Pipelineträume in Rabat

Bild: shannonpatrick17/CC BY-2.0

Afrika-Atlantik-Pipeline soll Erdgas von Nigeria nach Marokko befördern - der eigentliche Bestimmungsort ist Europa

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Eine Vereinbarung des Projekts wurde bereits im vergangenen Dezember 2016 während eines Besuchs des marokkanischen Königs Mohammed VI. in der nigerianischen Hauptstadt Abudscha unterzeichnet und im Mai 2017 bei einem Treffen in Rabat erweitert.

Die Staatsfonds beider Länder sollen den Bau der Pipeline vorantreiben. Die soll entlang der westafrikanischen Küste von Nigeria nach Marokko führen - insgesamt über mehr als 6000 Kilometer. Entlang der Strecke liegende Küstenländer sollen von diesem Projekt profitieren: Benin, Togo, Ghana, die Elfenbeinküste, Liberia, Sierra Leone, Guinea, Guinea-Bissau, Gambia, Senegal und Mauretanien.

In Marokko soll mit dem Projekt der Energiemix diversifiziert und die Abhängigkeit von algerischem Gas zurückgefahren werden. Dafür will das Land die Zusammenarbeit mit Nigeria ankurbeln. An der ehemaligen Sklavenküste schlummern 30% der Gasreserven des Kontinents, die bisher jedoch als unternutzt gelten.

Neben der Ernährungssicherheit ist die Energiesicherheit ein wichtiges Ziel in Afrika. Die Nigeria-Marokko-Pipeline soll sich positiv auf das Leben von über 300 Millionen Einwohner in der Region auswirken, da sie die Elektrifizierungsprojekte in Westafrika beschleunigen und als Grundlage für die Schaffung eines wettbewerbsfähigen Elektrizitätsmarktes dienen soll, erklärte der marokkanische Außenminister Nasser Bourita im Mai 2017.

Mohammed VI., einer der reichsten Geschäftsmänner Afrikas, hatte die Pipeline bei seiner Rede zum Wiedereintritt Marokkos in die Afrikanische Union im Januar 2017 im äthiopischen Addis Abeba thematisiert. Marokko hatte die Afrikanische Union 1984 aus Protest verlassen, weil diese die Unabhängigkeit der Westsahara anerkannt hatte. Der marokkanische König bezeichnete die Gasleitung als Beispiel der neuen Rolle seines Landes als aktiver Gestalter auf dem Kontinent und einen Beitrag zur Sicherung von Stabilität und Frieden in der Region, der den Bevölkerungen der beteiligten Länder Entwicklung und Wohlstand bringen wird.

Die Afrikanische Union ist das geeignete Podium, um auf den eigentlichen Empfänger des geförderten Gases hinzuweisen: Europa. Die EU ist mit mehr als 80% des Budgets der wichtigste Beitragszahler der Kommission der Afrikanischen Union.

Europas zweitwichtigster Erdgaslieferant mit Schwierigkeiten

Nigeria und Marokko haben das Projekt initiert, nachdem ähnlich angelegte Kooperationsversuche vereitelt wurden - durch Algerien. Dort wird befürchtet, den Status als größter externer Gasversorger Europas gleich nach Russland zu verlieren, denn das westafrikanische Gas wird in Algier als Konkurrenz im Kampf um den europäischen Markt angesehen. 2013 lag der algerische Marktanteil noch bei 9%, Algeriens Ambition: Europas Russland im Süden zu werden.

Doch in Europa sieht man die weitere Entwicklung eher skeptisch, da sich die algerische Seite mit der Erschließung neuer Projekte schwer tut. Internationale Think Tanks warnen bereits davor, dass bei der aktuell sinkenden Förderung in Algerien gleichzeitig der Inlandsverbrauch von Gas auf dem Vormarsch ist. Die Exportkapazität sinkt stetig und könnte das Land zu einem unzuverlässigen Gaslieferanten machen. Daher werden der marokkanisch-nigerianischen Pipeline als dringend benötigte neue Gasquelle Europas auch trotz ihres abenteuerlichen Charakters durchaus einige Chancen für ihre Verwirklichung eingeräumt, die die Abhängigkeit Europas von russischem und algerischem Gas verringern könnte.