Patentschutz für Corona-Impfstoffe: Warum die Argumente der Gegner vorgeschoben sind
Seite 3: Würde Aussetzung des Patentschutzes Lieferketten und Qualitätskontrolle gefährden?
- Patentschutz für Corona-Impfstoffe: Warum die Argumente der Gegner vorgeschoben sind
- Kann Patentschutzfreigabe die Produktion von Impfstoff erhöhen?
- Würde Aussetzung des Patentschutzes Lieferketten und Qualitätskontrolle gefährden?
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"Wenn eine Patentfreigabe einfach erfolgt, ohne dass die Qualität jedes Mal gut kontrolliert werden kann, sehe ich mehr Risiken als Chancen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Die Sorge, dass die an einer Patentfreigabe interessierten Länder dazu nicht in der Lage wären, die notwendigen Qualitätsansprüche bei der Impfstoffproduktion zu erfüllen, haben die Patentrechteinhaber selbst offenbar nicht, sonst würden sie ja nicht alle Anstrengungen unternehmen, um weitere Fabriken auch in Übersee aufzubauen. Sie lassen wie etwa die Firma Johnson&Johnson, die in ihrem Auftrag in Südafrika produzierten Impfstoffe, auch ohne Bedenken millionenfach nach Europa ausliefern.
Die WHO hat z.B. mit Sinopharm auch den ersten chinesischen Corona-Impfstoff zugelassen und ein weiterer Impfstoff aus diesem Land vom Hersteller Sinovac ist noch in der Prüfung.
Hinsichtlich der Qualität der chinesischen Medikamente meint Ulrike Holzgrabe von der Uni Würzburg:
Die Chinesen brauchen gar keine Atombombe. Sie liefern einfach keine Antibiotika […], dann erledigt sich Europa von ganz allein.
Gegenüber einer Patentfreigabe für China hat unsere Kanzlerin einen zusätzlichen Einwand, nämlich dass damit Fachwissen über die neuartigen mRNA-Impfstoffe dorthin abfließen könnte. Sie hat offenbar noch nicht davon gehört, dass Biontech mit dem chinesischen Entwicklungspartner Fosun Pharma in Shanghai schon seit gut einem Jahr zusammenarbeitet und in einem Gemeinschaftsunternehmen bis zu einer Milliarden Impfdosen produzieren will.
Im Übrigen wird ja der Wirkstoff eines Medikamentes durch eine Patentanmeldung ohnehin öffentlich. Es könnten auch andere Firmen patentierte Impfstoffe nachbauen bzw. die Rezepte rauben, sie würden sich dann allerdings einer Klage aussetzen.8
Argumente gegen zeitweise Freigabe des Patentschutzes vorgeschoben
Man mag an diesen vorgeschobenen Argumenten erkennen, dass die Ablehnung einer vorübergehenden Freigabe des Patentschutzes Gründe hat, die man nicht so gerne offen ausspricht. Alle Einwände könnten bei einem entsprechenden politischen Willen durch Vereinbarungen im Rahmen des Trips-Abkommens in einem gegenseitigen Interessenausgleich weitgehend entkräftet werden.
Man muss es also so deutlich sagen, den Gegnern der vorübergehenden Aussetzung eines des Patentschutzes für die Corona-Impfstoffe geht es vor allem um den Schutz der Gewinne der jeweiligen Pharma-Unternehmen und weniger um das Leben und die Gesundheit der Erdbevölkerung.
Würde man dem Kampf gegen die Covid-19-Pandemie den Vorrang einräumen, so würde, jenseits der Profite einiger weniger, neben der Weltgesundheit nicht zuletzt auch die Wirtschaft, die Kultur und die Bildung global und im eigenen Land profitieren und je rascher die Pandemie eingedämmt würde, desto früher könnten die Menschen auch bei uns wieder ihre Grundrechte in vollem Umfang in Anspruch nehmen.
Es handelt sich um ein globales öffentliches Gut, diesen Impfstoff zu produzieren und ihn dann auch in alle Teile der Welt zu verteilen… Wir werden neue Wege gehen müssen, auf der einen Seite der Entwicklung und auf der anderen Seite parallel des Aufbaus von Produktionskapazitäten für solch einen Impfstoff, und zwar an möglichst vielen Stellen der Welt.
Angela Merkel
Dieser Satz der Kanzlerin wäre bei einer vorübergehenden Freigabe der Patentrechte endlich nicht mehr nur eine hohle Phrase.
Wolfgang Lieb studierte an der FU Berlin und an den Universitäten Bonn und Köln Rechtswissenschaften und Politik. Nach dem Staatsexamen und einer Promotion im Medienrecht war er Wissenschaftlicher Assistent an der neu gegründeten Gesamthochschule Essen und später an der Universität Bielefeld. Danach arbeitet er in der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes in Bonn unter Kanzler Helmut Schmidt. Mit der Kanzlerschaft von Helmut Kohl wechselte er in die Landesvertretung NRW. Unter Johannes Rau war er neun Jahre Regierungssprecher und später Staatssekretär im NRW-Wissenschaftsministerium.
Seit seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst ist er politischer Blogger der ersten Stunde und freier Autor
Dieser Text erschien in zuerst beim Blog der Republik.
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