Pakistan auf dem Weg zu einem Sozialstaat?

Bislang helfen – wie hier durch die Agentur Usaid – die USA im Gesundheitswesen Pakistans. Das soll sich ändern. Bild: Usaid, CC BY-NC-ND 2.0

Vor Jahren galt das zentralasiatische Land noch fast als gescheiterter Staat. Nun gelingt Islamabad der Anschluss an westliche Standards. Das liegt an einer beachtlichen Initiative

Kostenlose Behandlung in öffentlichen und sogar in privaten Krankenhäusern für alle? Das gibt es nicht einmal in den USA, und gar in Pakistan klingt eine solche Idee gänzlich nach Science-Fiction. Doch genau das plant Islamabad: Die landesweite Einführung von Sehat Sahulat (etwa: "Gesundheit ermöglichen").

Alle Menschen, die Gesundheitsdienstleistungen nicht selber finanzieren können, sollen kostenlose vor- und nachgeburtliche Gesundheitsversorgung und weitere medizinische Leistungen unter anderem bei Unfällen und Notlagen, bei Diabetes, Krebs, Hepatitis B und C sowie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen kostenlos erhalten.

Wie die Asia Times berichtet, geht das Programm auf eine Initiative von Premierminister Imran Khan zurück, der 2018 mit dem Versprechen Tabdeeli (Veränderung, Wandel) gewählt wurde. Schon bevor Khan in den 1990er-Jahren in die Politik ging, war der ehemalige Kricketspieler als Philanthrop bekannt, der Projekte im Gesundheitsbereich unterstützte.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Khan immer wieder China als Vorbild für Pakistan und den Globalen Süden hervorhebt. Vor allem die Art und Weise, wie Peking die extreme Armut besiegt hat, imponiert dem pakistanischen Premier offensichtlich. Hier zeigt sich exemplarisch, dass der positive Einfluss des chinesischen Entwicklungsmodells weit über direkte Auslandsinvestitionen im Rahmen der Neuen Seidenstraße hinausreicht.

Dass die Sympathie mit dem chinesischen Vorbild kein Lippenbekenntnis ist, beweist die Art und Weise, wie Sehat Sahulat in Pakistan eingeführt wurde. Begonnen wurde mit dem Aufbau des neuen Gesundheitssystems in der kleinsten Provinz Pakistans an der Grenze zu Afghanistan: Khyber Pakhtunkhwa. Auch in China werden bedeutende Neuerungen meist erst regional getestet und optimiert, bevor eine landesweite Einführung erfolgt.

In Khyber Pakhtunkhwa leben 35 der insgesamt 220 Millionen Pakistanis, die Region ist bergig und zum Teil schwer zugänglich – schwierige Voraussetzungen also, die die Erfahrungen aus dem Probelauf realistisch machen. Gestartet war das Programm in der Provinz bereits 2015 – zunächst versuchsweise mit 100.000 Familien aus vier Landkreisen. Parallel zur Einführung des Programms wurde und wird auch die physische Gesundheitsinfrastruktur wie etwa Gesundheitsstationen und Krankenhäuser ausgebaut.

Programm soll bis März weitgehend umgesetzt sein

Jetzt ist das dicht besiedelte Punjab am Oberlauf des Indus an der Reihe. Im Dezember wurde eine entsprechende Vereinbarung ratifiziert und bis März soll das Programm bereits weitgehend umgesetzt sein. Der Zugang zu Sehat Sahulat ist voll computerisiert und verblüffend einfach: Die Menschen schicken eine SMS an die Telefonnummer 8500, in der sie lediglich ihre Personalausweisnummer mitteilen.

Das reicht schon für die Prüfung aus, ob die fragliche Familie an dem Programm teilnehmen kann. Datenschutz scheint in diesem Zusammenhang keine Rolle zu spielen – andererseits ist das Verfahren sehr unbürokratisch und niederschwellig.

Nach Angaben der zuständigen Behörde nehmen mittlerweile fast 15,5 Millionen Familien an dem Programm teil. Da die Größe der Haushalte in dem südasiatischen Land immer noch über sechs Personen liegt, erreicht das Projekt also mindestens 90 Millionen Menschen. Stolz teilt die Website des Programms mit, dass nur drei Prozent aller Nutzerinnen im Krankenhaus aufgefordert wurden, zusätzliche Barzahlungen zu leisten.

In einem Land wie Pakistan mit endemischer Korruption ist das ein Traumwert. Um Korruption zu verhindern, beinhaltet Sehat Sahulat denn auch eine Komponente, die Beschwerden ermöglicht.

Wie die pakistanische Zeitung Dawn schreibt, weigert sich die – von der Opposition regierte – Provinz Sindh bisher mitzumachen. In Karachi argumentiert man, dass das eigene System staatlicher Kliniken besser sei und Sehat Sahulat private Krankenhäuser begünstige.

Denn das Rückgrat von Sehat Sahulat bildet eine staatliche Versicherungsagentur, die staatliche Zuschüsse erhält. Imran Khan zeigt sich jedoch überzeugt, dass auch Sindh in das neue System einsteigen wird, sobald die Menschen dessen Vorteile in den Nachbarprovinzen zu sehen bekommen.