Personalstärke der Bundeswehr schrumpft
Derzeit wirbt die Bundeswehr für den Aufbau der "Digitalen Kräfte", weil Deutschland auch im Cyberraum verteidigt werden müsse
Allen wird es aufgefallen sein, dass die Bundeswehr eine massive Werbekampagne in den Städten führt, um Menschen zu finden, mit denen das geplante Cyberkommando aufgebaut werden soll. Verteidigungsministerin von der Leyen hatte letztes Jahr einen "Tagesbefehl" ausgegeben, um die die Bundeswehr "im Cyber-Raum zukunftsfähig machen und zur erfolgreichen Operationsführung im gesamten Informationsraum zu befähigen".
Zwar sei man schon aufgestellt, aber die Aktivitäten sollen im Bereich "Cyber/IT" gebündelt und die "Digitalen Kräfte" mit einem Etat von einer Milliarde Euro aufgestockt werden. Wo es um das Führen des Cyberwar geht, wird nicht nur die Verteidigung ausgebaut, sondern müssen auch die digitale oder vernetzte Kriegsführung und die Kapazitäten für Cyberangriffe ausgebaut werden. Die Bundeswehr sucht nun 1500 IT-Experten, also 800 "IT-Soldaten" und 700 militärische oder zivile IT-Administratoren, zudem gibt es Plätze in IT-Studiengängen. Das Problem ist, wie bei den anderen Jobs auch in der Bundeswehr, Menschen überhaupt dafür gewinnen zu können, in die Berufsarmee einzutreten und sich den hier weiterhin gebräuchlichen Verhaltensnormen und Hierarchien anzupassen. Die Bundeswehr verkündet, neue Umfragen hätten ergeben, "dass das Image des Soldatenberufs im letzten Jahr deutlich gestiegen ist".
Um eine Abteilung "Cyber- und Informationsraum" im Ministerium aufzubauen, was nach Informationen des Spiegel ab 1. Oktober mit 130 Mann oder Frauen erfolgen soll, beruft die Verteidigungsministerin einen Manager aus der Privatwirtschaft. ThyssenKrupp-Manager Klaus-Hardy Mühleck, ein Elektrotechniker und derzeit Chief Information Officer, ist der Auserwählte, der die Bundeswehr umstrukturieren und cyberfit machen soll, da ein "Fähigkeitszuwachs für Cyber-Operationen" notwendig sei. 2017 soll dann ein General übernehmen, wobei das Kommando dann auf 300 Mann/Frau aufgestockt sein soll, die Abteilung soll 13.500 Soldaten umfassen.
Schwierigkeiten hat damit auch das Pentagon, auch andere Armeen tun sich schwer, mit der Privatwirtschaft und den Menschen, die militärische Disziplin nicht schätzen, zu konkurrieren. Man überlegt, wie man die Arbeitsverhältnisse und vor allem die Einstellungsvoraussetzungen verändern könnte. IT-Experten sind nicht immer so körperlich fit, dass sie die Eignungstests bestehen. Möglicherweise sind sie auch zu dick. Das ist zwar völlig egal, wenn sie vor dem Computer sitzend arbeiten bzw. kämpfen, aber dazu müssten "IT-Soldaten" anders eingestuft werden. Aber auch für sie ist der Basis-Fitness-Test (BFT) noch vorgesehen.
Die Bundeswehr versucht indes, die Tätigkeit aufzuwerten. Jetzt wird nicht mehr nur Deutschland in Afghanistan oder in Mail oder wo auch immer geografisch verteidigt, sondern, so der Slogan: "Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt". Und die Bundeswehr hat von den Werbeexperten noch den Rat bekommen, die Tätigkeit als Soldat gegenüber allem anderen, was man so vor den Bildschirmen und jenseits von ihnen im wirklichen Leben und wohl auch auf der politischen Bühne machen kann, zu überbieten: "Mach, was wirklich zählt". Als wirklich zählt nun nicht nur, mit Waffen Deutschlands Freiheit im Ausland zu verteidigen bzw. auserkorene Feinde zu bekämpfen, sondern eben auch das Wirken im Cyberraum, also im Virtuellen: "LAN-Party statt Lagerfeuer". Da werden die Computerspielkids gleich mitgeadelt, die nun wissen, dass sie trainieren, was wirklich zählt.
Die Bundeswehr will jedoch Optimismus verbreiten. So meldet sie euphorisch: "Für Schülerinnen und Schüler ist die Bundeswehr bereits einer der beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands, für Ingenieure ist sie auf dem Weg dahin: Erstmals rangiert die Bundeswehr im trendence Graduate Barometer 2016 unter den beliebtesten 30 Arbeitgebern Deutschlands im Technikbereich." Man habe, so hieß es in einer Mitteilung im März, 2015 von 105.000 Bewerbern "rund 25.000 Männer und Frauen eingestellt".
Das klingt so, als wäre die Bundeswehr überrannt. Das ist aber ein falscher Eindruck: "In den Streitkräften sind aktuell (Stand Dezember 2015) lediglich rund 177.000 der vorgesehenen 185.000 Stellen besetzt. Und der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages konstatiert in seinem aktuellen Bericht: "Die Bundeswehr hat trotz intensiver Anstrengungen bei der Personalgewinnung erhebliche bis alarmierende Personalprobleme in einigen Verwendungsbereichen und Laufbahnen", schrieb Andreas Fölsing auf Telepolis vor kurzem (Die Bundeswehr auf Personalsuche). 185.000 sind vorgesehen, die Verteidigungsministerin sprach angesichts vermehrter Einsätze im Ausland auch von einer Erhöhung des Planziels, beispielsweise von 5.000 mehr (Die Bundeswehr soll wegen der Auslandseinsätze größer werden). Man denkt daher nicht nur bei der AfD über die Wiedereinführung der Wehrpflicht nach - oder auch darüber, dass auch Nicht-Deutsche als Soldaten dienen könnten.
Die neuesten Zahlen über die Personalstärke der Bundeswehr machen jedenfalls klar, dass es erst einmal mit dem attraktiven Arbeitgeber nicht aufwärts geht. Ob daran die Anforderungsbedingungen der Bundeswehr, inklusive Fitness, oder die Unlust oder die Qualität derjenigen verantwortlich sind, die sich überhaupt bewerben, geht daraus nicht hervor. Feststeht jedenfalls, dass nun nach Angaben der Bundeswehr nur 177.077 dort aktiv beschäftigt sind. Die Zahl der "Digitalen Kräfte" geht daraus auch nicht hervor. Es fehlen offenbar mindestens 8000 Soldaten.
Thomas Wiegold macht schon lange darauf aufmerksam, dass die Bundeswehr zwar regelmäßig die Personalstärke meldet, aber verhindert, dass man die Entwicklung nachvollziehen kann. Das dürfte einen Grund haben, denn wenn es stets aufwärts ginge, wäre es eher dumm, die vorhergehenden Zahlen zu löschen. Nur gut, dass Wiegold die Zahlen sammelt. Von ihm wissen wir, dass die Personalstärke kontinuierlich zurückgeht. Im Februar betrug die Personalstärke noch 178.171. Gut, könnte man sagen, geringfügig weniger. Im Januar waren es 178.573 Soldaten, mehr als im Dezember 2015. Aber jenseits solcher Schwankungen ist die Personalstärke von Januar 2013 bis Ende Dezember 2015 um 14.800 Soldatinnen und Soldaten geschrumpft.
Ob sie nun mit einem ThyssenKrupp-Manager mit der Verteidigung im Cyberraum steigen wird, darf bezweifelt werden, zumal beim Fußvolk, das nach Mali oder Afghanistan oder vielleicht bald auch Libyen geschickt wird. Heroisch sind möglicherweise eher diejenigen, die als Dschihadisten nach Syrien oder Libyen ziehen.