Peter Arnett fällt in Ungnade

Wegen eines Interviews, das er dem irakischen Fernsehen gegeben hatte, wurde der ehemalige Starreporter von CNN nun vom US-Sender MSNBC gefeuert, für den er aus Bagdad berichtet hatte

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Zorn regt sich in der rechten, auf Kriegskurs gestimmten Szene der USA. Inmitten der USA hat sich ein "Sprachrohr des Feindes" gemeldet. Der "nützliche Idiot" Peter Arnett, der im ersten Krieg den Irak aus Bagdad berichtet und damit für einen durchschlagenden Erfolg für CNN gesorgt hat, gab jetzt dem irakischen Staatsfernsehen ein Interview, in dem er erzählte, dass der erste Angriffsplan der Alliierten gescheitert sei.

Peter Arnett hat 1966 wegen seiner Berichterstattung während des Vietnamkriegs den Pulitzerpreis erhalten. Für seine Berichte und Bilder aus dem Al-Rashid-Hotel in Bagdad - er war 1991 der einzige westliche Reporter - wurde er zwar weltweit bekannt, aber er machte sich schon damals nicht bei der US-Regierung beliebt, weil er auch über die Opfer der Angriffe berichtete, beispielsweise über die Bombardierung einer Fabrik zur Herstellung von Babymilch, die vom US-Militär aber als Fabrik zur Herstellung biologischer Waffen bezeichnet wurde.

Operation Tailwind und der Knick in der Karriere

Unter Beschuss kam Arnett 1998 wegen der Dokumentation "Valley of Death" über die "Operation Tailwind", bei der amerikanische Spezialeinheiten 1970 heimlich nach Laos eingedrungen waren. Angeblich sei damals auch Saringas verwendet worden, um desertierte amerikanische Soldaten, die von Vietnam nach Laos geflohen waren, zu töten. In der Dokumentation gab es Interviews mit Mitglieder der Spezialtruppen, anonyme Statements von Militärs und Geheimdienstlern, die Aussagen von Captain Bill McCarley, dem Kommandanten von "Operation Tailwaind", und eine Diskussion mit dem Admiral Thomas Moorer, dem damaligen Kommandanten.

Der Bericht stieß auf heftige Kritik, CNN geriet unter großen Druck, das Pentagon und viele Militärs, u.a. auch Colin Powell und Henry Kissinger, verlangten seinen Rücktritt. Schnell entschuldigte sich CNN öffentlich, bedauerte die Ausstrahlung, zog die Dokumentation zurück und entließ alle Mitarbeiter, die an der Dokumentation beteiligt waren, aber an der Wahrheit des Gezeigten festhielten. Während des Kosovo-Krieges durfte Arnett schon nicht mehr in CNN auftreten. CNN verwandelte sich mit dem neuen Star Christiane Amanpour einen eher Pentagon-freundlichen und patriotischen Sender, was er auch heute noch ist. 1999 wurde schließlich Arnett gefeuert, obgleich der Film vor seiner Aussendung von CNN überprüft worden war. Später ergab dann angeblich eine interne Überprüfung, dass die Aussagen des Films nicht zu halten seien. Moorer wurde als senil dargestellt, McCarley stritt alles wieder ab. Das Pentagon leugnete alle Vorwürfe.

Der Fehltritt in Kriegszeiten

Dass Peter Arnett den Kriegskurs der Bush-Regierung nicht unterstützte, machte er schon länger deutlich. Für MSNBC, NBC und National Geographic konnte Arnett schon vor dem Beginn des Kriegs wieder aus Bagdad berichten, beispielsweise in Form eines Videotagebuches, nachdem die NBC-Reporter von der Redaktion aus Bagdad abgezogen worden waren.

Dann aber gab er dem irakischen Fernsehen ein Interview und sagte, dass Nationalismus und Widerstand als Reaktion auf die Bombardierung durch die Alliierten zu nehmen. Die Truppen würden sich vielleicht eine Woche zurückhalten, um sich zu reorganisieren und einen neuen Kriegsplan auszuarbeiten. "Der erste Kriegsplan ist aufgrund des irakischen Widerstands gescheitert. Nun versuchen sie einen neuen Kriegsplan zu schreiben." Die amerikanischen Kriegspläne, so Arnett weiter, hätten den "entschlossenen Widerstand der irakischen Streitkräfte" nicht einbezogen.

Auch in den USA nehme die Kritik am Krieg zu: "Unsere Berichte über zivile Opfer, über den Widerstand der irakischen Truppen gehen zurück in die USA. Das unterstützt diejenigen, die sich dem Krieg entgegen setzen." Er machte deutlich, dass Berichte über zivile Opfer für die US-Regierung im ersten Krieg und jetzt besonders erwünscht seien. Der Tod von Zivilisten im Krieg sei der schwächste Punkt der Kriegsstrategie. Und er schmeichelte sich bei den Irakern ein wenig ein. Er sei immer freundlich von den Menschen empfangen worden, während das Informationsministerium kooperativ gewesen sei.

Auch wenn in diese Äußerungen nicht falsch sind, so war es offenbar falsch, dass Arnett sie in einem Interview für das irakische Staatsfernsehen gemacht hat, dem er nach einer Pressekonferenz die Möglichkeit dafür eingeräumt hatte. Ähnliches hatten er und andere Journalisten auch in anderen Sendern gesagt. Daher versuchte man bei NBC am Sonntag zunächst, Arnett gegen die Angriffe zu verteidigen. Er habe das Interview nur spontan und aus "professioneller Höflichkeit" gegeben, seine Äußerungen seien lediglich "analytischer Natur" gewesen und hätten nichts anders intendiert. Arnett selbst suchte sich zu entschuldigen, um seinen Job zu behalten: "Ich möchte mich bei den amerikanischen Menschen für die offensichtliche Fehlentscheidung entschuldigen." Er fügte allerdings hinzu: "Ich sagte am Wochenende nur, was wir alle über den Krieg wissen."

Das aber half wohl alles nichts. Um Schaden in Kriegszeiten für die Berichte von der Front vom Sender zu wenden und um nicht Zuschauer zu verlieren, wurde Arnett heute von NBC gefeuert. Es sei falsch gewesen, dem irakischen Fernsehen überhaupt ein Interview zu geben - "besonders in Kriegszeiten" -, überdies sei es falsch gewesen, so Neal Shapiro, der Präsident von NBC News, "seine persönlichen Beobachtungen und Meinungen in diesem Interview zu äußern". Auch National Geographic beendete mit denselben Worten die Zusammenarbeit mit Arnett.

Das ist natürlich ein Erfolg für die konservativen Kriegsbefürworter. NewsMax fordert denn auch gleich, nach dem Idioten Arnett auch gleich den "nützlichen Idioten Dan Rather zu feuern, weil er Propaganda für den völkermordenden Diktator Saddam Hussein" gemacht habe. Rather hatte für CBS Saddam Hussein vor dem Kriegsbeginn interviewt. Auch bei World Net Daily rechnet man nun einmal wieder mit dem "linken Fantasten" und "Sprachrohr des Feindes" ab: "Peter Arnett is broadcasting his special brand of ego-driven, anti-American rhetoric from Baghdad once again, having been rehabilitated from his ashes and sackcloth by the "green"-driven National Geographic, and now seconded to the National Broadcasting Corporation."