Patriarchale Kontrolle im Namen Allahs

Seite 5: Manchester: Wer ist der Täter?

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In Großbritannien leben etwa 1,7 Mio. Menschen mit muslimischem Glauben. Was allerdings noch nichts darüber aussagt, ob, und falls ja, in welcher Form sie diesen praktizieren. 750 Jugendliche sind schätzungsweise nach Syrien ausgereist, 60 % davon wieder zurückgekehrt.

Einer von ihnen war vermutlich Salman Abedi, der als Attentäter des Anschlags von Manchester vom vergangenen Montag gilt. Viel war zunächst über den jungen Mann nicht bekannt, und in den Medien sind widersprüchliche Informationen zu lesen.

Die Süddeutsche Zeitung stellte eine Verbindung zum Islamischen Staat (IS), der sich inzwischen zu der Tat bekannte, in Abrede. Allerdings wird berichtet, ein Imam der Moschee, die der 22-Jährige besuchte, habe gesagt, Abedi habe ihn "mit Hass angesehen", nachdem er eine Predigt gegen Terror und gegen den IS gehalten habe. Inzwischen ist bekannt, dass Mitglieder der fraglichen Moschee-Gemeinde sich wegen des auffälligen Verhaltens Salman Abedis an die zuständigen Behörden wandten.

Weiterhin berichtete der Focus unterdessen, ein Bruder, der in Libyen verhaftet worden sei, habe bestätigt, dass Abedi IS-Mitglied gewesen sei. Der IS bekannte sich zu dem Anschlag.

Nach und nach werden mehr Details und Hintergründe zur Person Salman Abedi und dessen Familie bekannt.

Fasziniert vom eliminatorischen Frauenhass des IS?

Islam-Expertin Mona Sidiqqi wies im Guardian darauf hin, dass es etwas gibt, dass den IS deutlich von all den vielen Terror-Splittergruppen unterscheide, die es inzwischen gebe:

Da ist etwas anderes im Zusammenhang mit dem IS, der sich anders als andere extremistische Gruppen entwickelt hat und das ist die Behandlung von Frauen und Mädchen. Männliche Gewalt gegen Frauen ist nichts Neues und kennt leider weder ethnische noch kulturelle Grenzen. Aber die Art und Weise, wie vom IS berichtet wird, mit der sie gefangene Frauen und junge Mädchen behandeln, spricht von einer anderen Ära…Diese tödliche Mischung aus Gewalt und sexueller Macht, diese zutiefst fehlerhafte Sicht auf Männlichkeit - ist es das, wovon junge britische Muslime gezogen werden?

Mona Sidiqqi

In diesem Kontext würde sich das Ziel des Anschlags erklären - und auch, warum ausgerechnet Großbritannien Schauplatz Ort des Massenmordes an Mädchen und jungen Frauen wurde: Innerhalb von Jahrzehnten konnte sich dort ein stark abgeschottetes muslimisches System, ein Staat im Staat, entwickeln, in dem nicht nur das auch hier übliche Angebot an Dienstleistungen in Herkunftssprache, Ärzte, Apotheker, Anwälte, Bankberater, etc. vorhanden ist, und die auch hier bekannten Probleme, immer mehr und immer jüngere verschleierte Mädchen, Zwangsheiraten, Kinder-Ehen, Schulprobleme wie Nicht-Teilnahme am Sport- und Schwimm-Unterricht, etc. auftreten, sondern in dem sogar ein eigenes Rechtssystem etabliert werden konnte.

Die Folge ist ein extrem frauenfeindliches Klima. No-go-Areas für Mädchen und Frauen, die komplett aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Ein frauenfeindliches Klima, in dem nicht nur Mädchen heranwachsen, sondern auch Jungen. Von denen offenbar viele den offen ausgelebten eliminatorischen Frauenhass des IS als Krönung der gesellschaftlichen Ordnung betrachten.

Ob Salman Abedi tatsächlich diesem Kreis zuzuordnen ist, werden weitere Ermittlungen ergeben. Aber vor dem Hintergrund all dieser Informationen fügt sich das Unvorstell- und Nicht-Verstehbare dieser barbarischen Tat vom vergangenen Montag in Manchester wie ein Puzzle zu einem Bild zusammen. Ziel des Anschlags war ein Pop-Konzert, bei dem auffallend viele sehr junge Fans ums Leben kamen, bzw. verletzt wurden.

22 Tote sind bislang registriert, 119 Menschen wurden insgesamt verletzt. Fünf der Toten waren männlich, die anderen 17 Mädchen und Frauen, darunter ein 8-jähriges Kind. Insgesamt waren sieben der Opfer jünger als 16 und elf von ihnen unter 20. Da das Attentat im Foyer der Konzerthalle stattfand, sind unter den Opfern auch zwei Mütter, die ihre Töchter abholen wollten.

Es war nicht irgendein Pop-Konzert

Es war nicht irgendein Pop-Konzert, das offensichtlich so viele Mädchen und junge Frauen anzog. Sondern die junge Künstlerin, Ariana Grande, ist bekennende Feministin, die auch Konzerte auf Lesben- und Schwulen-Festivals gibt.

"Ariana Grande ist ein Mädchen-Star, die Britney Spears der Gegenwart. 'Dangerous Women' heißt ihr aktuelles Album und ihr derzeit gleichnamiger größter Hit. 'Ich brauche keine Erlaubnis!' lautet die erste Zeile des Songs, in dem es darum geht, einen Typen anzuturnen. 'Natürlich bin ich Feministin!' erklärt die 23-jährige Sängerin, zu deren Vorbildern die amerikanische Frauenrechtlerin Gloria Steinem zählt", erläutert Alexandra Eul in der EMMA. Steinem war eine der Rednerinnen beim Women's March am 21. Januar 2017.

Das britische feministisches Musikmagazin Bust betont, die Fangemeinde der Künstlerin bestünde vorwiegend aus Teenagern und jüngeren Mädchen, deren Müttern sowie aus Mädchen um die 20.

Diese Mädchen und Frauen hörten nicht irgendwelche Musik, sondern es war feministische Musik. Durch ihre Lieder und öffentlichen Äußerungen hat Ariana Grande einen starken Standpunkt gegen den Sexismus und die Objektivierung von Frauen eingenommen, und sie tut das so freundlich, freudig und ohne Entschuldigung. Das alles ist bedrohlich genug (für fundamentale Moslems). Aber Grande geht noch weiter und wagt es, ein positives Verhältnis zu Sexualität auszustrahlen: die Vorstellung, dass Sexualität gesund ist, dass sie in vielfältiger Weise ausgedrückt werden kann und sollte, und dass sie es nicht verdient, als Schande betrachtet zu werden

Emily Crockett im Rolling Stone

Junge Mädchen, die sich selbst und das Leben feiern und ihre Unabhängigkeit entdecken, offensichtlich angespornt von dieser jungen Künstlerin, die sich als Feministin versteht und nicht müde wird, sich positiv auf wie auch immer ausgelebte Sexualität zu beziehen, sind sozusagen potenzierte Verderbtheit, der Haram-Super-GAU (haram = verboten im religiösen Sinne), in den Augen islamischer Fundamentalisten. Und genau darum ging es offenbar: Diese Unabhängigkeit, dieser Spaß am Leben und diese Lust am eigenen Körper - noch dazu von Frauen - im Keim zu ersticken.

Mädchen sind die Achilles-Verse einer jeden Gesellschaft. Nicht nur islamischer, sondern auch westlicher Gesellschaften. Dass junge Mädchen solche Konzerte besuchen dürfen, ist auch in unserem Land noch nicht so lange selbstverständlich. Vor noch nicht allzu langer Zeit mussten Mädchen darum kämpfen, ausgehen zu dürfen - alleine, mit Freundinnen. Was für gleichaltrige Jungen selbstverständlich war.

Bis heute werden Töchter mehr behütet als Jungen. Die Gründe dafür sind nicht alle falsch, aber alle sind sie schlecht. Junge Mädchen sind Gefahren ausgesetzt, die nicht einmal erwachsene Frauen einschätzen, geschweige denn händeln können, KO-Tropfen zum Beispiel.

"Der Anschlag von Manchester war der schlimmste Albtraum aller Eltern und viele werden in Folge dessen in Protektionismus verfallen", so Crockett. Stimmt. Nach diesem Anschlag werden Eltern - nicht nur in Großbritannien - sich überlegen, wohin sie ihre Töchter allein gehen lassen. Mädchen werden - so ist es von islamischen Fundamentalisten gewollt - aus der Öffentlichkeit verschwinden.

Zuerst als Jugendliche, dann als junge Frau, schließlich als Erwachsene. Damit verschwindet letztlich die Freiheit der gesamten Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der die Hälfte der Bevölkerung eingesperrt ist, ist keine freie Gesellschaft. Und genau solche von Männern beherrschten und kontrollierten Gesellschaften sind das Ziel. Nicht nur des IS und der Gotteskrieger, die sich im Westen in die Luft sprengen und dabei wahllos unschuldige Menschen mit in den Tod reißen, sondern auch von Geistlichen wie Suhaib Hasan und Organisationen wie dem ISC.

Sie einzusperren sei das falsche Rezept gegen solche Angriffe auf Mädchen und Frauen, schlussfolgert Crockett. Die Antwort sei, sie zu feiern - auch und gerade, wenn wir uns unwohl dabei fühlen mögen.

Das mag stimmen. Aber es nutzt wenig, wenn wir unsere Weiblichkeit feiern, solange Regierungen, Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft der westlichen Staaten diese Keimzellen des Terrors ignorieren, die alltägliche Gewalt gegen Frauen in den muslimischen Communities nicht einmal wahrnehmen und die Repräsentanten der reaktionären Islamverbände zu jeder sich bietenden Gelegenheit - vom Staatsempfang bis hin zu marxistischen Kongressen - als Ehrengäste empfangen. Wer ernsthaft den fundamental-islamischen Terror bekämpfen will, muss als allererstes die ideologischen Sümpfe vor der eigenen Haustür trockenlegen.

Oder wie Buchsteiner in der FAZ vorschlägt:

Man fragt sich, was hinter Theresa Mays Ankündigung stecken soll, 'die Ideologie hinter den Terroranschlägen zu bekämpfen'. Wird jetzt den 'islamischen Gesellschaften' die Erlaubnis entzogen, Männer und Frauen in britischen Universitäten durch getrennte Eingänge den Saal betreten zu lassen? Das wäre ein Anfang. Man könnte auch die verbreitete Genitalverstümmelung in den muslimischen Communities endlich mit den Mitteln des Rechtsstaats verfolgen oder noch einmal über das hochgehaltene Recht auf die Burka nachdenken, zumal nach einem Anschlag, der sich gezielt gegen 'unzüchtige' Mädchen richtete.

Jochen Buchsteiner, FAZ

Maßnahmen, die auch in unserem Land dringend geboten wären.