Ordnungsgeld und Ordnungshaftandrohung gegen Facebook
Das Landgericht Berlin hat darauf reagiert, dass der Konzern eine Nutzersperre trotz einer einstweiligen Verfügung nicht umgehend aufhob
Wie heute bekannt wurde hat das Landgericht Berlin dem Social-Media-Konzern Facebook am Mittwoch einen am 2. November erlassenen Ordnungsgeldbeschluss mit dem Aktenzeichen 6 O 209/18 zugestellt. Für den Fall, dass der Social-Media-Konzern die darin vom Gericht geforderten 10.000 Euro nicht zahlt, werden den Facebook-Geschäftsführern darin insgesamt zehn Tage Ordnungshaft angedroht.
Anlass für den Ordnungsgeldbeschluss war das Ignorieren eines gerichtliche Verbots, das der bekannte Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel vorher für seinen Mandanten Gabor B. erwirkte. Der hatte sich juristischen Rat gesucht, weil es ihm unbillig erschien, dass Facebook ihn 30 Tage lang sperrte, weil er einen anderen Nutzer - Kevin M. - darauf aufmerksam gemacht hatte, dass dessen sexuell-politische strafbare Beleidigung einer dritten Nutzerin nicht gerechtfertigt war.
Bußgeldhöhe soll sicherstellen, dass Facebook "durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird"
Das Landgericht Berlin folgte der Ansicht des Nutzers und verbot Facebook am 19. Juli 2018 über eine einstweilige Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, B. zu sperren oder seinen dafür zum Anlass genommenen Kommentar zu löschen. Die nun tatsächlich verhängten 10.000 Euro hält das Gericht trotz der Umsätze von Facebook seinen eigenen Angaben nach für ausreichend, um sicherzustellen, "dass die Antragsgegnerin durch ein empfindliches Übel zur künftigen Einhaltung des gerichtlichen Verbots angehalten wird".
Obwohl Facebook die einstweilige Verfügung vom 19. Juli bereits am 1. August rechtswirksam zugestellt wurde, hob der Konzern die Sperre nicht umgehend auf, sondern wartete bis zum Ablauf der 30 Tage am 8. August. Stattdessen legte das Unternehmen Rechtsmittel dagegen ein, dass das Landgericht mit Beschluß festgestellt hatte, dass die Anwaltskanzlei Freshfields in Berlin, statt der Konzernzentrale in Irland, die Zustellung entgegennehmen muss. Das Rechtsmittel hiergegen wurde als unzulässig verworfen.
Rechtsgeschichte geschrieben
Steinhöfel zufolge ist der jetzt bekannt gewordene Ordnungsgeldbeschluss deutschlandweit der erste wegen unzulässiger User-Sperre und "stärkt die Rechte der Nutzer deutlich". Gabor B., für den er diesen Beschluss erwirkte, hat damit bereits das zweite Mal Rechtsgeschichte geschrieben: Eine für ihn Anfang 2018 erwirkte einstweilige Verfügung gegen Facebook war die erste, mit der ein Nutzer gerichtlich erfolgreich gegen ein unberechtigtes Löschen und Sperren vorging (vgl. Einstweilige Verfügung: Facebook darf legalen Kommentar weder löschen noch sperren). Weil der Konzern seine diesbezügliche Praxis nicht ändern wollte, erwirkte B. mit Hilfe seines Anwalts in den Monaten darauf noch zwei weitere einstweilige Verfügungen.
"Auch Facebook", so Steinhöfel heute, "wird lernen müssen, dass gerichtliche Verbote einschränkungslos zu beachten sind. Da wir weitere vergleichbare Verfahren betreiben, dürfte dies nicht das letzte Ordnungsmittel sein, das gegen das Unternehmen verhängt wird." Der Rechtsanwalt prozessiert nicht nur in Berlin, sondern auch vor anderen deutschen Gerichten, an denen sich langsam eine Rechtsprechung zur Sperr- und Löschpraxis in Sozialen Medien allgemein und zum damit im Zusammenhang stehenden Social-Media-Zensurgesetz NetzDG entwickelt.
Als bedeutender Schritt gilt dabei ein am 18. Oktober gefälltes Urteil des Landgerichts Bamberg, in dessen Begründung sich die Richter ausführlich mit der Klärung zweier Fragen auseinandersetzten, die auch für viele andere Fälle relevant sind: Mit der Frage, ob der Social-Media-Konzern ein faktisches Monopol hat, und mit der Definition des Begriffs "Hassrede" (vgl. Facebooks Quasi-Monopol schränkt Definitionsmöglichkeiten von "Hassrede" ein).
Die Bundesregierung, die das NetzDG verantwortet, verlautbarte unlängst in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Abgeordneten Joana Cotar, sie kommentiere zwar weder "einzelne Löschentscheidungen sozialer Netzwerke" noch Sachverhalte, die "Gegenstand eines Gerichtsverfahrens" sind, prüfe aber gerade, "ob darüber hinaus die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns besteht". Dazu habe sie am 28. September "mit den beteiligten Kreisen" einen "Zukunftsdialog soziale Netzwerke" angestoßen. Welche Kreise es für beteiligt hält, ließ das Justizministerium sowohl in seiner Antwort als auch auf Nachfrage von Telepolis offen (vgl. Bundesregierung prüft Maßnahmen gegen unberechtigtes Löschen und Sperren).
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