One Health: Auf dem Weg zu einer neuen globalen Gesundheitsordnung

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Klimawandel, die Verbindung zur Gesundheitspolitik und Investoren: Es gibt die Sorge, dass die gute Sache politisch missbraucht werden könnte – etwa für Überwachung. Was steckt dahinter?

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SBU) verkündete in der vergangenen Woche, dass "Umweltkrisen" eine zunehmende Gesundheitsbedrohung darstellten, mit der sich Bundesregierung und Gesundheitsbehörden künftig intensiver auseinanderzusetzen hätten.

15 Prozent der Todesfälle in Europa seien auf umweltbedingte Todesfälle zurückzuführen, zitiert der Rat eine WHO-Schätzung (Stand 2022, mittlerweile gibt die WHO sogar "fast 20 Prozent" an).

Im Fokus des Einwurfs stand die Feinstaub-Belastung, die speziell den urbanen Lebensraum mit seiner noch immer zu hohen Verbrenner-Dichte betreffe.

Klimawandel als (neuer) Gesundheitsnotstand

Die Verringerung des brennstoff-basierten Verkehrs war bekanntlich bereits vor dem Einwurf des Sachverständigenrats ein weltumspannendes Thema. Nicht nur in der EU, wo das geplante Verbrenner-Verbot nun Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten zu werden droht.

Der zur Einhaltung der UN-Nachhaltigkeits-Agenda 2030 geplante Eingriff in den Mobilitätssektor beschränkt sich nicht auf den Verbrennermotor, sondern auf den Individualverkehr insgesamt, der das Eigentum Auto langfristig durch Sharing-Angebote ersetzen soll. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) präsentierte in einem kürzlich veröffentlichten Bericht einen Ansatz, der vorsieht, das weltweite Verkehrsaufkommen bis 2050 um rund 75 Prozent zu reduzieren.

Neuland haben die deutschen Umwelt-Experten also nicht gerade betreten. Warum Thema erneut aufgreifen?

Weil der Sachverständigenrat einer Idee folgt, der die deutschen Medien in jüngster Zeit verstärkt – und dabei nicht sonderlich unparteiisch – ihre Aufmerksamkeit widmen: Der Verbindung von Gesundheitspolitik und Klimaschutz, auch bekannt unter dem Namen: "One Health".

So hat Telepolis etwa über die Warnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) berichtet, dass der Klimawandel das Risiko für Infektionskrankheiten erhöhe oder auch eine klimabedingte "Gesundheitskatastrophe" angekündigt, die sich in einer ungekannten Anzahl von Hitze-Toten niederschlagen werde.

Klimawandelschrecken Europas

Den dieser Annahme zugrundeliegenden Bericht des EU-Klimawandeldienstes Copernicus hat zuvor auch die Deutsche Presse Agentur (dpa) in einer Meldung aufgegriffen, in deren Titel vom "Klimawandelschrecken Europas" die Rede ist – eine Formulierung innerhalb einer Nachricht, die angehenden Journalisten als pathetisch und daher manipulativ angekreidet werden würde.

Besagte dpa-Meldung hatte auch die Copernicus-Behauptung reproduziert, wonach sich Europa schneller erwärme als der Rest der Welt. Telepolis-User "Teichfolie" machte im Forum darauf aufmerksam, dass jene Behauptung schon mehrfach für völlig unterschiedliche Regionen der Welt aufgestellt wurde und weckte damit Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.

Umstände wie die, dass die US-Nachrichtenagentur AP sich ihren "Klima-Journalismus" von den Murdochs, Rockefellers, Fords und Hewletts bezahlen lässt oder der Spiegel eine Kolumne über "globale Gesellschaft" von der Bill and Melinda Gates Stiftung hat, bestärken Vorwürfe, dass es sich hier nicht allein um eine rein auf Sachlichkeit beruhenden Überzeugungsarbeit handelt.

Aber zurück zum Konzept "One Health". Es fand jüngst auch Erwähnung in einem Antrag der Ampel-Regierungsfraktionen fand, in dem die Erweiterung des Mandats der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert wird.

One Health und Planetary Health

Den Hitzeschutzplan, mit dem Karl Lauterbach (SPD) auf die erwähnten Bedrohungen zu reagieren trachtet, stellte der amtierende Bundesgesundheitsminister unter anderem zusammen mit dem Initiator der spenden- und staatsfinanzierten NGO Allianz für Klimaschutz und Gesundheit (Klug) vor. Wie der Name schon verrät, hat sich die NGO den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels verschrieben.

"Klug" beruft sich auf das Konzept von "One Health" sowie auf den eng verwandten Ansatz des hauseigenen Thinktanks Center for Planetary Health. Deren Leiterin Maike Voss war zuvor bei der transatlantisch geprägten Stiftung Wissenschaft und Politik tätig und ist Mitautorin eines Artikels, der fordert, die WHO zur Zentralgewalt in Gesundheitsfragen aufzubauen. Aber dazu später mehr. Klären wir erst einmal, was mit den Begriffen One Health und Planetary Health überhaupt gemeint ist.

Human-Ökologie

Beide Konzepte sind in der sogenannten Human-Ökologie zu verorten. Diese verfolgt laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) den Ansatz,

(...) physische, soziale, kulturelle und politische Aspekte der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Umwelt zu analysieren. Verschiedene Integrationsansätze nehmen dabei sowohl Ressourcen und Nachhaltigkeit (…) als auch schädliche Faktoren und Risiken in den Blick.

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Zu den negativen Auswirkungen eines Ungleichgewichts (Dysbalance) in diesem Sinne zählen neben den klimatisch bedingten Gefährdungen insbesondere Infektionskrankheiten, die durch menschliche Eingriffe in den natürlichen Lebensraum verursacht werden (siehe: Zoonosen), aber auch multiresistente Erreger, die sich im Zuge der industriellen Land- und Viehwirtschaft entwickelt haben.

Dass sich "One Health" und "Planetary Health" nicht ohne Weiteres voneinander trennen lassen, liegt schon deshalb nahe, weil Klug ein Mitglied der an der Universität Harvard beheimateten "Planetary Health Alliance" ist.

Die US-amerikanische Muttergesellschaft versammelt eigenen Angaben zufolge mehr als 350 Universitäten, NGOs, Forschungsinstitute und Regierungsstellen aus mehr als 60 Ländern auf der ganzen Welt.

Den Grundstein für die Alliance legte die Rockefeller-Stiftung, die den Diskurs um den Klimawandel mindestens seit dem legendären Club of Rome mitgestaltet.

Manhattan Principles: Mit mehr Überwachung gegen die nächste Pandemie?

2015, lange bevor Greta Thunberg beschließt, freitags nicht mehr in die Schule zu gehen, ruft die Rockefeller-Stiftung gemeinsam mit dem renommierten Medizinjournal The Lancet eine Kommission zur "planetaren Gesundheit" ins Leben. Im Juli erscheint der Bericht "Schutz der menschlichen Gesundheit in der Epoche des Anthropozän". Darin heißt es:

(...) wir haben die Gesundheit künftiger Generationen aufs Spiel gesetzt, um wirtschaftliche und entwicklungspolitische Gewinne in der Gegenwart zu erzielen. Durch die nicht nachhaltige Ausbeutung der natürlichen Ressourcen ist die menschliche Zivilisation erblüht, durch die Zerstörung der lebenserhaltenden Systeme der Natur riskiert sie nun aber erhebliche gesundheitliche Auswirkungen in der Zukunft. (…)

Auf eine Wertminderung von Naturkapital und die Subventionierung der Natur sollte in der Weise Rücksicht genommen werden, dass Wirtschaft und Natur nicht fälschlicherweise getrennt werden. Die Politik sollte ein Gleichgewicht zwischen sozialem Fortschritt, ökologischer Nachhaltigkeit und Wirtschaft herstellen.

Rockefeller Lancet Commission: Safeguarding human health in the Anthropocene epoch

Vor Planetary Health engagierten sich die langjährigen UN- und WHO-Sponsoren aus der US-amerikanischen Öl-Dynastie bereits 2004 für ein ähnliches gesellschaftspolitisches Programm.

Unter dem Motto "One world, one health" erarbeitete die sogenannte Wildlife Conservation Society an der Rockefeller University unter anderem zusammen mit der WHO, der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation und der US-amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC insgesamt 12 Empfehlungen, die Epidemien, wie man sie gerade mit Sars und H5N1 erlebte, verhindern sollten.

Zu diesen zwölf sogenannten Manhattan Principles zählte die Verknüpfung von menschlicher Gesundheit und Naturschutz sowie die Einrichtung von Frühwarnsystemen, "verbesserte Kapazitäten für die globale Überwachung der Gesundheit von Mensch und Tier" – das, was heute unter dem militärisch anmutenden Begriff der "epidemischen Aufklärung" (epidemic intelligence) firmiert – und nicht zuletzt die Einbindung des Privatsektors.

2019 wurden die Manhattan Principles in Berlin in "upgedateter" Form proklamiert. Neben "sektorübergreifenden Investitionen in die globale Infrastruktur für die Gesundheit von Menschen […] und Ökosystemen" wurden dem Programm hier auch die Förderung von "internationale[n] Finanzierungsmechanismen zum Schutz von Ökosystemen" eingeschrieben.

Das One Health-Konzept ist außerdem zentraler Bestandteil des globalen Pandemievertrags, dessen finale Version bis 2024 der Weltgesundheitsversammlung vorgelegt werden soll.

Dieser wiederum ist wesentlicher Teil der "neuen globalen Gesundheitsordnung", die als solche auch im oben genannten Antrag der deutschen Regierungsfraktionen zur Sprache kommt.