Orbitales Pizza-Taxi für ISS

Russische Weltraumbehörde startete erneut kommerziellen Schachzug

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Wie lässt sich die Internationale Raumstation (ISS) stärker vermarkten und ihr ramponiertes Image aufpolieren, damit wieder mehr Geld in die leeren NASA-Kassen fließt? Die Antwort der NASA hierauf ist deutlich: Sie droht jetzt mit einer Kommerzialisierungsoffensive par excellence. Die Russen hingegen, deren Budget noch knapper ist, starten schon die zweite Offensive. Nach Dennis Tito schickten sie nunmehr sogar ein Pizza-Taxi ins All. Wo diese Entwicklung noch enden wird, ist nicht Abzusehen

"The International Space Station is operating in excellent shape at an altitude of 250 miles (401 km)". Abgesehen von der stets variierenden Meilen- respektive Kilometerangabe endete bislang jeder ISS Status Report der NASA mit diesem standardisierten Satz. Natürlich ist zu wünschen, dass der ISS nicht das gleiche Schicksal widerfährt, das dereinst die US-Skylab-Station erlitt, die frühzeitig ausgemustert werden musste, da ihre "shape" nicht ganz so "excellent" und ihre Dienstgipfelhöhe nicht ganz so stabil wie vorgesehen war. Dass die ISS gleichwohl irgendwann einmal ein ähnliches Ende wie ihr MIR-Vorgänger nehmen wird, liegt indes in der Natur der Raumfahrt. Wenn sie in zehn bis fünfzehn Jahren nicht mehr als Weltraumschrott sein wird, wäre auch ihr allenfalls eine orbitale Feuerbestattung zweiter Klasse beschieden.

Alles "roger" auf der ISS

Doch momentan präsentiert sich die ISS noch höchst lebendig: Alle Systeme arbeiten hervorragend und die dreiköpfige Astronautencrew befindet sich in bester Verfassung. Ihre Aktivitäten fokussieren sich diese Woche auf zwei künftige Gäste, die alsbald die ISS besuchen werden respektive an ihr andocken werden. Genauer gesagt ist der erste Besucher in Gestalt eines unbemannten russischen Versorgungsraumschiffs vom Typ "Progress" M1-6 bereits gestern eingetroffen. Der russische ISS-Kommandant Juri Usatschew überwachte das automatische Andockmanöver um 02.23 Uhr MESZ, teilte die Flugleitzentrale bei Moskau mit.

An Bord befindet sich eine knapp 2,5 Tonnen schwere Ladung - darunter eine Tonne Treibstoff und Sauerstoff und Luftfilter, Werkzeug sowie frisches Obst und Gemüse und frische Unterwäsche sowie Privatpost von der Erde. Besonders originell ist der Umstand, dass der russische Progress-Transporter den Raumfahrern jetzt sogar hochkulinarische Pizza-Teigware mit allen Extras zur freien Verfügung stellt. Dabei handelt es sich um keine gewöhnliche Supermarkt-Schnellkost, sondern um jenen Teig, den die US-Restaurantkette Pizza Hut für gewöhnlich ihren Gästen auftischt. Um diesen Werbegag marketinggerecht umzusetzen, überwies der US-Konzern der russischen Raumfahrtbehörde Rosawiakosmos eine Million US-Dollar, umgerechnet 2,25 Millionen Mark. Bereits am Dienstag brüstete sich die Firma in New York damit, den ersten "Pizzalieferservice" im Weltraum aufgezogen zu haben. Außer mit Käse und Tomaten war das Pizzastück mit Salami belegt, die nach Angaben von Experten die Vakuumverpackung besser verträgt als Peperoni. Wenngleich es keinen offiziellen Küchenchef an Bord der ISS gibt, so scheint doch die 43-jährige Susan Helms für diesen Job geradezu prädestiniert, zählt doch Kochen laut eigener Auskunft zu einem ihrer Lieblingshobbies.

NASA laboriert auch

Nicht nur der russischen Weltraumbehörde Rosawiakosmos, sondern auch der NASA fehlt es an dem nötigen Kleingeld. Stehen nach den derzeitigen Vorgaben der NASA in den Jahren 2002 bis 2006 rund sieben Milliarden Dollar für den Aufbau der ISS zur Verfügung, so musste bereits Anfang des Jahres die Behörde konzedieren, dass ihre Ausgaben bis zu vier Milliarden Dollar über dem Budget liegen würden. Gleichwohl sieht der Etatentwurf von Präsident Bush Einsparungen beispielsweise bei Wohnmodulen oder Rettungskapseln vor. Ohne diese Elemente wäre die ISS-Besatzung auf drei Astronauten begrenzt. Die geplante siebenköpfige Crew wäre somit kaum zu realisieren. Jetzt jedoch will die NASA dem drohenden Milliardenloch bei der Finanzierung der ISS mit "drastischen Schritten" entgegentreten. Bereits die Eröffnung der diesjährigen Oscar-Verleihung durch die Mannschaft der Internationalen Raumstation war keine zufällige, spontane Idee. Sie passt vielmehr in das neue Marketing-Konzept der NASA, das zwangsläufig ins Leben gerufen wurde, da vor allem das Image-Defizit der ISS immer größer wird. Dabei hat die ISS nach Ansicht von Marketing-Experten kein schlechtes Image, sondern überhaupt keines. Der Glanz vergangener Raumfahrttage ist verblasst; die bemannte Raumfahrt kämpft um Aufmerksamkeit.

Schon letztes Jahr unterzeichnete die US-Weltraumbehörde einen Vertrag mit dem kalifornischen Unternehmen Dreamtime, das in der Station hochmoderne Fernsehkameras installieren will. Die TV-Bilder sollen dann im Internet zu sehen sein. Der Vertrag mit einem Umfang von 100 Millionen Dollar (210 Millionen Mark) hat zunächst eine Laufzeit von sieben Jahren. Das Projekt verspricht Bilder von einer weitaus schärferen Qualität, als sie von bisherigen Kameras übermittelt werden können. Die Vereinbarung sieht auch den Zugang des Unternehmens zu NASA-Archivmaterial vor, das zum Teil ebenfalls im Internet zu bestaunen sein soll. Das Unternehmen wird aber auch die Möglichkeit erhalten, besondere TV-Bilder aus dem All zur kommerziellen Nutzung weiter zu verkaufen.