Pecunia non olet?

In der Schweiz sind zwar "Pisspornos" verboten, trotzdem werden möglicherweise von einer dort ansässigen Firma Abmahneinnahmen für solche Filme kassiert

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Die Licence Keeper AG hat ihren Sitz in der Bahnstrasse 102 in Regensdorf. Diese Firma, die früher unter dem Namen Rego Service AG firmierte, erbringt den Angaben im Handelsregister zufolge "EDV-Dienstleistungen, insbesondere in Zusammenhang mit allen Belangen des Urheberrechtsschutzes". Ein ähnlich formuliertes Geschäftsmodell der Firma Logistep wurde unlängst vom Schweizer Datenschutzbeauftragten vor Gericht gebracht. Die Ergebnisse solcher Dienstleistungen, meist in Filesharingsystemen gesammelte IP-Nummern, nutzten deutsche Anwaltskanzleien, um Abmahnungen für angebliche Urheberrechtsverletzungen zu versenden und für diese zu kassieren.

Der Grund dafür, dass die Anwälte das nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland machen, liegt nicht nur im weltweit fast einzigartigen und für Anwälte äußerst lukrativen deutschen Abmahnrecht, sondern teilweise offenbar auch am Inhalt der Filme.

Die Schweiz verbietet nämlich nicht nur Kinderpornografie: In Art. 197 des eidgenössischen Strafgesetzbuches heißt es unter Ziffer 3:

"Wer Gegenstände oder Vorführungen [...], die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft."

Und bei einigen der Filmen, die – glaubt man zahlreichen Postings in Abmahn- Filesharing- und Rechtsforen – unter Zuhilfenahme der Firma License Keeper AG abgemahnt wurden, handelt es sich pikanterweise häufig um das, was man gemeinhin als "Pisspornos" bezeichnet. Betroffen ist danach unter anderem die "SexBox"-Serie von John Thompson. Diese wird in der Schweiz nach Angaben des dort ansässigen "Pornoblogs" aufgrund zahlreicher "Natursektszenen" nicht vertrieben.

Den Postings zufolge mahnte die Kanzlei Simon und Partner die "SexBox 10²" in Deutschland ab. Zusätzlich zu den 543 Euro Abmahngebühren des im Einkauf 26,90 Euro teuren Films sollten die Betroffenen 1000 Euro "Lizenzgebühr" begleichen. Diese Zahlung sollte jedoch nicht an die Firma gehen, welche den Film in Deutschland auf den Markt brachte, sondern an Licence Keeper – was darauf hindeutet, dass der in der Schweiz ansässigen AG entsprechende Rechte an den Filmen übertragen wurden.

Diese Praxis wäre nicht ungewöhnlich, sondern entspräche einem mittlerweile üblichen Vorgehen von Pornofilmherstellern: Diese vergeben die "ausschließlichen Rechte", den Film "über dezentrale Computernetzwerke auszuwerten und öffentlich zugänglich zu machen" an Firmen wie DigiProtect. Entsprechende Verträge liegen Telepolis in Kopie vor. Ob und wie diese Firmen die Filme wirklich anbieten, blieb bisher im Unklaren: In jedem Fall nutzen sie aber ihre Monopolrechte in einer Vielzahl von Fällen, um andere "Anbieter" dieser Filme in Tauschbörsen abzumahnen und Lizenzgebühren beziehungsweise "pauschalen Schadensersatz" zu kassieren.

Bei einem anderen Film, den im Einkauf 26,90 Euro teuren "Juchu, den Mund voller Pisse", legt allein der Titel nahe, dass er in der Schweiz verboten sein dürfte. Abgemahnt wurde er ebenfalls für 543 Euro; auch hier gingen den Abmahnschreiben zufolge weitere 1000 Euro an die License Keeper AG. Einem weiteren Forumseintrag gemäß wurde für das gleiche Geld und die gleiche Gebühr an die License Keeper AG auch der Film "Ein Rohr voll Pisse" abgemahnt.

Unter der Schweizer Telefonnummer der License Keeper AG konnte Telepolis auch zur besten Geschäftszeit nur einen Anrufbeantworter erreichen. Wählte man dagegen die auf der Website angegebene 0180-Servicenummer, landete man direkt bei der Kanzlei Simon und Partner. Dort bestätigte Stefan Jaeger, ehemaliger Heise-Autor und Verteidiger von Holger Voss, dass es sich bei der License Keeper AG um eine Mandantin der Kanzlei handelt, für die er Abmahnungen durchführt, bei denen die oben genannten Summen verlangt werden. Zu den im einzelnen abgemahnten Titeln wollte er allerdings keine näheren Angaben machen.

Der Auskunft des Anwalts zufolge, der nach eigenen Angaben auch gegen Kinderpornographie aktiv ist, unterscheiden sich die von ihm für License Keeper durchgeführten Abmahnungen grundsätzlich von solchen, die "wegen eines fehlendem Kommas im Impressum" verschickt werden, da es hier auch um Jugendschutzinteressen gehe. Durch das automatische Anbieten über chainingfähige Filesharingclients würden die Pornofilme nämlich auch Jugendlichen zugänglich gemacht. Gegen die Möglichkeit, dass die im Zuge von Abmahnungen eingezogenen pauschalen Schadensersatzforderungen möglicherweise auch die Produktion neue Filme ankurbeln, hat Jaeger grundsätzlich nichts – solange diese über die vorgeschriebenen Zugangsbeschränkungen nur Erwachsenen zugänglich sind. Der Anwalt will ohne Erlaubnis seiner Mandantin nichts zu eventuellen Rechteübertragungen an die License Keeper AG sagen. Die Schweizer Verbotstatbestände sieht er aber für das reine Innehaben von Rechten nicht als einschlägig an.

Anfragen beim Schweizer Justizministerium und bei der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich ergaben, dass die Frage, ob in Fällen des Haltens und Einsetzens von Rechten eine Verletzung des Art. 197 vorliegt, "schwierig" und nach Kenntnis der Behörden noch nicht gerichtlich entschieden sei. Über das weitere Vorgehen wolle man dann befinden "wenn der Artikel vorliegt."