Open Access unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
- Open Access unter Ausschluss der Öffentlichkeit?
- Flipping als Open-Access-Strategie der Wahl?
- Auf einer Seite lesen
Die idealistische Open-Access-Romantik tritt zusehends in den Hintergrund, heute geht es wieder um Geschäftsmodelle
Anders als in seinen Anfängen ist Open Access heute nicht mehr ausschließlich ein von Idealismus geprägtes Anliegen der Wissenschaftler, sondern er wird nun von ganz unterschiedlichen Akteuren verfolgt, die naturgemäß divergierende und teils sehr finanzielle Interessen verfolgen. Auf der Strecke könnte dabei das Moment der Transparenz bleiben und Anfang 2016 stellt sich die Frage, von welchen Akteuren und welchen Motiven die weitere Entwicklung getrieben sein wird.
Drei Tagungen gelten als stilbildend für die Open-Access-Diskussion, die erste fand 2001 in Budapest statt und mündete 2002 in die Erklärung der Budapest Open Access Initiative (BOAI), die zweite Veranstaltung in Bethesda folgte ein Jahr darauf und hatte das Bethesda Statement on Open Access Publishing zum Ergebnis, die dritte und wohl wichtigste fand 2003 in Berlin statt und brachte die Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities hervor.
Alle Tagungen und ihre Erklärungen fordern den offenen, zumindest entgeltfreien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen. Die Objekte, für die man offenen Zugang forderte, wandelten sich mit der Zeit, ausgehend von Journalartikeln bis hin zu Forschungsdaten, ebenso änderte sich das Ausmaß an gewünschter Offenheit: Die Berlin Declaration zielt implizit auf eine Verwendbarkeit wissenschaftlicher Informationen gemäß den Prinzipien der Open Source Software.
Berlin 12: Ein Wendepunkt?
Aus der Berliner Konferenz entwickelte sich eine Reihe von Folgeveranstaltungen, die in Anlehnung an den ersten Veranstaltungsort als Berlin Conferences bezeichnet werden und die an wechselnden Orten auf unterschiedlichen Kontinenten ausgerichtet wurden. Die zwölfte Konferenz (kurz Berlin 12) fand wiederum in Berlin statt und zeichnete sich durch eine Besonderheit aus, die - so Kritiker wie der britische Journalist Richard Poynder - den Open-Imperativ konterkariert: Eine Teilnahme war erstmals nur auf Einladung möglich.
Und tatsächlich widerspricht derlei Exklusivität und Geheimniskrämerei dem von der Berlin Declaration ausgelobten Prinzip der Transparenz: "In order to realize the vision of a global and accessible representation of knowledge, the future Web has to be sustainable, interactive, and transparent." Die Ausführungen auf der Tagungshomepage zu Berlin 12 hingegen wirken zu geschäftstüchtig für derlei Idealismus: "The 12th conference in the Berlin Open Access series will be an invitation-only workshop for high-level representatives of the world’s most eminent research organizations."
Poynder führt in einem Blog-Posting weiter aus, anders als bei vorhergehenden Berlin Conferences seien die Vorträge der Tagung nicht via Streaming übertragen worden. Zu früheren Konferenzen finden sich - anders als bei der Berlin 12 - auch heute noch Folien, z.B. zur Berlin 11, oder Podcasts, etwa zur Berlin 10, online. Richard Poynder bemängelt zudem, eine Teilnehmerliste der Berlin 12 sei weder online zugänglich, noch sei sie ihm auf Anfrage von den Tagungsorganisatoren bereitgestellt worden. Solche Listen sind allerdings überhaupt nur für die Veranstaltungen Berlin 3, Berlin 4 und Berlin 10 im Netz einsehbar. Wäre eine Veröffentlichung der Teilnehmerliste den Organisatoren wichtig gewesen, hätte man sich das Einverständnis dazu von den Besuchern einräumen lassen können, dies ist bei Tagungen nicht unüblich. Dass dies unterblieb, spricht nicht notwendiger Weise für Geheimhaltung, jedoch auch nicht für Transparenz.
Nur noch ein Weg zum Open Access?
Zumindest eine Übersicht der Vorträge der Berlin 12 ist online verfügbar: Sie befassen sich, dem Motto der Tagung "Staging the Open Access Transformation of Subscription Journals" folgend, damit, wie man Subskriptionszeitschriften, also solche Wissenschaftszeitschriften, für deren Nutzung Zahlungen nötig sind, in Open-Access-Zeitschriften umwandeln könne.
Interessanterweise klammert diese Schwerpunktsetzung eine der beiden Open-Access-Varianten (Die Farbenlehre des Open Access), den Grünen Weg des Open Access, aus. In dieser Spielart des offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Informationen werden wissenschaftliche Dokumente, deren Nutzung bei Publikation im Verlag nur gegen Zahlung möglich war, zusätzlich entgeltfrei auf einem Open-Access-Server (auch als Open-Access-Repository bezeichnet) online gestellt. Diese Ausprägung des Open Access ist bei Verlagen, deren Geschäftsmodell auf dem Verkauf oder der kostenpflichtigen Lizenzierung von Publikationen beruht, sehr unbeliebt, bietet es ihnen offensichtlich wenige Möglichkeiten Gewinne zu erwirtschaften.
Die zweite Open-Access-Variante, der Goldene Weg, kennt mitunter Einnahmemöglichkeiten für Verlage. Hier findet keine nachträgliche Verfügbarmachung im Open Access statt, sondern Dokumente erscheinen direkt offen nutzbar als Artikel in Open-Access-Journalen oder als Buch in Open-Access-Verlagen. Bei Open-Access-Büchern erfolgt, wie auch bei Nicht-Open-Access-Büchern, in aller Regel eine Finanzierung durch die Autoren in Form von Druckkostenzuschüssen, bei Artikeln kennt der Gold Open Access teilweise, jedoch längst nicht in der Mehrzahl der Fälle, Artikelgebühren oder Article Processing Charges (APC).
Bei der Berlin 12 wurde offensichtlich ausschließlich der Goldene Open Access thematisiert, allerdings auf unerwartet verengte Weise. Der Fokus der Tagung lag augenscheinlich nicht auf der Entwicklung neuer Open-Access-Angebote im Gold Open Access, sondern auf der Umwandlung von Subskriptionszeitschriften in Open-Access-Zeitschriften. Da diese Subskriptionszeitschriften ihren Verlagen in aller Regel satte Gewinne bescheren, lässt sich mit hoher Sicherheit vermuten, diese Gewinne und Gewinnsteigerungen auch nach der Umwandlung in Open-Access-Journale erhalten bleiben sollen.
Die vorliegenden Informationen deuten demnach darauf hin, dass die Berlin 12 sich in allererster Linie mit kommerziellem und gewinnorientiertem Gold Open Access befasste und man Alternativen, wie den in wissenschaftlicher Selbstorganisation und nicht-kommerziell betriebenen Gold Open Access (Die Renaissance der Overlay-Journals) oder den Grünen Open Access weitestgehend außer Acht ließ.