erspart bleibt.

Für Anfang 2025 bleibt es für die Beitragszahler – der Empfehlung der KEF zum Trotz – bei 18,36 Euro. Das kann man als Fakt nehmen.

Erhöhung nicht vor 2027?

Seither dringen neue Informationen ans Licht der Öffentlichkeit. Sie überraschen in ihrer Deutlichkeit und der Sicherheit, mit der sie als faktisch wahrscheinlich mitgeteilt werden. So teilte Hans Hartung am 27. Oktober in der FAZ unter der Überschrift: "Rundfunkbeitrag soll nicht vor 2027 steigen" mit:

Alle Länder, so war zu hören, sind sich einig, dass der Beitrag von 18,36 Euro bis zum 31. Dezember 2026 in Kraft bleibt.

Hans Hartung, FAZ

Voraussetzung dafür ist, so Hartung, dass einem neuen Verfahren zur Bestimmung des Rundfunkbeitrags zugestimmt wird.

Der Clou: Das neue Verfahren sieht eine Rechtsverordnung vor, wonach der Rundfunkbeitrag künftig derart festgelegt wird, dass es keine Abstimmung in den Länderparlamenten mehr für eine Erhöhung braucht.

Neues Verfahren zur Ermittlung der Rundfunkgebühr

Das neue Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags richtet sich, soweit aus Diskussionen darüber bekannt wird, nach der "Teuerungsrate". Hartung skizziert das neue Verfahren, das ab 2027 greifen soll, so: Zwar bleibe das bisherige Verfahren mit der Gebührenkommission KEF, aber es wird eine neue Richtgröße eingeführt:

Es (das neue Verfahren, Einf. d. Verf.) beginnt auch künftig damit, dass die Sender ihren "Finanzbedarf" anmelden. Liegt die Empfehlung der KEF dann etwa bei der allgemeinen Teuerungsrate, steigt der Beitrag.

Der bisherige Entwurf des Finanzierungsstaatsvertrags sah eine reine Indexierung vor, das stieß bei den Ländern auf breite Ablehnung.

Hans Hartung, FAZ

Wie es in den wenigen Sätzen schon aufscheint, hat diese Reform ein paar Schwierigkeitsgrade. Einfach gefragt: Wie soll eine Teuerungsrate ermittelt werden, wenn eine reine Indexierung, sprich eine bloße Orientierung an der Inflationsrate, bislang auf "breite Ablehnung" stieß?

Der Basiswert

Hartung selbst hatte das Verfahren in Grundzügen mit seinen Schwierigkeiten schon Mitte September etwas ausführlicher geschildert. In den Mittelpunkt stellte er einen "Basiswert":

Was den Rundfunkbeitrag angeht, ist davon die Rede, dass es einen "Basiswert" geben soll, welcher der Empfehlung der Gebührenkommission KEF entspricht und gesetzlich verankert werden soll. Die KEF soll diesen "Basiswert" dann durch eine vergleichende Betrachtung für die darauffolgenden vier Jahre fortschreiben.

Diese "Fortschreibung" orientiert sich womöglich am Verbraucherindex. Zugleich soll "Rationalisierungspotential" berücksichtigt werden.

Wenn die Beitragshöhe den Vergleichswert überschreitet, berechnet die KEF eine neue Empfehlung, der – wie bisher – die Parlamente zustimmen müssen. Überschreitet die von der KEF ermittelte Beitragshöhe den Vergleichswert jedoch nicht, gilt sie als neue Beitragshöhe und als neuer Basiswert, ohne dass es einer staatsvertraglichen Festsetzung bedarf. Die neue Beitragshöhe und der neue Basiswert gelten dann vom 1. Januar des Jahres an, das auf das Jahr der Veröffentlichung folgt.

Das heißt: Ist der laufende Rundfunkbeitrag deckungsgleich mit dem Vergleichsindex, gilt er so lange, bis sich Abweichungen ergeben, ohne dass die Landesparlamente gefragt werden müssen.

Damit wird das umstrittene und von einigen Landtagsfraktionen abgelehnte Indexmodell durch die Hintertür doch eingeführt, wenn auch abgeschwächt.

Hans Hartung, FAZ

Ersichtlich ist, dass Hartung seinen Ruf als "bestens informiert" nicht zu Unrecht hat. Ersichtlich ist auch, dass es sich hier Teufel im Detail verstecken.

Teufel, über die man reden muss – mal abgesehen davon, dass es auch einen "Teufel" in der größeren, nicht übersehbaren Schachtel gibt: nämlich in der Frage, ob das politisch so ohne Weiteres durchgeht, dass Länderparlamente künftig einer Beitragserhöhung prinzipiell nicht mehr zustimmen müssen.

Die Landtage blieben also außen vor – es sei denn, ein Bundesland wäre mit der KEF-Berechnung nicht einverstanden und legte ein Veto ein. Dann würde das bisherige Ratifizierungsverfahren unter Mitwirkung der Landesparlamente greifen.

Meedia

Insiderwissen: "Grundsätzlich sind alle Länder dafür"

Nach dem gut informierten Hartung würden "grundsätzlich alle Länder" dem neuen Verfahren zustimmen. Voraussetzung dafür sei, "dass der neue Finanzierungsstaatsvertrag keine Beitragserhöhung vom 1. Januar 2025 an vorsieht".

Aber die grundsätzliche Zustimmung müsste sich erst in Detailfragen bewähren, wie Hartung am Ende seines Beitrages erklärt.

Da bei dem neuen Verfahren noch einige rechtliche Fragen zu klären sind, wurde es nicht bereits jetzt beschlossen; es soll im Dezember verkündet werden. Wären alle rechtlichen Fragen schon geklärt, hätten die Länderchefs den großen Coup verkündet.

Hans Hartung, FAZ

Offiziell: Politische Spielräume werden offen gehalten

Offiziell gibt es noch keine verlässliche, spruchreife Einigung der Länderchefs. Da ist noch Abstand zu spüren, das Bestreben, sich Spielraum zu erhalten. So zitiert Meedia den SPD-Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer, damit, dass er zwar einen "Systemwechsel" bei der Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen anstrebe.

Zugesagt hat er aber bisher nicht, wenn man genauer hinschaut: "Man sei 'nah an einer Lösung', die die 'Temperatur der Debatte herunterfahren und weniger politischen Einfluss' ermöglichen solle", gibt ihn Meedia wider.

Sender prüfen ihre Möglichkeiten

Offen bleibt auch, was maßgebliche Vertreter der öffentlich-rechtlichen Sender von dem Aufschub der Beitragserhöhung und dem neuen Verfahren zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags halten. Sie werden sich den Weg zum Verfassungsgericht offenhalten.

Immerhin stehen sie in Verträgen, die ab 2025 bezahlt werden müssen. Zum neuen Verfahren wäre übrigens auch zu bedenken, dass die KEF-Empfehlung auf 18,94 Euro höher ausgefallen wäre, wenn es streng nach dem Inflationsindex gegangen wäre.

SWR-Intendant Kai Gniffke reagierte auf den Beschluss der Ministerpräsidentenrunde mit der Aussage: "Wir werden prüfen, was das für die ARD bedeutet, inhaltlich und juristisch."

WDR-Intendant Tom Buhrow machte, wie die Welt berichtet, geltend, dass die Medienpolitik aber nicht einfach ein verfassungsrechtlich geprüftes Verfahren aussetzen könne.

Er habe aber am gestrigen Dienstag noch offen gelassen, "ob die ARD tatsächlich in Karlsruhe klagen werde, wenn die Bundesländer die von der KEF empfohlene Erhöhung nicht umsetzen sollten".