Öl-Junkies auf Kriegskurs

Ein Krieg gegen Irak hat schwere wirtschaftliche Folgen, verschafft dem Westen aber auch neue Ölquellen

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Ein Gespenst geht um an den Börsen: Der Ölpreis könnte auf über 30 Dollar ansteigen, wenn die USA gegen den Irak in den Krieg ziehen. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hat jedoch am Donnerstag vorläufige Entwarnung gegeben. Zwar hat das Kartell keine Erhöhung der Förderquoten beschlossen, aber trotzdem angekündigt, den Ölpreis im Zweifelsfall zwischen 22 und 28 Dollar je Barrel stabil zu halten. Nach OPEC-Angaben lag der Ölpreis am Dienstag bei 26,92 Dollar, am Mittwoch bei 27,36 Dollar.

Saudi-Arabien hatte sich für eine Erhöhung der Fördermengen eingesetzt. Wie Ali el Nuaimi, der Ölminister des Landes, laut "afp" bei dem Treffen im japanischen Osaka sagte: "Wir werden auf Engpässe reagieren, ganz gleich was das Ereignis oder die Ursachen sind."

Die OPEC will sich schon am 12. Dezember wieder treffen, obwohl das nächste reguläre Treffen erst im März ist. Die Saudis sind offenbar gewillt, ihrem großen Verbündeten USA in jedem Fall den Rücken frei zu halten. Die Ankündigung, saudische Basen für einen Krieg zur Verfügung zu stellen, sollte ein UN-Mandat vorliegen, verweist in die gleiche Richtung.

Weltweit fürchte Regierungen die Folgen eines Krieges am Golf. So stieg der Ölpreis im Golfkrieg 1990/91 bis zum November 1990 auf das Doppelte. Erst mit Kriegsende fiel er wieder. Für die EU und Japan, aber auch für die USA, die drei wichtigsten Zentren der Weltwirtschaft, ist Erdöl der Schmierstoff der Wirtschaft. Ein höher Ölpreis führe "zu realen Einkommensverlusten in der westlichen Welt, die Konsumenten geben weniger aus, und die Konjunktur erhält einen Dämpfer", warnte deshalb Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo).

Dabei ist Europa mehr als die Vereinigten Staaten von Lieferungen aus der Golfregion abhängig. Im Jahr 2001 verbrauchten die USA laut BP Statistical Review of World Energy 2002 895,6 Millionen Tonnen Erdöl und importierten 138 Millionen Tonnen aus dem Nahen Osten. Die EU, die mit 637,1 Millionen Tonnen weniger Öl verbraucht als die USA, bezieht mit 176,2 Millionen mehr Öl als die Vereinigten Staaten aus Nahost. "Die westliche Welt hängt", wie wie Olaf Storbeck am 1. April 2002 im "Handelsblatt" schrieb, "am Ölhahn wie ein Heroinsüchtiger an der Nadel. (..) Aus dem Dilemma gibt es nur einen wirklichen Ausweg: Die westlichen Öl-Junkies müssen schleunigst zur Entziehungskur."

Gewinnen die USA einen Krieg gegen Irak schnell und setzen ein ihnen freundliches Regime in Bagdad ein, könnten sie den Irak zur neuen Regionalmacht aufbauen und sich vor allem von Saudi-Arabien abwenden, das nach Meinung vieler in der USA eher als Feind denn als Freund der USA eingestuft werden sollte. Der Irak hat mit geschätzten 112,5 Mrd. Barrel die zweitgrößten Ölreserven der Welt. Allerdings ist die Produktion auf Grund des Embargos derzeit niedrig. Und auch zu besten Zeiten lag die Produktion bei gerade 3 bis 3,5 Millionen Barrel, rund ein Drittel der saudischen Fördermenge. Aber auch Kuwait hat nur Reserven von 96,5 Milliarden Barrel - und für das Emirat haben die USA schon einmal einen Krieg geführt. Warum also nicht Irak? Rainer Hermann schreibt in der FAZ vom 2.9.2002: "Den ersten Krieg gegen den Irak haben die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten des Erdöls wegen geführt. Auch am zweiten Krieg wird es seinen Anteil haben."

Bei einem US-Krieg gegen den Irak könnte sich, wenn dieser etwa aus der Opec austritt, die Lage für die arabischen Staaten verschlechtern und die Fördermengen unterlaufen. In diesem Fall könnte eine neue irakische Regierung mit den jahrelangen Sanktionen argumentieren, die es nötig machten, die Ölförderung über das übliche Maß hinaus zu steigern, um Geld für den Wiederaufbau des von zehn Jahren Embargo gebeutelten Landes zu erwirtschaften.

Sollte der Krieg aber länger dauern und der Irak möglicherweise zerfallen, so droht der gesamte Nahe Osten in Chaos zu versinken. Dann hängt wieder alles von Saudi-Arabien ab, das bisher immer in die Bresche gesprungen ist und die Preise stabil gehalten hat. Der Westen ist den Ölscheichs im Krisenfall ausgeliefert.

Doch es gibt noch eine Alternative: Russland. Das Land will an alte Sowjetleistungen anknüpfen und eine strategische Ölreserve für den Weltmarkt aufbauen. Die Fördermenge soll von geschätzten 7,1 bis 7,4 Millionen Barrel auf 12 Millionen erhöht werden. Damit würde das Land so viel fördern wie Saudi-Arabien und Iran zusammen. Russland lehnt wie Deutschland einen Krieg gegen Irak ab. Als erdölexportierendes Land fürchtet es aber nicht einen steigenden, sondern einen fallenden Ölpreis. Das könnte eintreten, wenn der Irak wieder groß ins Ölgeschäft zurückkehren sollte, und würde Russlands Bemühen, die eigenen Ölfelder zu entwickeln, empfindlich treffen.

Langfristig ist aber auch Russland, wie Hermann schreibt, nur eine Scheinalternative für westliche Öl-Junkies: "In der Gegenwart suchen die Vereinigten Staaten nach Alternativen zum Erdöl der Golfstaaten, langfristig aber werden sie diese Staaten in ihre Ölpolitik wieder integrieren müssen. Denn um den Golf liegen nahezu zwei Drittel aller bekannten Ölreserven, fast zehnmal soviel wie unter ganz Russland."

Noch mehr als auf Russland setzten die USA auf die Region um das Kaspische Meer (Vom Krieg zum Geschäft). Nach Schätzung der US-Energiebehörde lagert dort ähnlich viel Öl wie in Saudi-Arabien. Am 18. 9. wurde der Grundstein für eine Pipeline von Baku über Georgien in die Türkei gelegt. George W. Bush begrüßte den Baubeginn als "Verbesserung der globalen Energiesicherheit". Afghanistan, Pakistan und Turkmenistan planen, das 1998 von dem CentGas Konsortium unter Unocal aufgegebene Gas-Pipeline-Projekt wieder aufzunehmen. Für nächstes Jahr ist die Ausarbeitung einer Durchführbarkeitsstudie beschlossen worden, 2004 könnte mit den Arbeiten für das 2,5 Milliarden Dollar Projekt mit einer Länge von 1450 Kilometern begonnen werden, wenn Investoren gefunden werden. Turkmenistan hat die viertgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Mit der Pipeline würde sich die Abhängigkeit von Turkmenistan von Russland mindern.

Dirk Eckert