Österreich: Mit wem regiert Kurz als nächstes?
Der Sieger der Nationalratswahl am Sonntag scheint bereits festzustehen - die anderen Parteien streiten sich bereits darum, wer sein Koalitionspartner sein darf
Eine Woche vor der vorgezogenen Nationalratswahl in Österreich führt die ÖVP die Umfragen zwar nicht mehr (wie kurz nach der Ibiza-Affäre) mit 38, aber immer noch mit 34 bis 35 Prozent an. An zweiter Stelle liegt mit mehr als zehn Punkten Abstand und 22 bis 23 Prozent die SPÖ, die von der Ibiza-Äffäre nicht profitieren konnte, sondern drei bis vier Prozentpunkte schlechter dasteht als in den Umfragen aus dem April.
Insofern wirken Berichte, denen zufolge SPÖ-Landespolitiker bereits über einen Nachfolger der SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Joy Rendi-Wagner nachdenken, nicht ganz lebensfern. Im Gespräch dafür ist der burgenländische SPÖ-Chef und ehemalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der sicherheits- und migrationspolitisch für einen eher "dänischen Kurs" der Sozialdemokraten steht (vgl. Österreich plant Migrationsgipfel).
Neos blinken Grüne an
Rendi-Wagner will davon nichts wissen. Sie sagte dem ORF gestern, "die einzige Umfrage, die [sie] interessier[e], [sei] die am Wahltag". In diesem Zusammenhang verglich sie sich mit Profisportlern, die ihren Worten nach "alle mit dem Ziel Platz eins losfahren". Für den Fall, dass sie nur auf Platz zwei landet, schloss sie nicht aus, als Vizekanzlerin unter Sebastian Kurz zur Verfügung zu stehen. Auf keinen Fall koalieren will sie dagegen mit der FPÖ, mit der Doskozil im Burgenland regiert. Die liegt mit 20 Prozent in den Umfragen aller großen Institute auf Platz drei und hätte damit ohnehin keine Chance auf eine Zweierkoalition mit der SPÖ - wohl aber auf eine Wiederholung der Regierungszusammenarbeit mit Kurz' ÖVP.
Für eine Koalition aus der ÖVP und den bei acht bis neun Prozent gemessenen Neos reicht es den Umfragen nach dagegen nicht. Ihre Chefin Beate Meinl-Reisinger hat am 20. September in einer "Erklärung für eine anständige Regierung" trotzdem vier unverhandelbare Voraussetzungen für eine Koalition bekannt gegeben: Außer "absoluter Transparenz bei Posten- und Auftragsvergaben", einer "Bildungspflicht" zur mittleren Reife für alle Schüler und der Abschaffung der kalten Progression gehört dazu auch ein "nationaler Klima-und Umweltpakt". Das kann man als Wunschanzeiger in Richtung einer Dreierkoalition mit den in den Umfragen trotz einer Korruptionsaffäre elf bis 13 Prozent starken Grünen lesen (vgl. Türkis-grün-pinke Kleiderschrank-Koalition in Österreich?).
Wünsche für eine Neuauflage einer türkis-blauen Koalition
Die Warnung vor so einer Regierungungsbeteiligung der Grünen ist eines der zentralen Wahlkampfthemen der FPÖ, die nach dem Abgang von Heinz-Christian Strache im Zuge der Ibiza-Affäre vom ehemaligen Bundespräsidentschaftswahlfinalisten Norbert Hofer und vom ehemaligen Innenminister Herbert Kickl gemeinsam geführt wird. Die Forderung, dass der an der Ibiza-Affäre nicht beteiligte Kickl das Innenministerium räumt, führte im Frühjahr zum vorzeitigen Bruch der Koalition aus ÖVP und FPÖ (vgl. Vorgezogene Neuwahlen in Österreich). Geht es nach dem Willen des ehemals grünen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen und mehrerer ÖVP-Politiker, soll Kickl auch dem nächsten Kabinett nicht angehören. Akzeptieren die Freiheitlichen das, könnte Kickl Klubobmann (oder bundesdeutsch: Fraktionsvorsitzender) der FPÖ im Nationalrat werden.
Der von der ÖVP akzeptiertere Norbert Hofer formuliert bereits Wünsche für eine Neuauflage einer türkis-blauen Koalition: Dazu gehören eine Überprüfung, ob Asylgründe bei Sozialleistungsbeziehern noch vorliegen, und die Initiative "Haft in der Heimat", mit der die aktuell zu 53,8 Prozent mit Nichtösterreichern gefüllten österreichischen Gefängnisse entlastet und die Durchsetzung einer Aufenthaltsbeendigung von Straftätern vereinfacht werden sollen. Für unangemessen hält Hofer die Forderung des umstrittenen ehemaligen Kanzleramtschefs Gernot Blümel, dass im nächsten Koalitionsvertrag ein Verbot der Identitären Bewegung Österreich stehen müsse (vgl. Österreich: Kurzer Dienstweg zwischen Verfassungsschutz und ÖVP).
Gegen Hofers Einwurf, dass man so etwas in einer pluralistischen Gesellschaft den Gerichten überlassen solle, argumentierte der ÖVP-Politiker Andreas Khol in einem Gastkommentar für den Standard ähnlich wie der damals dafür scharf angegriffene Herbert Kickl in einem anderen Fall im Januar argumentiert hatte: "Manche Juristen", so Khol, lehnten "solche Grundrechtseingriffe aus grundsätzlichen Überlegungen ab": Das sei aber "eine politische [und] keine rechtswissenschaftliche Entscheidung: "Das letzte Wort hat hier, das müssen auch Kronjuristen hinnehmen, die Politik."
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