Ölmacht USA: Klimapolitik gegen Konkurrenz aus dem globalen Süden

Seite 2: Mission: Global Governance

Auch wenn viele Wege nach Nordamerika führen, tritt der globale Norden gegenüber den Ländern der südlichen Hemisphäre nicht in Gestalt der nationalen Weltmacht USA auf, sondern zunehmend in Form von öffentlich-privaten Partnerschaften mit den Vereinten Nationen.

So etwa beim angeschlagenen Klima-Finanzialisierungs-Projekt Glasgow Alliance for Net Zero (GFANZ), wo sich US-Finanzmogule aus USA, Kanada und UK unter anderem mit dem vom Kriegsfalken-Saulus zum Klimawandel-Paulus geläuterten Ex-Außenminister John Kerry tummeln.

Oder bei der von Visa und Mastercard gestützten Better Than Cash Alliance. Oder – aus aktuellem Anlass besonders relevant – im Falle der 2019 geschlossenen strategischen Partnerschaft mit dem Weltwirtschaftsforum (WEF).

Bemerkenswert ist, dass manche Vertreter der Global-Player-Finanz-Allianzen einem Machterhalt der USA skeptisch gegenüberstehen oder sogar fast mit Freude dessen Zerfall erwarten (Telepolis hatte sich im vergangenen Jahr auch diesem Thema gewidmet).

Das gilt auch für (vermeintlich) kritische Beobachter wie den G-Zero-Advokaten Ian Brenner und den Nord-Stream-II-Querdenker Jeffrey Sachs. Beide sind Finanz-Profis, beide streben eine Weltordnung nach den Prinzipien der Vereinten Nationen an. Beide entsprechen damit übrigens auch den Forderungen der US-Staats- und Systemfeinde Vladimir Putin und Xi Jinping.

Wie viele andere beschreibt Politologe Bremmer jene internationale Ordnung mit dem Begriff der "Global Governance", der zuletzt immer wieder im politischen Diskurs aufgetaucht ist, wenn es um ein weltweit abgestimmtes Vorgehen in Bezug auf die Corona-Krise oder den Klimawandel ging.

Der noch immer im Entwurfstadium befindliche globale Pandemiepakt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde nicht umsonst auf dem Pariser Friedensforum erdacht, welches in Ergänzung zum verteidigungspolitischen Feld der Münchner Sicherheitskonferenz und dem ökonomischen Feld des WEF jenes der Global Governance beackert.

Der Begriff der Global Governance ist vieldeutig. Zum einen wird er herangezogen, um internationale Zusammenarbeit im Sinne völkerrechtlicher Vereinbarungen zu bezeichnen, andererseits gebraucht man ihn im Gespräch über supranationale Institutionen sowie im Hinblick auf die politische Kooperation mit multinationalen Konzernen und anderen Nicht-Regierungungsorganisationen.

So ist etwa das oben zitierte CFR-Mitglied Patrick "James H. Binger senior fellow in global governance" und "director of the International Institutions and Global Governance program" des CFR. Außerdem betreibt Patrick den CFR-Blog The Internationalist, wo er sich mit der "Zukunft der Weltordnung, der staatlichen Souveränität und der multilateralen Zusammenarbeit" befasst. Daneben erklärt er auch gerne einmal in Podcasts, wie die WHO funktioniert.

Die Organisation Global Policy Forum (GPF) setzt sich kritisch mit dem Thema der Global Governance auseinander. Elena Marmo vom GPF-Ableger Global Policy Watch hat in Bezug auf das WEF-Jahrestreffen in Davos 2023 zuletzt in einem lesenswerten Beitrag für die Rosa-Luxemburg-Stiftung vom Phänomen des "Corporate Capture" geschrieben, einer Vereinnahmung durch die Konzerne. Ihr Fazit3:

Auch wenn Regierungen nicht in der Lage sind, die Herausforderungen der heutigen Welt allein zu bewältigen, so tragen Institutionen wie das Weltwirtschaftsforum doch nur dazu bei, Machtsysteme zu festigen, in denen Unternehmen sowie die Reichen und Eliten der Welt als "Partner" und "Stakeholder" angesehen werden und nicht als Kräfte, die einer stärkeren Regulierung und Besteuerung bedürfen, um Staaten den finanziellen Spielraum für systemische Veränderungen zu geben.

Elena Marmo

Marmos letzter Satz ist dabei natürlich entscheidend. Denn er verdeutlicht, dass das "Multistakeholder-Modell" nicht nur das Prinzip einer gesetzesbasierten (sozialen) Marktwirtschaft, sondern in letzter Konsequenz auch das demokratischer Staaten allgemein unterläuft. John Perkins, Autor des kritischen Erfahrungsberichts zur Entwicklungszusammenarbeit Confessions of an Economic Hitman (2004), hat in diesem Kontext den Begriff der "Korporatokratie" geprägt, der Herrschaft der Konzerne.

Und natürlich stellt sich unweigerlich die Frage, wer sich hier in wessen Dienst stellt: Dienen die Konzerne den multilateralen Organisationen oder dienen diese Organisationen den Konzernen? Das bereits 2015 von GPF benannte chronische Haushaltsdefizit der UN jedenfalls trägt nicht dazu bei, Zweifel an deren unbedingter Integrität auszuräumen.

Gleichzeitig häufen sich die Ausnahmezustände, in denen der Bevölkerung die Unterstützung durch privatwirtschaftliche Akteure, undurchsichtig finanzierte Stiftungen oder (vermeintlich) gemeinnützige Organisationen als unverzichtbar verkauft werden. Manche Vorgänge sind dabei – wie im Falle des Pfizer-Deals von Ursula von der Leyen – für Parlament und Wähler völlig intransparent.

Aber sollte es in diesem Text nicht um die Ölpreiskrise gehen? Das wird es wieder. In Teil drei kehren wir zurück zum schwarzen Gold, dem nach wie vor gefragten "Treibstoff der Moderne".