Ökonomen warnen: Länder der Eurozone bereits in Rezession
Hohe Energiepreise sind Grund für den Abschwung. Bei vielen Unternehmen machen sie sich erst im nächsten Jahr richtig bemerkbar. Viele könnten in andere Länder abwandern.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der europäischen Staaten werden zunehmend größer. Die Länder der Eurozone seien bereits in der Rezession, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag. Dabei beruft sie sich auf Ökonomen der Schweizer Bank UBS.
Die "flache" Rezession wurde demnach von den hohen Energiepreisen ausgelöst und sie wird dem Bericht zufolge bis Ende des Jahres anhalten. Doch die Preise für Erdgas und Strom steigen weiter und vor diesem Hintergrund muss damit gerechnet werden, dass der wirtschaftliche Abschwung länger anhält.
Zumindest die Energiepreise dürften dauerhaft auf einem hohen Niveau bleiben. Davon geht zumindest der Chef des Energiekonzerns E.ON, Leonhard Birnbaum, aus. "Ich rechne nicht damit, dass wir zu den Preisen vor der Krise zurückkommen", sagte er auf dem "Deutschen Energierechtstag 2022" in Essen.
Birnbaum warnte aber davor, die Aufmerksamkeit nur auf das Gas zu legen, denn auch die Stromkosten würden nach oben gehen. "Bei 600 Euro pro Megawattstunde haben wir ein Problem", sagte er. In dieser Woche lagen die Preise auch erstmals über dieser Marke.
Die Kostenwelle rollt 2023 auf Unternehmen zu
Mit einem unguten Gefühl schauen viele Unternehmen auf das kommende Jahr. "Die große Welle bei den Kosten für Strom und Gas wird die energieintensiven Firmen in Deutschland erst im kommenden Jahr richtig erfassen", meinte die Unternehmerin Carletta Heinz einem Bericht des Handelsblatts zufolge. Sie ist Chefin eines Herstellers von Parfümflakons.
Noch profitieren sie von langfristigen Verträgen, die ihnen Energie zu recht günstigen Konditionen bieten. Doch nach und nach laufen sie aus, heißt es in dem Bericht, und dann erwartet sie ein deutlicher Preissprung.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) spielte in einer Modellrechnung durch, welche Auswirkungen hohe Gaspreise auf die Wirtschaft in der Bundesrepublik haben könnten – und das Ergebnis war ernüchternd: Im kommenden Jahr könnten 307.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Und sollte sich der Gaspreis verdoppeln, könnte die Wirtschaftsleistung 2023 um zwei Prozent sinken. Also: etwa um 70 Milliarden Euro.
Im Vergleich mit anderen Ländern weist Deutschland bereits sehr hohe Energiepreise auf. "Die deutsche Industrie zahlt für Erdgas aktuell einen Marktpreis, der um den Faktor acht höher liegt als der Marktpreis in den USA", wird ein Energieexperte der TU Darmstadt im Handelsblatt zitiert.
Ähnlich sieht es beim Strom aus. Lag der Preis für Industriestrom im Jahr 2010 noch bei etwa zehn Cent je Kilowattstunde, so waren es im letzten Jahr rund 15 Cent – ohne Stromsteuer. In den USA zahlte die Industrie im letzten Jahr dagegen nur 6,5 Cent je Kilowattstunde.
Inzwischen sind die Strompreise für die Industrie durch die Decke gegangen. Im Juli lag er bereits bei 37,33 Cent je Kilowattstunde – ohne Stromsteuer. Das geht aus der Strompreisanalyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervor.
Zahlreiche Unternehmen könnten aus Deutschland abwandern
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass manche Unternehmer bereits vor einer Deindustrialisierung des Landes warnen. "Bleiben die deutschen Energiepreise auf dem derzeitigen Niveau, dann werden wir erleben, dass reihenweise Betriebe in deutschen Schlüsselindustrien schließen", erklärte laut Handelsblatt der Geschäftsführer des Chemiekonzerns Lanxess, Matthias Zachert. "Und was jetzt an wettbewerbsfähigere Regionen wie die USA verloren geht, wird nicht zurückkommen", warnte er.
Über viele Jahre konnte die deutsche Industrie auf günstiges Erdgas aus Russland bauen. Nachdem die Bundesregierung aber zum Wirtschaftskrieg gegen Russland aufgerufen hatte, stockten die Gaslieferungen. Andere Quellen lassen sich allerdings kaum kurzfristig erschließen.
Die Bundesregierung will die Probleme nicht offen eingestehen – aber in Branchenkreisen sind sie bekannt. Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbandes Zukunft Gas, äußerte sich am Freitag gegenüber dpa.
Katar werde kaum einspringen, weil seine Lieferungen durch langfristige Verträge in Asien gebunden sind. Norwegen produziere bereits am Anschlag und eventuell könnte mehr gefördert werden. "Das wird aber nicht geschehen, solange es keine langfristige Lieferperspektive für Europa gibt", so Kehler.
Afrika wird in Deutschland zwar als ein Hoffnungsträger gehandelt, doch perspektivisch wird der Kontinent zu einem Gas-Importeur werden. Der Eigenbedarf wachse, sagte Kehler. Und Kanada werde den Fokus beim Bau neuer Exportterminals für Flüssiggas weiter auf die Westküste legen. "Kanadisches Flüssiggas wird deshalb vor allem über die USA nach Europa gelangen", so Kehler. Die USA werden künftig der wichtigste Lieferant sein.
Und daraus kann man schließen: Deutschland gerät erneut in eine extreme Abhängigkeit – nur dass die Gaspreise deutlich über denen liegen werden, die man bislang für russisches Gas zahlen musste.
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