Offizieller Brexit-Antrag am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag?

Grafik: TP

Ober- und Unterhaus streiten um Details - und London und Brüssel um Milliarden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Heute, Morgen und Übermorgen steht im britischen Parlament der Brexit auf der Tagesordnung. Es könnte aber sein, dass Dienstag und Mittwoch über andere Themen debattiert wird, wenn sich Ober- und Unterhaus schon am heutigen Montag darauf verständigen, dass der Brexit-Einigungsvertrag dem Westminster-Parlament nicht schon vorgelegt werden muss, bevor das EU-Parlament darüber beraten darf und dass die Regierung den bereits im Vereinigten Königreich lebenden Staatsangehörigen anderer EU-Staaten unabhängig vom Ausgang der Brexit-Verhandlungen ihre bisherige Rechtsposition garantiert.

Diese Ergänzungen im Austrittsverhandlungsgesetz hatte das House of Lords (wörtlich: "Herrenhaus") gefordert, dessen aktuell 810 Mitglieder nicht gewählt, sondern zum größten Teil auf Vorschlag des Premierministers oder der House of Lords Appointments Commission ernannt wurden. 92 Peers dort haben ihren Sitz ererbt, 14 Bischöfe und zwei Erzbischöfe entsandte die anglikanische Kirche.

Dem britischen Nachrichtensender Sky News zufolge, der sich auf Insiderinformationen aus dem Herrenhaus beruft, wollen die Lords allerdings kein Hin-und-Her-Spielchen anzetteln, wenn das Unterhaus ihre Vorschläge ablehnt, sondern dessen Entscheidung akzeptieren. Davon gehen auch Unterhausabgeordnete aus, die darauf hinweisen, dass die Lords ihre Forderungen nicht mit neuen Argumenten begründeten.

May und Johnson wollen notfalls auch ohne Zoll- und Handelsverträge aus der EU austreten

Premierministerin May wiederholte währenddessen, dass sie notfalls auch ohne Zoll- und Handelsverträge aus der EU austreten wolle, wenn die Brüsseler Verhandlungsdelegation keine akzeptablen Angebote macht. Ihr Außenminister Boris Johnson flankierte diese Position im Fernsehsender ITV, meinte jedoch, dazu werde es nicht kommen, weil "unsere Freunde und Partner in der EU verzweifelt wollen, dass diese Sache funktioniert."

Zuletzt forderten EU-Vertreter allerdings, dass Großbritannien auch nach einem Ausstieg aus der EU noch Zahlungen von bis zu 60 Milliarden Euro für EU-Beamten-Pensionen und andere als "langfristige Verpflichtungen" gewertete Haushaltsposten zahlen müsse. Der Sunday Times zufolge hat May dazu ein Rechtsgutachten anfertigen lassen, das solch eine Verpflichtung verneint und stattdessen eine valide Rechtsgrundlage für die Rückforderung von in der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingezahlten neun Milliarden britischen Pfund bejaht.

Oettinger möchte Anteil aus der Mineralölsteuer - Kurz will stattdessen sparen

Der deutsche EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger forderte mit Verweis auf eine durch den Brexit in Brüssel entstehende Finanzlücke Anfang März einen Anteil aus der Mineralölsteuer der Mitgliedsländer, der direkt an die EU fließen soll (vgl. Oettinger will Mineralölsteueranteil für die EU). Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz, dessen Heimat während des voraussichtlichen Brexit-Verhandlungsabschlusses in der zweiten Jahreshälfte 2018 dem EU-Rat vorsitzen wird, lässt dagegen gerade einem Konzept ausarbeiten, das vorsieht, die 14 Milliarden Euro an fehlenden Einnahmen ausschließich mit Einsparungen zu kompensieren.

Diese Vorschläge möchte Kurz den Regierungen der EU-Mitgliedsländer persönlich nahe bringen und dazu einer Konferenz in Wien veranstalten. Zentrale Ideen daraus präsentierte der ÖVP-Politiker bereits vorletzte Woche: So will er unter anderem die Zahl der EU-Kommissare halbieren und mit 12,8 Prozent ungefähr den Anteil an Personal abbauen, der dem jetzigen Anteil der UK-Einwohner an der EU-Gesamtbevölkerung entspricht. Damit die verbleibenden Brüsseler Beamten nicht überlastet werden, sollen nicht nur Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten, sondern auch an die Regionen zurückgegeben werden (vgl. EU-Reform: Juncker vs. Kurz).

Nexit?

Bisher blieben die negativen wirtschaftlichen Folgen, mit denen Politiker und Medien vor einer Brexit-Entscheidung warnten, weitgehend aus (vgl. Großbritannien: Wirtschaftsboom und eine "Soziale Wende"). Setzt sich die Entwicklung fort, dürfte das Austrittswünsche in anderen Ländern beflügeln. Ein möglicher Austrittskandidat wären die Niederlande, in denen diese Woche gewählt wird und in denen Geert Wilders' PVV, die das fordert, erstmals stärkste Partei werden könnte (vgl. Geert Wilders' Endspurt um Platz 1).

Das Meinungsforschungsinstitut Bruges ermittelte im letzten Monat unter 1.174 Niederländern, dass sich dort inzwischen 50 Prozent für einen Abschied von Brüssel aussprechen: 23 Prozent wollen das, wenn der Zugang zum Binnenmarkt weiter gewährleistet ist - 27 Prozent würde ein Freihandelsabkommen reichen. Für einen Verbleib in der EU waren lediglich 39 Prozent der Befragten. Die restlichen 11 Prozent entschieden sich für die Antwort "Weet niet".

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.