Pandemievorsorge via Abwassermonitoring

Sars-CoV-2 im Elektronenmikroskop (orange gefärbt). Bild: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID)/CC BY 2.0

Aktuelle Schnelltests auf Corona erfolgen massenhaft, unsystematisch und undokumentiert. Konsequentes Abwassermonitoring könnte einen deutlich besseren und schnelleren Überblick liefern

Die seit April 2021 verfügbaren Bürgerschnelltests werden von den jeweiligen Leistungserbringern über die kassenärztlichen Vereinigungen in den Bundesländern mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) abgerechnet. Die jeweils aktuellen Kosten der sogenannten Bürgerschnelltests findet man in den Veröffentlichungen des BAS.

Vom April bis zum 15. Juni waren hier allein für die Sachkosten und die Testzentren etwa 0,8 Milliarden Euro aufgelaufen. Dazu kommen noch weitere Leistungen in Höhe von einer Milliarde Euro.

Die Ergebnisse sind statistisch kaum auswertbar, weil nur Menschen getestet wurden, die das wollten. Objektive Kriterien für die Auswahl der Testkandidaten sind somit nicht gegeben. Ganz offensichtlich war die Idee des Bürgertests in erster Linie von dem Wunsch getragen, zu zeigen, dass man etwas tut. Auch wenn die Zahl der Bürger, die sich testen lassen wollen, derzeit kräftig zurückgeht und die Abrechnungen besser überprüft werden sollen, dürften sich bis zum Ende dieser Testaktivitäten noch weitere Kosten ergeben.

Systematisches Monitoring der Bevölkerung

Hohe Kosten, ein unsystematisches Vorgehen und eine nicht vorhandene Dokumentation dürften die weitere Lebenserwartung der Bürgertests begrenzen. Einen deutlich besseren und vor allem schnelleren Überblick über die Pandemieentwicklung, auch hinsichtlich der auftretenden Mutanten, könnten systematische Probenauswertung aus den Kläranlagen bieten. Man geht derzeit davon aus, dass die Proben aus den Kläranlagen die dort vorhandenen Spuren etwa fünf bis zehn Tage vor den entsprechenden Testergebnissen aus der Bevölkerung liefern können.

In Berchtesgaden, das vor nicht allzu langer Zeit als Corona-Hotspot Bedeutung erlangte, wie auch in anderen Pilotprojekten, wird das Abwasser inzwischen auf Corona-Rückstände hin untersucht. Neben den universitären Forschungsprojekten wird ein Corona-Monitoring inzwischen auch von spezialisierten Dienstleistern im Abwasserbereich angeboten. So kommt der Veolia Corona-Monitor derzeit auf neun Kläranlagen in vier Bundesländern zur Anwendung.

Die dabei entstehenden Kosten werden entweder von den Abwasserbeseitigungspflichtigen, den Städten oder Landkreisen übernommen, wenn sie nicht im Rahmen bestehender Betriebsführungsverträge zumindest teilweise vom Betriebsführer übernommen werden. Zahlreiche Abwasserzweckverbände halten sich derzeit mit einem systematischen Monitoring noch zurück, weil noch nicht geklärt ist, ob die Kosten dafür auf die Abwassergebühren umgelegt werden dürfen oder aus einem anderen Budget bedient werden müssen. Hinsichtlich der aktuellen Rechtslage unterscheiden sich die einzelnen Bundesländer auch grundlegend.

Empfehlung der EU Kommission zum Abwassermonitoring

Die Empfehlung (EU) 2021/472 der Kommission vom 17. März 2021 über einen gemeinsamen Ansatz zur Einführung einer systematischen Überwachung von Sars-CoV-2 und seinen Varianten im Abwasser in der EU blitzte nach ihrer Veröffentlichung kurz in der größeren deutschen Öffentlichkeit auf, um sich dann rasch in die Fachöffentlichkeit zurückzuziehen.

Am 7. Juli dieses Jahres griff nun die Fachabteilung Life Science Research (LSR) im Verband der Diagnostica-Industrie e.V. (VDGH) mit einem Positionspapier das Thema wieder auf. Das spricht sich für eine unmittelbare flächendeckende Implementierung eines abwasserbasierten molekularbiologischen Monitorings aus, um zukünftige SARS-CoV-2-Infektionsausbrüche frühzeitiger zu erkennen. In den Niederlanden ist man schon ein gewaltiges Stück weiter und hat ein solches Monitoring-System, das laufend verfeinert und optimiert wird, schon implementiert.

Die EU-Kommision schätzt die Implementierungskosten für die molekularbiologische Analyse von Abwasserproben in einer Kläranlage laut einem aktuellen Memo auf etwa 25.000 Euro pro Jahr. Mit einem Monitoring der 50 größten Kläranlagen könnte man schon für einen guten Überblick sorgen.

Mit der Auswertung von insgesamt 900 Anlagen könnte man 80 Prozent der Bundesbevölkerung erfassen. Vergleicht man diese Kosten mit den Kosten für die systematisch nicht nutzbaren Schnelltests oder gar mit den gesamten in Deutschland bislang angefallenen Pandemiekosten, so werden die Vorteile sichtbar.

Normenentwicklung zum Abwassermonitoring

Da ein Abwassermonitoring im Vorfeld von Pandemien eine größere Bedeutung erlangt, wird inzwischen auch die Systematik in diesem Umfeld verbessert. So findet Anfang August 2021 in Deutschland die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises "Nachweis von Sars-CoV-2 und anderen Viren" statt. In diesem neuen Expertenkreis sollen dann die weiteren Schritte besprochen werden.

Die Empfehlung, den Nachweis von Sars-CoV-2 und anderen Viren zu standardisieren, kam von der EU-Kommission. Basierend auf dieser Brüsseler Empfehlung wird auch international im ISO/TC 147 ein Normungsvorhaben zur Umfrage gestellt. Wenn die heute schon verfügbaren Instrumente zur Früherkennung von Pandemien zügig umgesetzt werden, lassen sich Pandemiekosten wie bei Corona weitestgehend vermeiden.