Österreich: Angst vor Neuwahlen

Nach dem Rücktritt des österreichischen Vize-Kanzlers könnte das rechte Lager an die Macht kommen

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Nach monatelanger Kritik aus den eigenen Reihen ist Michael Spindelegger (Vizekanzler und Parteiobmann der konservativen ÖVP) heute von all seinen Funktionen zurückgetreten. Spindelegger hatte das Finanzministerium in der Koalition mit den Sozialdemokraten (SPÖ) übernommen. In der Frage um eine geplante Steuerreform kam man aber nicht vom Fleck, was nach Spindeleggers eigenen Angaben ausschlaggebend für seinen Rücktritt war. Derzeit wird parteiintern über eine Nachfolge beraten.

Michael Spindelegger gab seinen Rücktritt auf einer Pressekonferenz bekannt. Bild: ÖVP/CC-BY-SA-2.0

In den Medien werden jedoch bereits Befürchtungen über Neuwahlen geäußert. So schreibt Michael Völker, Redakteur der wirtschaftsliberalen Tageszeitung "Der Standard", in einem Kommentar, dass Neuwahlen in der derzeitigen Situation durchaus wahrscheinlich wären. Doch "dann kommt Strache", so seine Prognose.

Heinz C. Strache, Parteichef der rechtspopulistischen FPÖ kann seit Monaten mit hohen Umfragewerten aufwarten. Meist liegt er bei einer Zustimmung von knapp 30 Prozent. In einer von der Tageszeitung Österreich durchgeführten Umfrage Anfang August lag Strache bei der Kanzlerfrage mit dem amtierenden Kanzler Werner Faymann (SPÖ) gleichauf.

Strache hat nach der Abspaltung Jörg Haiders mit dem BZÖ im Jahre 2005 die FPÖ systematisch auf Stimmengewinne hin aufgebaut. Er ist wesentlich ausdauernder als der verstorbene Jörg Haider, dem eine gewisser Narzissmus anhaftete. Antisemitische Auswürfe, wie man sie von Jörg Haider kannte, gab es kaum. Doch Strache nutzte ausländerfeindliche Positionen für seinen Aufstieg. Er wusste immer "Überfremdungs-Ängste" in der Bevölkerung zu nutzen und zu forcieren. Er wirkt auf Menschen mit mehr oder weniger begründeten Existenzängsten und zieht Personen an, die Theodor W. Adorno und Max Horkheimer als sado-masochistische bzw. autoritäre Charaktere beschrieben haben, Menschen, die sich nicht aus ihrem Leid befreien können, sich nach autoritärer Führung sehnen und sich schließlich oft selbst autoritär gegenüber Schwächeren verhalten. Die Sehnsucht nach einem "starken Führer" hat sich in Österreich seit einigen Jahren wieder verstärkt gezeigt, wie eine Studie erst zu Beginn dieses Jahres zeigte (Sehnsucht nach dem starken Führer). In der repräsentativen Untersuchung zeigten beinahe dreißig Prozent der Bevölkerung anti-demokratische Haltungen.

Ein wesentlicher Grund für die aktuelle Regierungskrise in Österreich war - wie eingangs erwähnt - die geplante Steuerreform. Sie sollte das Kernstück für die Regierungsarbeit unter der amtierenden SPÖ-ÖVP-Koalition werden. Angesichts der Schulden müsse sich die Politik an Berlin und nicht aan Athen orientieren, erklärte Spindelegger.

Derzeit werden die Steuern auf Arbeit von weiten Teilen der arbeitenden Bevölkerung als zu hoch empfunden. Auch Unternehmer sind aufgrund hoher Lohnnebenkosten immer seltener bereit, Arbeitnehmer einzustellen. Der Druck auf die Arbeitnehmer wächst. Darüber hinaus gibt es rund 350.000 offiziell arbeitssuchende Menschen. Mit 5 Prozent nach internationalem Standard, steht Österreich damit relativ gut da. Viele real Arbeitssuchende werden aber oft statistisch gar nicht erfasst. Andere werden in arbeitsmarktpolitische "Maßnahmen" geschickt, die oft als demütigend empfunden werden. Auch sie fallen aus der statistischen Erfassung von Arbeitssuchenden heraus.

Eine Steuerreform jetzt ist nur mit neuen Steuern oder Schulden machbar. Dieser Weg ist für mich nicht gangbar.

Michael Spindelegger

Die gesamte Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik hat ein enormes Frustrationspotenzial in der österreichischen Bevölkerung erzeugt. Doch Lösungen sind nicht so einfach zu erzielen. Die SPÖ will eine "Reichensteuer", die Positionen der ÖVP sind nicht so klar auszumachen. Schließlich will man den Mittelstand als wichtiges Wählerpotenzial nicht vergraulen. Daraus ergab sich ein mühsames Tauziehen.

Die Frustration in der österreichischen Bevölkerung über den politischen "Stillstand" in wichtigen Lebensfragen, über eine Jahrzehnte währende Proporz-Politik und damit verbundene Ungerechtigkeiten ist verständlich, dass sie sich in vermehrter Zustimmung zu Heinz Christian Strache ausdrückt, ist allerdings bedenklich.