Vorgezogene Neuwahlen in Österreich

Sebastian Kurz. Foto: Harald Bischoff. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Kurz: ÖVP soll "ganz eindeutig den Ton angeben"

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Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat gestern Abend verkündet, dass es nach der Ibiza-Video-Affäre vorgezogene Neuwahlen geben wird. Die, so der 32-Jährige, habe er dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander van der Bellen "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt" vorgeschlagen. Darüber, wann dieser schnellstmögliche Zeitpunkt genau sein wird, will er heute ab 11 Uhr mit dem ehemaligen Grünen-Chef sprechen.

Zur Begründung seiner Entscheidung meinte der ÖVP-Politiker, er wolle "mit der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung" Kanzler bleiben, glaube aber, dass das "derzeit mit niemandem" geht. Ein Weitermachen mit der FPÖ sei wegen der im Ibiza-Video offenbarten "wirklich schwerwiegenden […] Ideen des Machtmissbrauchs und des Umgangs mit österreichischem Steuergeld" nicht möglich, auch wenn er die Art und Weise, wie das Video zustande kam, für "verachtenswert" halte (vgl. Der Ibiza-Supergau).

Neos und Jetzt freuen sich

Mit den Sozialdemokraten gebe es zu große inhaltliche Differenzen für einen fliegenden Koalitionspartnerwechsel und die "kleinen Parteien" im Nationalrat - die Neos und die Grünen-Abspaltung "Jetzt" - seien "zu klein". Letzteres kann man als indirekten Hinweis darauf verstehen, dass Kurz bei der Neuwahl nicht nur auf Zugewinne seiner eigenen Volkspartei, sondern eventuell auch auf stärkere Neos hofft. Deren Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger freute sich über die Neuwahl-Nachricht ebenso öffentlich wie der "Jetzt"-Chef Bruno Rossmann.

In jedem Fall soll die ÖVP Kurz' Worten nach in der nächsten Koalition "ganz eindeutig den Ton angeben", damit er sein begonnenes Werk "ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und andere Skandale" fortführen könne. In diesem Zusammenhang lobte er seine bisherige Regierungsarbeit, wobei er besonders die Steuersenkungen, die Beendigung der "Schuldenpolitik" und die Maßnahmen gegen die illegale Migration hervorhob.

Van der Bellen: "dreiste Respektlosigkeit"

Van der Bellen bestätigte, dass er "mit Bundeskanzler Kurz vorgezogene Wahlen ausgemacht" habe, die "das Vertrauen der Österreicher wiederherstellen" sollten. Die Äußerungen in den Ibiza-Videos sind seinen Worten nach eine "dreiste Respektlosigkeit den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber", die er "nicht toleriere".

Nachdem der in dem am Freitagabend lancierten Video aufgenommene Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Samstagmittag zuerst seinen Rücktritt von allen Regierungs- und Parteiämtern erklärt hatte (vgl. Strache tritt nach Ibiza-Video-Affäre zurück), sah es zuerst so aus, als ob Neuwahlen abgewendet sein könnten. Dann jedoch ließ eine angekündigte Stellungnahme des Bundeskanzlers Stunde um Stunde weiter auf sich warten, während ein neuer Ausschnitt des Affärenvideos an die Öffentlichkeit gelangte, auf dem Strache Kurz Drogenkonsum vorzuwerfen scheint (vgl. IbizaGate: Wie dumm sind unsere Politiker?).

Auch in Oberösterreich soll die Koalition geprüft werden

Gleichzeitig berichteten österreichische Medien unter Berufung auf FPÖ-Parteikreise, dass Kurz für ein Aufrechterhalten der Koalition auch eine Entfernung des von der Ibiza-Video-Affäre nicht direkt betroffenen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl und die Besetzung dieses Ressorts durch einen ÖVP-Politiker fordere. Darauf wollte sie die FPÖ angeblich nicht einlassen.

Nach dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil von der SPÖ kündigte gestern Abend auch der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer von der ÖVP an, die Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Landesebene auf den Prüfstand zu stellen. Man müsse, so Stelzer, darüber reden was das für Oberösterreich "bedeutet" und der FPÖ dort müsse "klar sein, dass die Aussagen im Ibiza-Video "absolut nicht mit einer wichtigen Staatsfunktion vereinbar" sind.

In Vorarlberg, wo im September gewählt wird, verlautbarte ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner, er werde danach auf keinen Fall mit der FPÖ zusammengehen. Außerdem sei es nun möglich, dass der Wahltermin um ein paar Wochen verschoben wird.

Mit welchem Personal die FPÖ bei dieser Nationalratswahl antritt, ist noch unklar. Wahrscheinlich ist, dass der ehemalige Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer Spitzenkandidat sein wird. Außerdem meldete der oberösterreichische FPÖ-Landeschef Manfred Haimbuchner bereits Ansprüche auf eine wichtigere Rolle "in Wien" an.

Der staatlichen Bauauftragsstopp an den Strabag-Konzern, den sich der zurückgetretene Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video ausmalt, hat ebenfalls ein Nachspiel: Hans Peter Haselsteiner, der Eigentümer des Konzerns und einer der wichtigsten Finanziers der FPÖ-Konkurrenz Neos, kündigte an, sich alle staatlichen Aufträge, die seit Kurz' Regierungsübernahme nicht an sein Unternehmen gingen, noch einmal ganz genau anzusehen. Ganz besonders hat er dabei die Westbahn im Auge.

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