Onkel Soros

Der erste kapitalistische Dissident

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George Soros hat in Ost- und Zentraleuropa ein Imperium mit seinen Stiftungen aufgebaut. Sein Vermögen hat er durch Finanzspekulationen erworben. Manche glauben, daß er mit seinen Stiftungen allmählich und heimlich ein osteuropäisches Medienmonopol errichten will, andere wundern sich über soviel Menschenfreundlichkeit und Sendungsbewußtsein. Neu aber ist die Deutung, daß der Milliardär mit seinen mysteriösen Beweggründen, der den kruden Neoliberalismus mittlerweile für gefährlich hält, nicht die Ex-Kommunisten an der Macht hält, sondern auch insgeheim ein Linker ist. Ivo Skoric findet diese Attacke, die von der Zeitschrift Forbes geritten wurde, seltsam. Beginnen jetzt die Kapitalisten unter sich mit Säuberungskampagnen?

In einer alten Tradition der europäischen politischen Patronage steckt dieser Multimilliardär seine Milliarden in Zeitschriften, Politiker und Lehrer in Europa und anderswo. Diese haben in aller Regel eine ausschließliche Linksorientierung

Richard C. Morals: Vorsicht vor Milliardären, die Geschenke mit sich bringen, in Forbes, April 1997

In einer seltsamen persönlichen Animosität hat die Zeitschrift Forbes den weltweit führenden Devisenhändler plötzlich einen Kommunisten genannt. Obgleich schon einiges dran ist, daß Soros ein exzentrischer Linker und ein Milliardär mit großer Abneigung gegenüber dem Nationalismus ist, scheint es jedoch absurd zu sein, ihn einen Feind der freien Marktwirtschaft zu nennen.

Fast ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wird der Großteil von Zentral- und Osteuropa noch immer von der alten Clique beherrscht. Erraten Sie, wer ihnen dabei hilft, an der Macht zu bleiben?

Richard C. Morals

Er ist ein Spekulant. Was kann für die freie Marktwirtschaft typischer sein? In jedem kommunistischen Land wäre er für seine Aktivitäten schon längst eingesperrt worden. Der Autor des Forbes-Artikels zeigt ein fundamentales Mißverständnis der Politik in Osteuropa. Er beschuldigt Soros "Open Society Institute", recycelte Kommunisten anzustellen. Das stimmt, aber er erwähnt nicht, daß auch seine hochgelobten Gegner recycelte Kommunisten sind.

Ein heller Glanz scheint für Soros die Linke zu umgeben, während der Koservatismus für ihn ein Trittbrett für den Nazismus darstellt. Das mag an amerikanischen Universitäten ganz wohltätig klingen, aber es ist reines Gift in Zentral- und Osteuropa, das dringend freie Märkte entwickeln muß.

Richard C. Morals

Das Problem mit den postkommunistischen Ländern ist, daß ALLE politisch aktiven Menschen, ausgenommen meine Generation (30) und die noch jüngeren, ehemalige Kommunisten sind. In diesen Ländern war es nicht möglich,politisch aktiv zu sein, wenn man nicht in die Partei eintrat. Alle gegenwärtigen Politiker gehörten zu irgendeinem Zeitpunkt der kommunistischen Partei an. Sie wurden erst zu Dissidenten, nachdem sie von der Partei in einer der vielen Säuberungen ausgeschlossen wurden, die die kommunistischen Parteien alle paar Jahrzehnte durchführten. Die kroatische Regierung und die Opposition bestehen beispielsweise aus recycelten Kommunisten aus dem letzten Schicht der 90er Jahre, aus der Säuberung im kroatischen Frühling 1971, aus nachfolgenden und vorhergehenden Säuberungen in den 60er Jahren wie Tudjman und seine Gefolgsleute. Dasselbe Muster gilt auch für den Rest des postkommunistischen Osteuropas. Manchmal war die letzte Schicht der kommunistischen Parteiführer - wie in Slowenien - die beste, weil sie am stärksten marktorientiert, demokratisch gesinnt und modern war. Soros stellt meist Leute aus der letzten Schicht an. Überdies war die "Open Society" die einzige große Stiftung, die seit ihrem Beginn ihre Unterstützung auch nicht-kommunistischen regionalen Organisationen zukommen ließ, zumindest im ehemaligen Jugoslawien, die von allen anderen großen NGOs des Westens als zu jung und zu unseriös gemieden wurden.