Patriarchale Kontrolle im Namen Allahs

Birminghamer Zentral Moschee. Bild: Oosoom / CC BY-SA 3.0

Expertinnen zufolge fördern britische Scharia-Gerichte Frauenfeindlichkeit sowie Radikalisierung und somit fundamental-islamischen Terrorismus

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1982 wurde der Islamische Scharia-Rat (ISC) u.a. von dem gebürtigen Inder Suhaib Hasan in London gegründet: Eine überregional zuständige Schlichtungsstelle mit dem Schwerpunkt Familienrecht, ausgelegt nach den Rechtsvorschriften - der Scharia - der Sunnitischen Islamischen Religionsgemeinschaft, die dem muslimischen Teil der Bevölkerung Großbritanniens günstig, schnell und unkompliziert in entsprechenden Rechtsfragen zur Verfügung stehen sollte. 1996 wurden die so genannten Scharia-Gerichte durch ein entsprechendes Gesetz legalisiert und den offiziellen Schiedsgerichten faktisch gleichgestellt. Die Entscheidungen sind bindend, sofern sich beide Seiten mit dem Urteil einverstanden erklären.

Wie viele dieser Schlichtungsstellen es mittlerweile tatsächlich gibt, weiß niemand so genau. Die Schätzungen liegen zwischen 35 und 80, aber es ist davon auszugehen, dass informell Hunderte davon existieren. Allein beim ISC in London werden pro Monat etwa 30 Fälle verhandelt.

Offiziell haben die Schlichtungsstellen keinen verbindlichen juristischen Charakter, die z.B. Urteile von weltlichen Gerichten aushebeln können. Auch müssen Paare, die von offiziellen Behörden getraut wurden, sich zusätzlich von einem weltlichen Gericht scheiden lassen. Das Problem ist allerdings, dass es im Islam keine Trennung zwischen Kirche und Staat gibt, und religiöses Recht automatisch staatliches Recht bedeutet. Entsprechend werden die Schiedssprüche auch von den Betroffenen bewertet.

Die Betroffenen, das sind zu 95 Prozent Frauen, die im islamischen Recht nach Ansicht verschiedener Expertinnen eindeutig benachteiligt werden, weshalb Musliminnen, muslimische und nicht-muslimische Frauenverbände gegen die Scharia-Gerichte protestieren. Sie fordern "One Law for All", ein Gesetz für alle, um diese Diskriminierung zu beenden.

Die Scharia-Gerichte haben laut der Schweizer jemenitischen Islam-Expertin Elham Manea stark zur Bildung von extrem abgeschotteten muslimischen Communities beigetragen, in denen sich viele Muslime stark radikalisierten. Ihrer Ansicht nach ist die Etablierung der Scharia "fester Bestandteil der islamistischen Agenda".

Das gilt vor allem für Jugendliche, die zu Hunderten aus Großbritannien nach Syrien ausreisten, um sich dem IS anzuschließen - angezogen von der Gewalt und dem überbordenden Männlichkeitswahn der Gotteskrieger, wie Mona Siddiqui, Professorin für islamische und interreligiöse Studien an der Uni Edinburgh, vermutet.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Anschlag auf feiernde Mädchen in der vergangenen Woche ausgerechnet in Großbritannien stattfand - höchst wahrscheinlich ausgeübt von einem IS-Anhänger, bzw. einer radikalen Gruppe um den vermutlichen Täter Salman Abedi.

Kontrolle über Frauen

Mit dem Schwerpunkt "Familienrecht" ist das Problem im Prinzip schon umrissen: Zur selbst gewählten Zuständigkeit gehören in erster Linie Scheidungen und Erbschaftsangelegenheiten. "Laut islamischem Recht müssen Männer nur drei Mal 'Ich lasse mich scheiden' sagen, um sich von ihren Frauen zu trennen. Frauen hingegen brauchen den Segen der Geistlichen", zitiert die Bild-Zeitung die Wissenschaftlerin Machteld Zee.

Die Niederländerin forschte zum Thema Scharia-Gerichte und durfte drei Tage lang die Arbeit des ISC in London und in einer Moschee in Birmingham beobachten. Ihre daraus resultierende Doktorarbeit trägt den Titel "Choosing Sharia" und ist auch als Buch erschienen.

Etwa 95% aller Fälle, die vor den Scharia-Gerichten verhandelt werden, betreffen Frauen, wie die Politologin Elham Manea im österreichischen Standard feststellte.

Natürlich bleibt es den muslimischen Frauen auch in Großbritannien unbenommen, ein weltliches Gericht mit der Scheidung zu betrauen. In vielen Fällen müssen sie das sogar. Das Problem ist nur, dass in den muslimischen Communities diese Scheidungen nicht anerkannt werden, was unter Umständen harte Konsequenzen für die betroffenen Frauen haben kann: Binden sie sich neu, gelten sie als Ehebrecherinnen.

Ehebruch kann in der islamischen Welt mit Steinigung bestraft werden. Auch wenn diese Praxis - zumindest bislang - in Europa unüblich ist: Ehrenmorde sind es nicht. Auch nicht in Großbritannien. Auf diese Gefahr weist auch Machteld Zee in ihrer Arbeit hin.

Die Frauen haben keine Möglichkeit, sich einen Rechtsbeistand zu suchen, sondern sind allein mit dem Richter konfrontiert, und können auch keine Gutachten beibringen. Machteld Zee spricht in ihrer Doktorarbeit von Frauen, die von den "Qadis", den Richtern ausgelacht statt geschieden wurden.

Auch ISC-Generalsekretär Suhaib Hasan scheint, vorsichtig formuliert, eher bestrebt, Ehefrauen davon zu überzeugen, bei ihren prügelnden Ehemännern zu bleiben, statt ihrem Martyrium schnell ein Ende zu bereiten.

"Es gibt tatsächlich zwei legale Ordnungen. Eine davon arbeitet zurzeit im Schatten des Gesetzes", konstatiert Machteld Zee im Independent. "Scharia-Gerichte existieren, damit islamische Fundamentalisten ihre Ideologie verbreiten können und gleichzeitig Geld damit machen, dass Frauen sich ihre Freiheit von ihnen erkaufen", wird sie in Bild zitiert. Denn auch das hat sie beim ISC in London erlebt:

"Eine andere Frau wurde angeblich von ihrem Mann erpresst, bevor er in eine Scheidung einwilligen würde. 10.000 englische Pfund wollte er laut der niederländischen Wissenschaftlerin haben - das Gericht schickte sie weg", schreibt die Huffington Post. Die Scharia-Gerichte hielten Frauen in "ehelicher Gefangenenschaft" resümiert Zee.

Fragwürdiges Rechtsverständnis

Elham Manea, die sich in ihrem Buch "Woman and Sharia Law" (Frauen und das Scharia-Recht) mit der Thematik intensiv befasst, beschreibt eine erschreckende Ideenwelt hinter der biederen Fassade des ISC. So traf sie bei ihren Recherchen auf Geistliche, die sich dafür aussprachen, Dieben die Hand abzuhacken. Andere befanden Mädchen ab der Geschlechtsreife, also ab 12 oder 13, für heiratsfähig.

Manea erwähnt einen Fall, in dem ein Gericht über den Scheidungsantrag einer jungen Frau, die in Pakistan mit ihrem Cousin verheiratet worden war, zu befinden hatte. Bereits in der Hochzeitsnacht hatte er sie vergewaltigt. Das sah das fragliche Gericht anders: Seitdem sie verheiratet seien, könne es sich nicht um eine Vergewaltigung handeln.

Wieder andere fanden es fair, dass in Erbschaftsangelegenheiten Frauen die Hälfte dessen bekommen, was Männer erhalten.

Auch Suhaib Hasan vom ISC offenbart ein fragwürdiges Rechtsverständnis: "''Er hat ihr vergeben, doch sie will nicht mehr', erklärt in einer Sitzungspause Dr. Hasan. 'Ein gewöhnliches Gericht würde diese Ehe sofort lösen. Dagegen versuchen wir, die beiden zu versöhnen'", so rp-online. "Er hat ihr vergeben"? Er, das ist ein prügelnder und vergewaltigender Ehemann, von dem eine junge Britin, die als 15-Jährige mit ihm zwangsverheiratet wurde, sich scheiden lassen wollte. Ihr Vergehen, dass er ihr so großzügig "vergeben" hat: Die junge Frau hat Alkohol getrunken.

Die vorherrschende Haltung der Scharia-Gerichte, bzw. der dort agierenden geistlichen Richter, sei totalitär und rückschrittlicher als manche Teile Pakistans, urteilt Elham Manea. "Segregation, Ungleichheit und Diskriminierung" würden dadurch erhöht, und "politische Instabilität und heimischer Terrorismus" könnten gefördert werden".

Laut Focus fordert Suhaib Hasan, dass Musliminnen außerhalb des Hauses ihren Körper bedecken müssen. Die Todesstrafe für Abtrünnige, wie sie die Scharia vorsieht, hält er demnach für gerechtfertigt.

"Polygamie ist durchaus in Ordnung, wenn sich der Mann verpflichtet, alle seine Ehefrauen gleich zu behandeln. In der Praxis ist das äußerst schwierig. Sobald der Ehemann eine seiner Frauen benachteiligt, kann sie die Scheidung verlangen", sagte er im Deutschlandfunk.

"Ein Gesetz für alle!"

In einem Interview mit dem Humanistischen Pressedienst (HP) erläutert Maryam Namazie, Sprecherin der britischen Kampagne "One Law for All" (Ein Gesetz für alle), die Gründe, die zu der Aktion führten:

Nach ihren eigenen Statistiken haben die Sharia-Gerichte seit Mitte der achtziger Jahre über 7 000 Fälle behandelt, die neueren islamischen Schiedsgerichte Hunderte von Fällen. Aber sie drängen nun auf weitere Legitimierung und wollen auch Fragen verhandeln, die bei ihrer Gründung noch nicht vorgesehen waren. Wir kämpfen gegen alle religiösen Gerichte, da sie diskriminierend, frauenfeindlich, homophob und einfach nicht mit den Bürgerrechten des 21. Jahrhunderts vereinbar sind. (..)

Frauen haben beispielsweise nicht das Recht auf eine Scheidung, Männer dagegen müssen nicht einmal vor Gericht gehen, um sich von ihrer Frau scheiden zu lassen. Deshalb stellen Scheidungen, bei denen sich Frauen von ihren Männern scheiden lassen wollen, die große Mehrheit der verhandelten Fälle dar. Das Sorgerecht für Kinder ist ein weiteres Problem. Als Ergebnis langer Kämpfe wird heute im säkularen Recht darüber mit Blick auf das Wohl des Kindes entschieden.

Nach der Sharia dagegen kommt das Sorgerecht ab einem gewissen Alter der Kinder immer dem Vater zu, auch wenn es eine Vorgeschichte von Gewalt und Missbrauch gibt. Bei Erbschaften erhalten Frauen nur die Hälfte, ihre Zeugenaussage gilt nur halb so viel wie die eines Mannes. Vergewaltigung in der Ehe oder häusliche Gewalt werden wegdefiniert und nicht als Straftaten behandelt. Das oberste Ziel von religiösen Gerichten ist es stets, die Familie trotz allem zusammenzuhalten. (…)

Wir sagen, wenn man für Muslime und überhaupt Menschen mit all ihrer Unterschiedlichkeit eintreten will, muss man als Minimum gleiche Rechte fordern. Und gleiche Rechte bedeutet ein gleiches, säkulares Recht, welches das Resultat jahrhundertelanger harter Kämpfe etwa der Frauen- und Arbeiterbewegung ist.

Maryam Namazie

Damit bestätigt sie die Beobachtungen von Elham Manea und Machteld Zee. Der ISC bestreitet all die Vorwürfe und forderte gar, dass Machtild Zee der Doktortitel wieder aberkannt werde. Laut Eigenbeschreibung ist die Gründung des ISC "eine Manifestation des Willens der muslimischen Community und die Reflexion ihres kollektiven Wunsches, persönliche Angelegenheit selbst zu regeln":

The creation of the ISC was thus a manifestation of the will of the Muslim community and a reflection of their collective desire to manage their personal affairs.

ISC

Und die regeln sie eben nach persönlichen Vorstellungen von Männern wie Suhaib Hasan.

Die Rote Kuh

Doch der Qadi spricht nicht nur Recht, sondern erteilt auch religiösen Unterricht, z. T. via YouTube. Diese Bühne nutzt er u.a., um antisemitische Verschwörungstheorien unter die Gläubigen zu bringen und den jüdisch-muslimischen Glaubenskrieg zu befeuern.

In einem solchen Video enthüllt er die "jüdische Verschwörung". Die besteht in dem Falle in einem Mythos, der so obskur ist, dass selbst jüdische Gelehrte an dessen Deutung verzweifeln. Und auch durchaus gläubige Jüdinnen und Juden den Kopf darüber schütteln. Die Rede ist von den zehn Roten Kühen, die der biblischen Erzählung zufolge geopfert werden müssen, bis der Messias erscheint und auf dem Moriah Berg (Tempelberg) in Jerusalem einen jüdischen Tempel errichtet.

Diese Vorstellung ist Bestandteil der orthodox-jüdischen Ideenwelt, und es gibt immer mal wieder eifrige Gottesfürchtige, die nach einer solchen Roten Kuh suchen - und sie bisweilen auch zu finden glauben. Oder gar mittels künstlicher Befruchtung zu züchten versuchen.

Das wiederum gefällt den fundamentalen Moslems nicht. Denn auf der südlichen Seite des Tempelbergs steht die al-Aqsä-Moschee, die drittwichtigste Moschee der muslimischen Welt, die vermutlich bei der Landung des Messias zerstört würde. Der Tempelberg ist einer der umstrittensten heiligen Orte der Welt - und somit das seltene Tier den einen die heiligste aller heiligen Kühe, den anderen schlicht ein rotes Tuch.

Nun ist es mit dieser Roten Kuh aber so eine Sache. Der Legende zufolge müssen zehn dieser Kühe geopfert werden. Neun wurden laut Altem Testament in der Zeit von Moses bis 70 n. Chr. bereits gefunden und geopfert, nur die zehnte fehlt noch. Hin und wieder taucht eine auf, mal in Israel, mal in den USA. Es reicht aber nicht, dass die Kuh rot ist, sondern sie muss bestimmte Bedingungen erfüllen:

Um eine Rote Kuh zu werden, muss ein Kalb vollkommen fehlerfrei sein. Es darf nie auf dem Feld gearbeitet haben und muss komplett rötlich sein. Das jüdische Gesetz verlangt, dass die junge Kuh unter strenger Pflege gehalten werden muss, bis sie drei Jahre alt ist. Wenn die Kuh während dieser Zeit geritten wird oder auch nur etwas auf ihren Rücken gelegt wird, disqualifiziert sie sich automatisch als Rote Kuh…Strenge Regeln gelten auch für die Farbe der Kuh. Hat nur ein einzelnes Haar der Kuh eine andere Farbe als rot, kommt sie nicht mehr als Rote Kuh in Frage. Eine Rote Kuh-Anwärterin, die im Jahr 2000 entdeckt wurde, schied aus, nachdem bei ihr zwei schwarze Haare gefunden wurden.

Israel heute

Da dürfte In-vitro-Fertilisation eher nicht im Sinne des Erfinders sein. Andererseits wurde diese Möglichkeit seinerzeit nicht als Ausschlusskriterium benannt …

Würde die zehnte Kuh gefunden, wäre "folgende Prozedur vorgesehen: Ein Priester schlachtet und verbrennt eine ganz und gar rote Kuh, dann setzt er rötliches Zedernholz und roten Farbstoff zu ihrer Asche hinzu und löste diesen hochroten Stoff in Quellwasser auf". Mit dieser blutähnlichen Lösung wurden der Sage nach "Verunreinigte" von eben dieser Verunreinigung befreit. Das betraf z.B. Priester, die mit Toten in Berührung kamen, deshalb als verunreinigt galten und aus der Gemeinschaft vorübergehend ausgeschlossen wurden.

Die Krux dabei ist: "Der reinigende Priester und jeder andere, der mit diesem so genannten Entsühnungswasser (Mei Chattat) in Berührung kam, wurden ihrerseits unrein."

Es gibt diverse Versuche, dem irgendwie eine Logik abzugewinnen. Naheliegend scheint zu sein, dass das Gleichnis besagen soll "der Reine in unreine Verhältnisse herablassen, um die verlorenen Seelen zur Umkehr zu bewegen".

Da es damit bei der nächsten Roten Kuh, die es tatsächlich bis zum Status "Opfertier" schafft, aber nicht getan wäre, sondern erwartungsgemäß der Messias vom Himmel herabfahren und den jüdischen Tempel auf dem Moriah Berg absetzten würde, und somit die Erlösung für die Jüdinnen und Juden brächte, dem Islam aber eines der wichtigsten Heiligtümer zerstört würde, hält sich die Freude der fundamentalen Muslime beim Fund einer neuen Rote-Kuh-Kandidatin eher in Grenzen.

Spaßbefreite Hardcore-Muslime

Spätestens seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen wissen wir, dass Hardcore-Muslime völlig spaßbefreit sind, zumindest wenn es um ihre Heiligtümer geht. Statt über diesen Unsinn mit der Roten Kuh zu lachen, oder zumindest die Schultern zu zucken, bringt die Vorstellung viele von ihnen schlicht in Rage.

Jeder Fund einer solchen potentiellen Opfer-Kuh ging mit Spannungen zwischen ultra-orthodoxen Juden und fundamentalen Moslems einher, die dabei vor massiver Gewalt nicht zurückschreckten. Dabei kam es im November 2014 zu einem Todesfall.

Diesen Religionskrieg befeuert auch Shaykh Suhain Hasan mit besagtem Video und webt in seine antisemitischen Verschwörungstheorien ganz en passant die Christen mit ein, die seiner Ansicht nach in Form von weltlichen Regierungen westlicher Staaten zu Helfershelfern der Juden in ihrem Machtstreben werden.

Die Gründung (des ISL) drückt die Entschlossenheit der Muslime aus, in der Gesellschaft des Westens dauerhaft zu bleiben und die guten Beziehungen zwischen muslimischen Einwanderern und nichtmuslimischen Bürgern zu verbessern und zu bereichern

Wikipedia

Diese Entschlossenheit sollte sich jedoch anders ausdrücken, als sich über geltendes Recht zu stellen, Menschenrechte bewusst zu missachten und dadurch Lebensbedingungen für Frauen zu schaffen, die denen in Saudi-Arabien ähneln, sowie Endzeitszenarien zu verbreiten, in denen nicht nur der jüdisch-muslimische Konflikt angeheizt, sondern in einem Abwasch die westlichen Regierungen, auch die britische, zum Feindbild stilisiert werden.

Bei Licht betrachtet drückt die Gründung des ISC die Entschlossenheit aus, westlichen Gesellschaften den fundamental-islamischen Stempel aufzudrücken.

Parallelgesellschaften fördern Radikalisierung

Elham Manea spricht von "parallelen Rechtsstrukturen" und "geschlossenen Gemeinschaften". Diese betrachtet sie als "Riesenproblem": "Die Zusammenballung von bestimmten ethnischen Gruppen mit bestimmten religiösen Vorstellungen in bestimmten Vierteln führt zu sozialen Problemen - vor allem mit der Verbreitung von fundamentalistischen Interpretationen des Islams in diesen Gemeinden".

Es gebe "Strukturen, die Jugendliche von ihrer Umgebung isolieren und ideologisieren", so die Politologin.

Die zunehmende Radikalisierung unterliegt ihrer Ansicht nach einem Muster: "Es fängt damit an, dass muslimische Schüler ihren Lehrerinnen nicht die Hand geben wollen. Dann weigern sie sich, am Musik- und Kunstunterricht teilzunehmen, fordern separate Gebetsräume, Eltern verlangen, dass sieben- und achtjährige Mädchen Kopftuch tragen. Und dann kommt der Ruf nach der Anwendung des Schariagesetz in familiären Angelegenheiten. Das ist ein typisches Anliegen von Islamisten und fester Bestandteil ihrer Agenda."

Das Königreich bietet ein Beispiel für das Scheitern der bisherigen Politik. Der viel gerühmten Arbeit der Antiterroreinheiten stehen seit Jahren politische Mutlosigkeit und eine Haltung falsch verstandener Toleranz gegenüber. Die islamischen Parallelgesellschaften, die sich überall im Land entfalten durften, sind zu Nährböden für den Extremismus geworden. Fast alle Terroristen, die sich aus Britannien dem "Islamischen Staat" angeschlossen oder Anschläge im Königreich geplant haben, wuchsen in Stadtteilen auf, in denen muslimische Schullehrer, Imame und Scharia-Gerichte das Leben bestimmen.

Salman Abedi, der Selbstmordattentäter aus Manchester, ist dafür ein weiteres Beispiel. Die untragbaren Zustände in manchen Vierteln, in denen antidemokratisches Denken und Hass auf die westliche Lebensart gedeihen, sind bestens dokumentiert, sogar in Regierungsgutachten - aber ändern tut sich nichts.

Jochen Buchsteiner, der Londoner Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Manchester: Wer ist der Täter?

In Großbritannien leben etwa 1,7 Mio. Menschen mit muslimischem Glauben. Was allerdings noch nichts darüber aussagt, ob, und falls ja, in welcher Form sie diesen praktizieren. 750 Jugendliche sind schätzungsweise nach Syrien ausgereist, 60 % davon wieder zurückgekehrt.

Einer von ihnen war vermutlich Salman Abedi, der als Attentäter des Anschlags von Manchester vom vergangenen Montag gilt. Viel war zunächst über den jungen Mann nicht bekannt, und in den Medien sind widersprüchliche Informationen zu lesen.

Die Süddeutsche Zeitung stellte eine Verbindung zum Islamischen Staat (IS), der sich inzwischen zu der Tat bekannte, in Abrede. Allerdings wird berichtet, ein Imam der Moschee, die der 22-Jährige besuchte, habe gesagt, Abedi habe ihn "mit Hass angesehen", nachdem er eine Predigt gegen Terror und gegen den IS gehalten habe. Inzwischen ist bekannt, dass Mitglieder der fraglichen Moschee-Gemeinde sich wegen des auffälligen Verhaltens Salman Abedis an die zuständigen Behörden wandten.

Weiterhin berichtete der Focus unterdessen, ein Bruder, der in Libyen verhaftet worden sei, habe bestätigt, dass Abedi IS-Mitglied gewesen sei. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag.

Nach und nach werden mehr Details und Hintergründe zur Person Salman Abedi und dessen Familie bekannt.

Fasziniert vom eliminatorischen Frauenhass des IS?

Islam-Expertin Mona Sidiqqi wies im Guardian darauf hin, dass es etwas gibt, dass den IS deutlich von all den vielen Terror-Splittergruppen unterscheide, die es inzwischen gebe:

Da ist etwas anderes im Zusammenhang mit dem IS, der sich anders als andere extremistische Gruppen entwickelt hat und das ist die Behandlung von Frauen und Mädchen. Männliche Gewalt gegen Frauen ist nichts Neues und kennt leider weder ethnische noch kulturelle Grenzen. Aber die Art und Weise, wie vom IS berichtet wird, mit der sie gefangene Frauen und junge Mädchen behandeln, spricht von einer anderen Ära…Diese tödliche Mischung aus Gewalt und sexueller Macht, diese zutiefst fehlerhafte Sicht auf Männlichkeit - ist es das, wovon junge britische Muslime gezogen werden?

Mona Sidiqqi

In diesem Kontext würde sich das Ziel des Anschlags erklären - und auch, warum ausgerechnet Großbritannien Schauplatz Ort des Massenmordes an Mädchen und jungen Frauen wurde: Innerhalb von Jahrzehnten konnte sich dort ein stark abgeschottetes muslimisches System, ein Staat im Staat, entwickeln, in dem nicht nur das auch hier übliche Angebot an Dienstleistungen in Herkunftssprache, Ärzte, Apotheker, Anwälte, Bankberater, etc. vorhanden ist, und die auch hier bekannten Probleme, immer mehr und immer jüngere verschleierte Mädchen, Zwangsheiraten, Kinder-Ehen, Schulprobleme wie Nicht-Teilnahme am Sport- und Schwimm-Unterricht, etc. auftreten, sondern in dem sogar ein eigenes Rechtssystem etabliert werden konnte.

Die Folge ist ein extrem frauenfeindliches Klima. No-go-Areas für Mädchen und Frauen, die komplett aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Ein frauenfeindliches Klima, in dem nicht nur Mädchen heranwachsen, sondern auch Jungen. Von denen offenbar viele den offen ausgelebten eliminatorischen Frauenhass des IS als Krönung der gesellschaftlichen Ordnung betrachten.

Ob Salman Abedi tatsächlich diesem Kreis zuzuordnen ist, werden weitere Ermittlungen ergeben. Aber vor dem Hintergrund all dieser Informationen fügt sich das Unvorstell- und Nicht-Verstehbare dieser barbarischen Tat vom vergangenen Montag in Manchester wie ein Puzzle zu einem Bild zusammen. Ziel des Anschlags war ein Pop-Konzert, bei dem auffallend viele sehr junge Fans ums Leben kamen, bzw. verletzt wurden.

22 Tote sind bislang registriert, 119 Menschen wurden insgesamt verletzt. Fünf der Toten waren männlich, die anderen 17 Mädchen und Frauen, darunter ein 8-jähriges Kind. Insgesamt waren sieben der Opfer jünger als 16 und elf von ihnen unter 20. Da das Attentat im Foyer der Konzerthalle stattfand, sind unter den Opfern auch zwei Mütter, die ihre Töchter abholen wollten.

Es war nicht irgendein Pop-Konzert

Es war nicht irgendein Pop-Konzert, das offensichtlich so viele Mädchen und junge Frauen anzog. Sondern die junge Künstlerin, Ariana Grande, ist bekennende Feministin, die auch Konzerte auf Lesben- und Schwulen-Festivals gibt.

"Ariana Grande ist ein Mädchen-Star, die Britney Spears der Gegenwart. 'Dangerous Women' heißt ihr aktuelles Album und ihr derzeit gleichnamiger größter Hit. 'Ich brauche keine Erlaubnis!' lautet die erste Zeile des Songs, in dem es darum geht, einen Typen anzuturnen. 'Natürlich bin ich Feministin!' erklärt die 23-jährige Sängerin, zu deren Vorbildern die amerikanische Frauenrechtlerin Gloria Steinem zählt", erläutert Alexandra Eul in der EMMA. Steinem war eine der Rednerinnen beim Women's March am 21. Januar 2017.

Das britische feministisches Musikmagazin Bust betont, die Fangemeinde der Künstlerin bestünde vorwiegend aus Teenagern und jüngeren Mädchen, deren Müttern sowie aus Mädchen um die 20.

Diese Mädchen und Frauen hörten nicht irgendwelche Musik, sondern es war feministische Musik. Durch ihre Lieder und öffentlichen Äußerungen hat Ariana Grande einen starken Standpunkt gegen den Sexismus und die Objektivierung von Frauen eingenommen, und sie tut das so freundlich, freudig und ohne Entschuldigung. Das alles ist bedrohlich genug (für fundamentale Moslems). Aber Grande geht noch weiter und wagt es, ein positives Verhältnis zu Sexualität auszustrahlen: die Vorstellung, dass Sexualität gesund ist, dass sie in vielfältiger Weise ausgedrückt werden kann und sollte, und dass sie es nicht verdient, als Schande betrachtet zu werden

Emily Crockett im Rolling Stone

Junge Mädchen, die sich selbst und das Leben feiern und ihre Unabhängigkeit entdecken, offensichtlich angespornt von dieser jungen Künstlerin, die sich als Feministin versteht und nicht müde wird, sich positiv auf wie auch immer ausgelebte Sexualität zu beziehen, sind sozusagen potenzierte Verderbtheit, der Haram-Super-GAU (haram = verboten im religiösen Sinne), in den Augen islamischer Fundamentalisten. Und genau darum ging es offenbar: Diese Unabhängigkeit, dieser Spaß am Leben und diese Lust am eigenen Körper - noch dazu von Frauen - im Keim zu ersticken.

Mädchen sind die Achilles-Verse einer jeden Gesellschaft. Nicht nur islamischer, sondern auch westlicher Gesellschaften. Dass junge Mädchen solche Konzerte besuchen dürfen, ist auch in unserem Land noch nicht so lange selbstverständlich. Vor noch nicht allzu langer Zeit mussten Mädchen darum kämpfen, ausgehen zu dürfen - alleine, mit Freundinnen. Was für gleichaltrige Jungen selbstverständlich war.

Bis heute werden Töchter mehr behütet als Jungen. Die Gründe dafür sind nicht alle falsch, aber alle sind sie schlecht. Junge Mädchen sind Gefahren ausgesetzt, die nicht einmal erwachsene Frauen einschätzen, geschweige denn händeln können, KO-Tropfen zum Beispiel.

"Der Anschlag von Manchester war der schlimmste Albtraum aller Eltern und viele werden in Folge dessen in Protektionismus verfallen", so Crockett. Stimmt. Nach diesem Anschlag werden Eltern - nicht nur in Großbritannien - sich überlegen, wohin sie ihre Töchter allein gehen lassen. Mädchen werden - so ist es von islamischen Fundamentalisten gewollt - aus der Öffentlichkeit verschwinden.

Zuerst als Jugendliche, dann als junge Frau, schließlich als Erwachsene. Damit verschwindet letztlich die Freiheit der gesamten Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der die Hälfte der Bevölkerung eingesperrt ist, ist keine freie Gesellschaft. Und genau solche von Männern beherrschten und kontrollierten Gesellschaften sind das Ziel. Nicht nur des IS und der Gotteskrieger, die sich im Westen in die Luft sprengen und dabei wahllos unschuldige Menschen mit in den Tod reißen, sondern auch von Geistlichen wie Suhaib Hasan und Organisationen wie dem ISC.

Sie einzusperren sei das falsche Rezept gegen solche Angriffe auf Mädchen und Frauen, schlussfolgert Crockett. Die Antwort sei, sie zu feiern - auch und gerade, wenn wir uns unwohl dabei fühlen mögen.

Das mag stimmen. Aber es nutzt wenig, wenn wir unsere Weiblichkeit feiern, solange Regierungen, Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft der westlichen Staaten diese Keimzellen des Terrors ignorieren, die alltägliche Gewalt gegen Frauen in den muslimischen Communities nicht einmal wahrnehmen und die Repräsentanten der reaktionären Islamverbände zu jeder sich bietenden Gelegenheit - vom Staatsempfang bis hin zu marxistischen Kongressen - als Ehrengäste empfangen. Wer ernsthaft den fundamental-islamischen Terror bekämpfen will, muss als allererstes die ideologischen Sümpfe vor der eigenen Haustür trockenlegen.

Oder wie Buchsteiner in der FAZ vorschlägt:

Man fragt sich, was hinter Theresa Mays Ankündigung stecken soll, 'die Ideologie hinter den Terroranschlägen zu bekämpfen'. Wird jetzt den 'islamischen Gesellschaften' die Erlaubnis entzogen, Männer und Frauen in britischen Universitäten durch getrennte Eingänge den Saal betreten zu lassen? Das wäre ein Anfang. Man könnte auch die verbreitete Genitalverstümmelung in den muslimischen Communities endlich mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgen oder noch einmal über das hochgehaltene Recht auf die Burka nachdenken, zumal nach einem Anschlag, der sich gezielt gegen 'unzüchtige' Mädchen richtete.

Jochen Buchsteiner, FAZ

Maßnahmen, die auch in unserem Land dringend geboten wären.