Patriarchale Kontrolle im Namen Allahs

Seite 3: Die Rote Kuh

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Doch der Qadi spricht nicht nur Recht, sondern erteilt auch religiösen Unterricht, z. T. via YouTube. Diese Bühne nutzt er u.a., um antisemitische Verschwörungstheorien unter die Gläubigen zu bringen und den jüdisch-muslimischen Glaubenskrieg zu befeuern.

In einem solchen Video enthüllt er die "jüdische Verschwörung". Die besteht in dem Falle in einem Mythos, der so obskur ist, dass selbst jüdische Gelehrte an dessen Deutung verzweifeln. Und auch durchaus gläubige Jüdinnen und Juden den Kopf darüber schütteln. Die Rede ist von den zehn Roten Kühen, die der biblischen Erzählung zufolge geopfert werden müssen, bis der Messias erscheint und auf dem Moriah Berg (Tempelberg) in Jerusalem einen jüdischen Tempel errichtet.

Diese Vorstellung ist Bestandteil der orthodox-jüdischen Ideenwelt, und es gibt immer mal wieder eifrige Gottesfürchtige, die nach einer solchen Roten Kuh suchen - und sie bisweilen auch zu finden glauben. Oder gar mittels künstlicher Befruchtung zu züchten versuchen.

Das wiederum gefällt den fundamentalen Moslems nicht. Denn auf der südlichen Seite des Tempelbergs steht die al-Aqsä-Moschee, die drittwichtigste Moschee der muslimischen Welt, die vermutlich bei der Landung des Messias zerstört würde. Der Tempelberg ist einer der umstrittensten heiligen Orte der Welt - und somit das seltene Tier den einen die heiligste aller heiligen Kühe, den anderen schlicht ein rotes Tuch.

Nun ist es mit dieser Roten Kuh aber so eine Sache. Der Legende zufolge müssen zehn dieser Kühe geopfert werden. Neun wurden laut Altem Testament in der Zeit von Moses bis 70 n. Chr. bereits gefunden und geopfert, nur die zehnte fehlt noch. Hin und wieder taucht eine auf, mal in Israel, mal in den USA. Es reicht aber nicht, dass die Kuh rot ist, sondern sie muss bestimmte Bedingungen erfüllen:

Um eine Rote Kuh zu werden, muss ein Kalb vollkommen fehlerfrei sein. Es darf nie auf dem Feld gearbeitet haben und muss komplett rötlich sein. Das jüdische Gesetz verlangt, dass die junge Kuh unter strenger Pflege gehalten werden muss, bis sie drei Jahre alt ist. Wenn die Kuh während dieser Zeit geritten wird oder auch nur etwas auf ihren Rücken gelegt wird, disqualifiziert sie sich automatisch als Rote Kuh…Strenge Regeln gelten auch für die Farbe der Kuh. Hat nur ein einzelnes Haar der Kuh eine andere Farbe als rot, kommt sie nicht mehr als Rote Kuh in Frage. Eine Rote Kuh-Anwärterin, die im Jahr 2000 entdeckt wurde, schied aus, nachdem bei ihr zwei schwarze Haare gefunden wurden.

Israel heute

Da dürfte In-vitro-Fertilisation eher nicht im Sinne des Erfinders sein. Andererseits wurde diese Möglichkeit seinerzeit nicht als Ausschlusskriterium benannt …

Würde die zehnte Kuh gefunden, wäre "folgende Prozedur vorgesehen: Ein Priester schlachtet und verbrennt eine ganz und gar rote Kuh, dann setzt er rötliches Zedernholz und roten Farbstoff zu ihrer Asche hinzu und löste diesen hochroten Stoff in Quellwasser auf". Mit dieser blutähnlichen Lösung wurden der Sage nach "Verunreinigte" von eben dieser Verunreinigung befreit. Das betraf z.B. Priester, die mit Toten in Berührung kamen, deshalb als verunreinigt galten und aus der Gemeinschaft vorübergehend ausgeschlossen wurden.

Die Krux dabei ist: "Der reinigende Priester und jeder andere, der mit diesem so genannten Entsühnungswasser (Mei Chattat) in Berührung kam, wurden ihrerseits unrein."

Es gibt diverse Versuche, dem irgendwie eine Logik abzugewinnen. Naheliegend scheint zu sein, dass das Gleichnis besagen soll "der Reine in unreine Verhältnisse herablassen, um die verlorenen Seelen zur Umkehr zu bewegen".

Da es damit bei der nächsten Roten Kuh, die es tatsächlich bis zum Status "Opfertier" schafft, aber nicht getan wäre, sondern erwartungsgemäß der Messias vom Himmel herabfahren und den jüdischen Tempel auf dem Moriah Berg absetzten würde, und somit die Erlösung für die Jüdinnen und Juden brächte, dem Islam aber eines der wichtigsten Heiligtümer zerstört würde, hält sich die Freude der fundamentalen Muslime beim Fund einer neuen Rote-Kuh-Kandidatin eher in Grenzen.