Pentagon hält am weltweiten Krieg gegen den Terrorismus fest

Letztes Jahr sah US-Verteidigungsminister al-Qaida fast besiegt, jetzt wird der alte Feind wieder hervorgezogen, der Krieg gegen al-Qaida wieder an die "Spitze der Prioritätenliste" gesetzt

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Vor einem Jahr, nachdem Osama bin Laden durch eine geheime Kommandoaktion in seinem Wohnsitz in Pakistan getötet worden war, zeigte sich US-Verteidigungsminister Leon Panetta noch optimistisch. Obgleich er von Ankündigungen der Art "Mission accomplished", wie sie Ex-Präsident Bush nach dem Sturz des Hussein-Regimes und vor Beginn des blutigen Kriegs gegen die Aufständischen äußerte, hätte gewarnt sein sollen, erklärte er, man stehe nun kurz vor der "strategischen Niederschlagung von al-Qaida". Ein Jahr später, am 20. November, sprach er am Center for a New American Security nur wieder von einem "andauernden Krieg gegen al-Qaida", nachdem Islamisten im Norden Malis die Macht übernommen haben, sich al-Qaida-Kämpfer in Syrien einmischen und der US-Botschafter in Libyen sowie drei weitere US-Amerikaner bei einem al-Qaida-Angriff in Bengasi getötet wurden.

US-Verteidigungsminister Leon Panetta: "To protect Americans at home and overseas. We need to continue to pursue al-Qaida wherever they go, whatever form they take, wherever they seek to hide. We must be constantly vigilant, we must be constantly determined to pursue this enemy." Bild: DoD

Panetta will nach der Wahl die nationale Sicherheit wieder in den Vordergrund schieben, um den Pentagon-Haushalt zu sichern, der im Laufe der nächsten zehn Jahre um 480 Milliarden US-Dollar gekürzt werden soll. Schließlich muss der wiedergewählte US-Präsident Obama nun ans Sparen gehen, zudem steht, wenn es zwischen den Republikanern und dem Weißen Haus keine Einigung gibt, die "fiskale Klippe" mit radikalen Zwangskürzungen bevor. Verständlich also, dass Panetta die militärischen Erfolge und die kommenden Bedrohungen herausstreicht. Es gebe keine Wahl zwischen nationaler und finanzieller Sicherheit.

So spricht er davon, um die Situation bedeutungsschwer zu machen, dass wir und mal wieder in einem "Zeitalter des geschichtlichen Wandels" befänden. Man sei nach zehn Jahren Krieg an einem Wendepunkt angelangt:

Wir haben den Krieg im Irak beendet. Die Nato hat eine erfolgreiche Kampagne durchgeführt, um Gaddafi in Libyen zu stürzen. Wir haben nun eine, wie ich meine, gute Kampagne begonnen, um es uns zu ermöglichen, aus Afghanistan abzuziehen. Und wir haben den fortgesetzten Kampf gegen al-Qaida. Und während wir diese wichtigen Ziele erreichen, gehen die USA in Richtung des Endes der längsten Zeit eines ununterbrochenen bewaffneten Konflikts in der Geschichte der Nation.

Von einer strategischen Niederschlagung von al-Qaida ist also nicht mehr die Rede, man befinde sich noch immer im "Krieg gegen den Terrorismus", zudem sei man mit neuen Herausforderungen und großen Bedrohungen in der Welt konfrontiert, die das Ende des Krieges mit sich bringt. Man könne daher nicht wie sonst nach Kriegen üblich die Verteidigungsausgaben zusammenstreichen, sondern müsse den Verteidigungshaushalt um die neue Strategie herum entwickeln. Die sieht nach ihm weiterhin vor, mehr als einen Krieg gleichzeitig führen zu können, flexibel zu sein und an der Spitze der Technik zu stehen. Man müsse überdies im Mittleren Osten und im asiatisch-pazifischen Raum Truppen stationiert haben, im Übrigen aber weltweit präsent sein. Energiesicherheit sei ein wichtiges Thema.

Das alles gehe nicht allein mit Kürzungen, schließlich müsse man auch investieren, um in Zukunft im Weltraum und im Cyberspace dominant zu sein und schnell Truppen mobilisieren zu können, wenn dies erforderlich ist. Investiert werden müsse zudem in unbemannte Systeme. Dies alles auch deswegen, um die amerikanische Rüstungsindustrie zu unterstützen, da man Aufträge nicht ans Ausland vergeben könne.

Präzisionskrieg mit Drohnen und Spezialeinheiten

Trotz so vieler Themen steht aber nach Panetta weiterhin der Krieg gegen al-Qaida an der Spitze der Prioritätenliste, also der Krieg gegen den Terror, der schon in Bush-Zeiten zu einem "langen" Krieg erklärt wurde, um damit politisch und militärisch den Schutz der nationalen Sicherheit und die damit verbundenen gigantischen Ausgaben zu rechtfertigen (Der teure, aber weiterhin unhinterfragte Sicherheitswahn). Gleichzeitig wird damit weiterhin die kleine al-Qaida-Gruppe zum Hauptfeind der militärischen Supermacht erklärt, die von dieser bedroht wird. Man habe durch die "präziseste Kampagne in der Geschichte des Krieges" in Afghanistan und Pakistan neben einigen führenden Köpfen wie Osama bin Laden oder Shaikh Saeed al-Masri zahlreiche weitere al-Qaida-Mitglieder getötet oder festgesetzt, was al-Qaida geschwächt und Planungen für Angriffe gegen die USA verhindert habe. Und in Afghanistan habe man die Aufständischen zwar nicht niedergeschlagen, aber doch Erfolge erzielt.

Die Gefahr aber sei nicht vorüber, man habe den Krebs zwar verlangsamt, aber es hätten sich Metastasen, beispielsweise in Somalia und im Jemen, in Mali oder in Nigeria, aber auch in Libyen gebildet, wo mit al-Qaida verbundene Extremisten "unschuldige Amerikaner" getötet haben. Der Kampf gegen al-Qaida habe eine "neue Richtung" genommen, weil die Terrorgruppe durch den militärischen Druck noch weiter verteilt und lockerer verknüpft wurde als bislang. Panetta, der zuvor CIA-Direktor war, will deswegen das Militär noch näher mit den Geheimdiensten verschmelzen und beruft sich dabei auf US-Präsident Obama, der die Losung ausgeben hat, dass gegen den Terrorismus mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen, gekämpft werden müsse.

Der Krieg gegen den Terrorismus soll nicht nur das Budget sichern und für Rückhalt in der Bevölkerung sorgen, sondern auch die US-Partner zusammenhalten, um den "Job" in Afghanistan zu beenden und zu verhindern, dass al-Qaida in Mali, Nigeria, Libyen, Pakistan oder wo auch immer keinen "sicheren Hafen" errichten kann. Dabei macht Panetta klar, dass das Pentagon - und damit auch die US-Regierung - weiter in Richtung von verdeckten, "präzisen" Kampfeinsätzen mit einem "kleinen Fußabdruck" marschiert, die möglichst zusammen mit ausländischen Sondereinheiten durchgeführt werden sollen. Die sollen wiederum mit US-Hilfe ausgebildet werden, damit sie auch selbst gegen den Terrorismus, zumindest den von den USA so bezeichneten, vorgehen können. Zu dem Zweck könne man zwar die herkömmlichen Truppenstärken reduzieren, müsse aber die Spezialeinheiten vergrößern. Die Zahl der Soldaten in den Spezialeinheiten hat sich zwar schon seit 2001 auf jetzt 64.000 fast verdoppelt, aber Panetta erklärt, bis 2017 müssten es 72.000 sein. Überdies müsste die Flotte mit den bewaffneten Reaper- und Predator-Drohnen weiter ausgebaut werden. Spezialeinheiten und Drohnen würden das Militär flexibler und schlagkräftiger gegenüber einer Bedrohung werden lassen, die "diffuser" geworden sei.

Vor dem 11.9. setzte man auch bereits auf den sauberen Krieg mit Präzisionswaffen für chirurgische Eingriffe, um Kollateralschäden und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit und Verurteilung zu vermeiden. Die Terminologie ist geblieben, die Zielrichtung auch, aber man setzt nun nicht mehr auf Präzisionsraketen, die vorher bestimmte Ziele zerstören sollen, aber durch eine zeitliche Verzögerung zwischen Erkennen und Zuschlagen behaftet waren. Bewaffnete Drohnen, mit denen auch einzelne Personen gezielt getötet oder ermordet werden können, schließen diese zeitliche Lücke, während verdeckt operierende Spezialeinheiten ähnlich wie Guerillas im Geheimen nachgehen und so auch die mediale Öffentlichkeit möglichst ausschalten. Beides hat sich bislang als effektiv erwiesen. Während die Verschleppung von Verdächtigen nach Guantanamo oder die Folterung von Gefangenen zur lautstarken Kritik geführt hat, mehren sich erst jetzt mehr Stimmen gegen die Willkürjustiz einer mörderischen Jagd auf Verdächtige aus der Ferne oder wie im Fall von Bin Laden durch Spezialeinheiten. Es fehlen die Bilder, noch geschieht es weit entfernt, die meisten Amerikaner stehen hinter dieser Kriegsführung - und auch in Deutschland oder anderswo herrscht großenteils Schweigen.

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