Pflegenotstand
Politisch verursacht – politisch unlösbar
Abstract: Der Wirkungsgrad von Politik ist negativ, d.h. sie erzeugt mehr Probleme als sie löst, und die von ihr gelösten Probleme sind in der Regel zuvor von ihr selbst erzeugt. Die Begründung der These wird am Beispiel des "Pflegenotstandes" ausgeführt. Es beginnt mit einer Beschreibung des Ist-Zustandes, hinsichtlich Zahl, Einkommen und Wertschätzung von Pflegekräften.
Alle drei Indikatoren sind im Wert deutlich zu niedrig - und das bei deutlich zu hoher Arbeitsbelastung. Nach einhelliger Meinung der Experten wird sich an diesem Missverhältnis in den nächsten Jahren nichts ändern. Die Folge für die Pflegebedürftigen: Sie können weiterhin nicht angemessen versorgt werden. Eine Schande in einem der reichsten Länder der Erde, das sich in Art. 20 GG "sozialer Bundesstaat" nennt.
Nach der Beschreibung des Ist-Zustandes wird der Verursacher detektiert: die Politik. Inzwischen zwar aus dem Schlaf erwacht, hat die politische Klasse den desolaten Zustand nicht nur verursacht, sondern ist auch unfähig, ihn zu beseitigen. Grund ist ein Systemfehler: Es fehlt der Zusammenhang von prospektivem Denken und prophylaktischem Handeln. Deshalb sehe ich auf absehbare Zeit nur eine Möglichkeit, das Problem "Pflegenotstand" zumindest zu entschärfen: mit privatem Engagement im Schutzraum der Familie. Dass und wie dies möglich ist, skizziere ich anhand von vier Regeln, im Sinne von praktischen Empfehlungen für pflegende Familienangehörige.
Wichtig ist: Meine Ausführungen basieren nicht auf den üblichen "Recherchen", sondern auf eigener Erfahrung: Ich habe meine Mutter fünf Jahre lang zu Hause bis zu ihrem letzten Atemzug im 98. Lebensjahr gepflegt.
Der desolate Ist-Zustand
Ausgelöst wurde er durch den demographischen Wandel: Die Menschen wurden immer älter (nicht zuletzt wegen des medizinischen Fortschritts), und infolge davon nahm die Zahl der Alten zu. Seit Jahrzehnten bekannt, wären Maßnahmen zur Aufstockung des Pflegepersonals ein dringendes politisches Erfordernis gewesen. Geschehen ist nichts, bis heute.
Kritik an diesem Mangelzustand kommt inzwischen auch aus der Politik selbst. So weist der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, im August 2020 eindringlich auf die "Personalnot" hin, die weiter zunehmen werde, wenn sich die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte nicht signifikant verbessern.
Dem viel zu späten warnenden Appell des staatlichen Pflegebeauftragten vorausgegangen war noch vor Kurzem eine Unverschämtheit der Politik, nämlich der durchsichtige Versuch, die durch Corona dramatisch verschärfte Lage billig, d.h. nur durch lobende Worte, aus der Welt zu reden. So wurden Pflegekräfte - sogar von höchster staatlicher Stelle, von Bundespräsident Steinmeier - kostenneutral zu "Helden" erklärt. In den Worten von Westerfellhaus: "Die Pflegekräfte sind zu Beginn der Corona-Krise hochgejubelt und für systemrelevant erklärt worden."
Passiert ist aber zunächst einmal wieder nichts (außer dem Versprechen einer einmaligen Prämie). Anders gesagt: Es gab wie so oft gleichermaßen hilflose wie rhetorisch geschliffene Kommunikation anstatt reale Problemlösung.
Was die Verbesserung der Arbeitsbedingungen betrifft, insbesondere durch Aufstockung des Personals, so ist - selbst wenn die Politik guten Willens wäre - nach einhelliger Meinung kein Land in Sicht: "Der Arbeitsmarkt ist quasi leer gefegt", so Peter Tackenberg, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe. Heldennachschub ist somit nicht möglich. M.a.W.: Weiterhin muss das vorhandene Personal eine immer größer werdende Zahl von Pflegebedürftigen betreuen.
Wie dramatisch schlecht die Lage ist, zeigt einmal mehr dieses Defizit: Selbst wenn die zurzeit 40.000 unbesetzten Stellen besetzt werden könnten - was aber nicht der Fall ist - , wäre das wegen der weiter zunehmenden Anzahl von Pflegebedürftigen keine befriedigende Lösung des Problems (Nach Berechnungen von Verdi aus dem Jahr 2017 fehlen in Krankenhäusern 162 000 Vollzeitstellen, davon 70 000 für Pflegekräfte. Inzwischen wurden die Zahlen nach oben korrigiert, auf über 200 000).
Stellt sich die Frage: Warum gibt es die vom Pflegebeauftragten der Bundesregierung monierte "Personalnot"? Der vielleicht wichtigste Grund dürfte die schlechte Bezahlung sein. Obwohl bekannt und nachvollziehbar, fiel auch die letzte Erhöhung des Tariflohns im Oktober 2020 - das sich unter Corona noch einmal verschärfende Problem direkt vor Augen - eher bescheiden aus, jedenfalls gemessen an den hohen fachlichen, körperlichen und seelischen Anforderungen an diesen Beruf.
Zwei Beispiele: Eine 31-jährige Pflegekraft mit sieben Jahren Berufserfahrung verdient zurzeit ca. 3.337 Euro brutto im Monat. Nach dem jüngsten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst wird dieses Gehalt ab dem 1. April 2021 auf monatlich 3.457 Euro brutto erhöht, also 120 Euro brutto mehr im Monat. Beispiel 2: Eine Intensivpflegerin in gesundheitlich belastender Wechselschicht und mit 25 Jahren Berufserfahrung verdient zurzeit ca. 3.850 Euro brutto im Monat.
Ab dem 1. April 2021 wird dieses Gehalt auf 4.075 Euro erhöht, also 225 Euro brutto mehr im Monat. Beide gehören mit ihrer jeweiligen Gehaltshöhe zu den "Gutverdienenden" in ihrem Beruf; denn der Durchschnitt beträgt lt. Institut der deutschen Wirtschaft nur 2.621 Euro im Monat - und in vielen Fällen werden in der Altenpflege sogar weniger als 2.500 Euro brutto bezahlt. Was wäre angemessen?
Nach Meinung des Präsidenten der rheinland-pfälzischen Landespflegekammer, Markus Mai: "Wir müssen zu einem Mindestgehalt für alle Pflegefachpersonen von 4.000 Euro kommen." Unabhängig von der Berechtigung dieser Forderung steht fest: Sie wird über viele weitere Jahre unerfüllt bleiben.
Somit werden die "Personalnot" im Besonderen und der unhaltbare Ist-Zustand im Allgemeinen perpetuiert. Unhaltbar heißt: Zu wenig und deshalb überforderte wie auch zu schlecht bezahlte und deshalb unzufriedene Pflegekräfte. Erschwerend hinzu kommt: Es handelt sich um ein Doppelproblem, weil nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch die Pflegebedürftigen darunter zu leiden haben.
Das durch Personalnot entstandene Leiden der Pflegebedürftigen ist erheblich und sein Spektrum lt. ZQP (Zentrum für Qualität in der Pflege) breit: Anwendung von Gewalt, Freiheitsbeschränkungen (z.B. durch Anschnallen), unsachgemäße medizinische und/oder unzureichende hygienische Versorgung, Bevormundung etc. Somit ist Art. 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" in vielen Fällen außer Kraft gesetzt.
Noch einmal: Das Problem "Personalnot" als zwingende Folge des demografischen Wandels ist der Politik seit Langem bekannt. Unternommen hat sie nichts. Juristisch heißt diese Begehungsart "Tun durch Unterlassen". Auf das Pflegethema angewendet: Die Politik hat es schon vor Jahren versäumt, Pflegeberufe in der gesellschaftlichen Anerkennung aufzuwerten, auch durch bessere Bezahlung.
Dieses Versäumnis hat ursächlich dazu geführt, dass eine zu geringe Zahl von Jugendlichen sich entschieden hat, den Pflegeberuf zu erlernen. "Personalnot" war die Folge. Somit hat die Politik das Problem "Pflegenotstand" selbst erzeugt, und nun versucht sie, das selbst erzeugte Problem mit mutmaßlich untauglichen Mitteln zu lösen.
Der "Pflegenotstand" als Folge von "Tun durch Unterlassen" ist sträfliches politisches Versagen. Es verwundert um so mehr, als die Politik selbst - im Unterschied zu den Pflegeberufen - keineswegs unter "Personalnot" leidet: Alleine das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien verfügen nicht nur über mehr als 20.000 eigene Mitarbeiter, sondern nehmen in speziellen fachlichen Angelegenheiten zusätzlich externe Berater mit einem Gesamtetat von mehreren hundert Millionen Euro im Jahr in Anspruch (z.B. wurden bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2019 über 300 Millionen Euro an solche Berater bezahlt).
Auch beim Versuch, das Problem "Pflegenotstand" zu lösen, dürften Heerscharen von externen Beratern eingeschaltet sein. In dieser Melange aus fachlich unterbelichteten Politikern und pekuniär gierigen Beratern sind in letzter Zeit viele Lösungsvorschläge gemacht worden. Zwei Untaugliche möchte ich nennen.
Retter in der Not: Ferne Länder und Roboter
Erster Lösungsvorschlag: Fachkräfte aus dem Ausland. Sie sollen die Personallücke schließen. Insbesondere Mexico und die Philippinen sind im Visier. Der Gesundheitsminister höchstselbst war in dieser Angelegenheit vor Ort, aber nicht um Lernwillige, sondern um bereits ausgebildete Fachkräfte anzuwerben. Einmal abgesehen davon, dass in der Regel bis zu zwei Jahre von der Beantragung eines Visums im Heimatland bis zur Aufnahme der Arbeit in Deutschland vergehen, wird zweierlei übersehen.
Erstens geht es bei Pflegekräften nicht nur um fachliche, sondern auch um soziale Kompetenz, in besonders hohem Maß bei alten oder dementen Pflegebedürftigen. Und bekanntlich wird soziale Kompetenz nicht zuletzt durch Sprache in ihren drei Funktionen (Bezeichnung, Handlungskoordinierung und Herstellung eines Gemeinschaftsgefühls) ausgeübt, über die ausländische Fachkräfte in der Regel nur unzureichend verfügen.
Und zweitens hat das Anwerben von Pflegekräften in Ländern der Dritten Welt einen schalen Beigeschmack: Da sie bereits in ihrem Heimatland ausgebildet wurden, trägt Deutschland keine eigenen Ausbildungskosten, sondern erntet nur die Früchte fremder Leistung. Hinzu kommt: Deutschland entzieht diesen Ländern in den dortigen Krankenhäusern und Altenheimen dringend benötigtes Fachpersonal, Länder, die wie die Philippinen bitterarm sind und den Nachschub für den eigenen Bedarf dann wieder neu und selbst finanzieren müssen.
Anders gesagt: Der Abzug der Fachkräfte zu unseren Gunsten führt in den Entwicklungsländern zu einer Verschlechterung der Lage der dortigen Alten. Ein Nullsummenspiel allenfalls. Es erinnert an den FC Bayern München, der von Borussia Dortmund ausgebildete Spieler mit Geld weggelockt und die Borussia personell und in der Spielqualität ausgezehrt hat.
Abgesehen davon, dass die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte wegen Corona ohnehin inzwischen ganz zum Erliegen gekommen ist, entscheidend ist letztendlich nur dies: Das Problem "Pflegenotstand" lösen wird auch diese Maßnahme nicht. Der Bedarf ist viel zu groß! Kopflose politische Aktivität, die den "Pflegenotstand" nicht beseitigt, ein Notstand, den längst alle Bereiche zu spüren bekommen.
Sogar die Intensivstationen von Kliniken sind betroffen. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat nämlich mehr als die Hälfte der Kliniken Probleme, offene Pflegestellen in diesen Stationen zu besetzen. "Corona hat uns alle überrascht" ist eine fadenscheinige politische Ausrede, denn die Angabe der Deutschen Krankenhausgesellschaft stammt aus der Vor-Corona-Zeit. Notstand seit Langem und überall, auch auf den Intensivstationen. Armes reiches Deutschland!
Zweiter Lösungsvorschlag: Pflegekraft Roboter. Die "Personalnot" in Krankenhäusern und Altenheimen ist alleine mit menschlichen Pflegekräften nicht einmal mittelfristig zu beseitigen. Die Empfehlung der Politik: Roboter sollen die Lücke schließen. Ein (relativ) neuer Vorschlag, der immerhin auf eine längere Vorgeschichte dieser Technik verweisen kann. Da die Robotik schon seit den 1950er Jahren als Teilgebiet der KI und somit über Jahrzehnte weiterentwickelt worden ist, beginnt diese Technik nicht bei einer Stunde Null.
Hinzu kommt: Die Maßnahme passt in die zurzeit hektisch betriebene Digitalisierung des gesamten Lebens, modern also. Und wie immer gibt es wissenschaftliche Legitimation der Maßnahme durch "Studien": Schon jetzt sollen zwei von fünf Bundesbürgern ab 65 einer Digitalisierung im Leben von Alten positiv gegenüberstehen (die restlichen drei von fünf sind ja wohl noch zu überzeugen, und wenn nicht, dann handelt es sich um "Fortschrittsverweigerer"). Und wie immer ist schnell ein wohlklingender neuer Begriff zur Stelle: "Soziale digitale Assistenzsysteme". Besonders das Attribut "sozial" soll die Skeptiker beruhigen.
Was sind "soziale digitale Assistenzsysteme"? Ich fasse den Medizinethiker und Philosophen Joschka Haltaufderheide so zusammen: Unter dem Begriff sind drei unterschiedliche Pflegefunktionen gemeint: Erstens Systeme, die physische Aufgaben übernehmen (z.B. Roboter, die Alte aus dem Bett heben), zweitens Systeme, die kognitiv assistieren (z.B. Alte an ihre Tabletteneinnahme erinnern) und drittens Systeme, die auf emotionale Bedürfnisse von alten Menschen eingehen (z.B. elektronische Haustiere oder Roboter, die über Witze lachen, die ein alter Mensch erzählt). Diese auf emotionale Bedürfnisse programmierten Roboter können ihre Kompetenz in Emotionen z.B. durch "aufgeklebte lustige Augen" verstärken und insgesamt durch ein möglichst menschlich anmutendes Gesicht mit entsprechender Mimik augenfällig machen.
Meine Bewertung: Selbstverständlich ist es grundsätzlich sinnvoll, Roboter zu bauen und z.B. da einzusetzen, wo sie menschlichen Pflegekräften etwa schwere und gesundheitsschädliche Hebefunktionen abnehmen können. Das Problem: Roboter, die eigenständig und ohne Gefahr einen alten Menschen aus dem Bett heben können, gibt es noch nicht und wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Der Grund: Bei einem solchen Hebevorgang sind sehr komplexe und vor Allem überraschungsreiche Bewegungsabläufe zu beherrschen, die heutige Roboter völlig überfordern.
Und selbst bei weniger anspruchsvollen Aufgaben sind die Grenzen der Robotik noch immer sehr eng. In den Worten von Till Reuter (Vorstand beim international renommierten und inzwischen an eine chinesische Firma verkauften Roboterbauer Kuka): Die Grenzen von Robotern sind schon dann erreicht, wenn es darum geht, "verschiedene Objekte bei unterschiedlicher Beleuchtung oder mit schmutziger Oberfläche zu erkennen".
Bei alledem das Wichtigste: Jetzt (!!) ist dringender Handlungsbedarf! Und jetzt (!!) gibt es keine Roboter, die einen sich wehrenden Pflegebedürftigen vorsichtig und begleitet von gutem und beruhigendem Zureden aus dem Bett heben und auf einen Toilettenstuhl setzen können.
Und was die kognitiven Systeme betrifft: Das hake ich an dieser Stelle zunächst einmal schnell ab: Selbstverständlich ist es hilfreich, wenn ein digitales System z.B. einen vergesslichen Menschen an die Einnahme seiner Tabletten erinnert. An dieser Stelle kann Personalnot digital gut kompensiert werden (obwohl auch hier mehr Einzelheiten zu behandeln wären).
Ganz anders dagegen sieht es beim dritten Anwendungsbereich von "sozialen digitalen Assistenzsystemen" aus: bei emotionalen Bedürfnissen nämlich. Ist die zufriedenstellende Ersetzung von physischen Funktionen wohl prinzipiell möglich und ihre Verbesserung nur eine Frage der Zeit, so gibt es bei der Befriedigung emotionaler Bedürfnisse prinzipiell unlösbare und darüber hinaus ethisch gravierende Probleme.
In Erwartung dieser Problematik schränkt der o.g. Medizinethiker Haltaufderheide zu Recht ein, dass in diesem Anwendungsbereich Pflegebedürftige in der Lage sein müssen, die künstliche Natur z.B. eines lachenden Roboters zu durchschauen: "Er darf nicht Gefahr laufen, getäuscht zu werden." Bei den meisten Pflegebedürftigen in einem Altenheim dürfte genau dieses Erfordernis nicht erfüllt sein. Und es gibt weitere wesentliche Einschränkungen.
Ein wesentliches Merkmal sozialer Kompetenz ist die Fähigkeit, mit einem Dritten Mitleid haben zu können. Nun ist Mitleid bekanntlich keine Rechenaufgabe, sondern ein Gefühl. Und schon ist mit Blick auf die Erfüllung von Pflegefunktionen bei Robotern das Ende der Fahnenstange erreicht. Denn Gefühle haben Roboter prinzipiell nicht, also auch nicht unter Berücksichtigung des zukünftigen Fortschritts.
Der Grund ist einfach: Gefühle basieren notwendig auf biologischen Voraussetzungen (siehe z.B. das limbische System in unserem Gehirn), Voraussetzungen, über die Roboter wegen ihrer komplett biofreien materiellen Beschaffenheit prinzipiell nicht verfügen. Das digital unlösbare Problem an einem Beispiel: Ein Roboter kann zwar sagen "Ich habe Angst", aber er kann keine Angst haben.
Wer den Unterschied leugnet, macht nicht zuletzt den Fehler einer animistischen Projektion in tote Materie. Zwischen "sagen" und "haben" besteht also ein wichtiger Unterschied (auch Heiratsschwindler nutzen in betrügerischer Absicht die Aufhebung dieses Unterschiedes schamlos aus). Das technisch bestimmte Mensch-Maschine-Verhältnis ist unter der Anforderung soziale Kompetenz in der Regel somit eines der Täuschung, in dem Menschen, zumal alte, an der Nase herumgeführt und in ihrer Würde nicht ernst genommen werden.
Mehr noch: Wird ein dialogstark ausgerüsteter Roboter zur Interaktion mit alten Menschen gebracht, dann trägt das schnell pathologische oder gar menschenverachtende Züge. Gerade bei solchen, die an Demenz erkrankt sind, ist das Risiko groß. In vielerlei Hinsicht. So ist im Extremfall nicht auszuschließen, dass der Erkrankte Sätze des Roboters wie "Ich liebe Dich" ernst, d.h. menschengleich nimmt.
Die Wahrscheinlichkeit solcher Verirrungen wächst mit der zunehmenden Menschenähnlichkeit der Robotergestalt, an deren Verbesserung zurzeit mit Nachdruck gearbeitet wird. Nicht auszuschließen ist, dass auf völlig illusionärer Basis gar Liebesbeziehungen zwischen Mensch und Maschine entstehen, die auf der Seite des alten Menschen ernst gemeint und im Gefühl der Liebe tatsächlich auch empfunden werden.
Hinzu kommt: Der Teil der Pflegebedürftigen, der Technik dieser Art durchschaut und ihr nicht auf den Leim geht, ist in der Regel in einem körperlichen und geistigen Zustand, der den Einsatz z.B. von lachenden Robotern nicht benötigt, weil sich die fitten Alten mit Menschen austauschen (face to face oder telefonisch) und mit anderen Menschen über einen Witz lachen können.
Mutmaßlich gibt es nur einen ganz kleinen Teil von Pflegebedürftigen, die für den sinnvollen Einsatz einer solchen Technik im emotionalen Bereich in Frage kommen. Anders gesagt: Mit Blick auf das gewaltige Problem "Pflegenotstand" sind lachende Roboter nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Alles in Allem: Ich halte den Einsatz von Robotern im Pflegebereich weitgehend für einen gleichermaßen untauglichen wie gefährlichen Versuch, politische Altlasten (= Versäumnisse aus der Vergangenheit) verantwortungslos zu entsorgen. Ich komme jetzt zu ein paar Vorschlägen, wie das Problem "Pflegenotstand" im Schutzraum der Familie etwas entschärft werden kann.
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