Orbáns Skandalauftritt in Rumänien: Frontalangriff auf EU-Führung und US-Regierung

Viktor Orbán

Viktor Orbán. Bild: Alexandros Michailidis, Shutterstock.com

Ungarns Premier erklärt Unterstützung für Trump. Warnung vor "gemischtrassigem" Europa. US-Botschafter kritisiert, EU streitet.

Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hat am Samstag in einer Rede im rumänischen Kurort Baile Tusnad die Europäische Union scharf kritisiert und die Unterstützung seines Landes für Donald Trump betont. Seine Äußerungen befeuern die Spannungen mit den westlichen Verbündeten. Dazu trägt auch bei, dass Orbán seine Unterstützung für eine neue, asiatisch orientierte Weltordnung bekräftigte.

"Europa hat es aufgegeben, seine eigenen Interessen zu verteidigen", sagte Orbán in der mehrheitlich von ethnischen Ungarn bewohnten Stadt in Zentralrumänien. "Alles, was Europa heute tut, ist, bedingungslos der Außenpolitik der USA zu folgen, die von der Demokratischen Partei dominiert wird (...) selbst um den Preis der Selbstzerstörung."

"Wir stehen vor einer Veränderung, wie es sie seit 500 Jahren nicht gegeben hat. Was wir vor uns haben, ist in der Tat eine Veränderung der Weltordnung", fügte er hinzu und nannte China, Indien, Pakistan und Indonesien das "dominierende Zentrum" der Welt.

Der ungarische Premierminister bekräftigte erneut auch seine These, die USA seien für die Sabotage der Nord-Stream-Pipeline verantwortlich, die Gas von Russland nach Deutschland transportiert hatte.

Diese These kursiert seit geraumer Zeit und wird von Autoren, wie dem US-Journalisten und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh verteidigt. Auch Telepolis hatte über diese Theorien berichtet, Wichtig dabei ist, dass es für diese – wir auch für andere Thesen – keine allgemein akzeptierten Beweise gibt.

Nordstream: Orbán spricht von "Terrorakt"

Orbán sprach dennoch von "Terrorakten", die offensichtlich auf Geheiß der amtierenden US-Regierung unter Präsident Joe Biden durchgeführt worden seien.

Orbáns Äußerungen fallen in eine Zeit, in der er von seinen europäischen Partnern zunehmend kritisiert wird, nachdem er zuvor "Friedensmissionen" nach Moskau und Peking unternommen hatte, um ein Ende des Krieges in der Ukraine zu vermitteln. Orbán gilt als einer der EU-Spitzenpolitiker mit den engsten Beziehungen zum Kreml.

Zweifel an Ukraine-Sieg

In Bezug auf die Ukraine äußerte Orbán Zweifel daran, dass das kriegsgebeutelte Land Mitglied der Nato oder der EU werden könne, und bezeichnete die Ukraine als Pufferstaat, dessen internationale Sicherheitsgarantien in einem Abkommen zwischen den USA und Russland verankert würden.

Der polnische Vize-Außenminister legte Ungarn daraufhin nahe, selbst aus beiden Bündnissen auszutreten, wie Telepolis am heutigen Morgen berichtete.

Orbán hat sich während des gesamten Krieges in der Ukraine von anderen EU-Führern abgehoben, indem er gegen Waffenlieferung und Transferzahlungen an Kiew opponierte.

In seiner Rede in Rumänien nun machte Orbán auch deutlich, dass er Zuwanderung als Antwort auf die alternde Bevölkerung seines Landes ablehnt, und bekräftigte seine langjährige Anti-Einwanderungshaltung. Er warnte vor einem Europa, das zu einer "gemischtrassigen" Gesellschaft werde, und bezeichnete dies als ein Risiko, das man nicht eingehen dürfe. Solche deutlich rassistischen Töne dürften zur Kritik an dem Premierminister beitragen.

Die EU, der Ungarn 2004 beigetreten ist, und die USA, insbesondere in Person des US-Botschafters in Ungarn, David Pressman, reagierten auf Orbáns Äußerungen. Pressman verurteilte seine Aussagen Rhetorik auf der sozialen Plattform X (vormals Twitter) und warnte, dass entsprechende Aussagen die Beziehungen zwischen Ungarn und den USA beeinträchtigen könnten. Er warf Orbán vor, "Kreml-Verschwörungstheorien über die Vereinigten Staaten" zu verbreiten, was nicht den Erwartungen an einen Verbündeten entspreche.

Ungarn, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, hat unter Orbán eine Trump-ähnliche Haltung übernommen. Seine Regierung unterstützt Trumps Kandidatur bei den diesjährigen US-Präsidentschaftswahlen offen. Orbán hat Trump in diesem Jahr zweimal auf seinem Anwesen Mar-a-Lago besucht.

Streit in EU um Haltung zu Ungarn

In der Europäischen Union ist in das ein Streit um den Umgang mit Orbán entbrannt, berichtet der Journalist Eric Bonse auf seiner Seite Lost in Euroe. Bonse beschreibt über einen Konflikt zwischen der EU-Kommission und dem Ministerrat. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, ob die ungarische Ratspräsidentschaft boykottiert oder konfrontiert werden soll.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, hätten sich für einen Boykott ausgesprochen. Borrell ging sogar so weit, ein Ministertreffen von Budapest nach Brüssel zu verlegen. Doch die EU-Mitgliedsstaaten schlagen eine andere Richtung ein.

Beim jüngsten Treffen der EU-Außenminister sei es zum Eklat gekommen, als die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock vor einem möglichen "Eigentor" warnte und der luxemburgische Außenminister Xavier Bettel die Boykott-Idee als "Schwachsinn" bezeichnete.

Die Befürworter einer Konfrontation argumentieren, dass es sinnvoller sei, Orbán in Budapest direkt zu begegnen, als ihm aus dem Weg zu gehen. Die Folgen eines Boykottversuchs zeigten sich bei einem informellen Treffen der Innenminister in der ungarischen Hauptstadt, an dem mehr als die Hälfte der Minister nicht teilnahm.

EU belegt erneut Uneinigkeit

Dennoch reisten etwa zehn Minister nach Budapest, was der EU ein Bild der Uneinigkeit vermittelte. Kritiker des Boykotts betonen, dass es keinen triftigen Grund gebe, nicht nach Budapest zu reisen, da die Treffen in Ungarn keine bindenden Beschlüsse hervorbringen und Themen wie die Asyl- und Flüchtlingskrise behandeln, die unabhängig von Orbáns umstrittener Ukraine-Politik sind.

In der Außenpolitik ist die Situation hingegen komplexer. Borrells Verärgerung sei, so Bonse, verständlich, da Orbáns abweichende Haltung zur Ukraine und seine Alleingänge dem gemeinsamen Auftreten der EU schaden. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Borrell als EU-Chefdiplomat selbst aktiver nach Friedenslösungen hätte suchen müssen, etwa durch Reisen nach Moskau, Peking oder Washington.