Pleite oder Milliardengeschäft?

Hörbücher werden in den USA immer populärer - Vertrieb per Internet

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Da soll noch einer sagen, Journalisten hätten keinen Sinn fürŽs Geschäft. Donald Katz wird die Ungläubigen eines besseren belehren. Denn der ehemalige Reporter, der früher als Freiberufler über den Terrorismus im Baskenland geschrieben hat, hat gerade einen Audio-Dienst aufgebaut, von dem Marktanalysten sagen: "Entweder es geht den Bach runter oder es wird ein Milliardengeschäft".

"Audible" heißt das hoffnungsvolle Startup-Unternehmen in Wayne/New Jersey am Stadtrand von New York City. Es könnte die Allzweckwaffe für alle genervten Autofahrer oder Jogger werden, die Musikhören als Zeitverschwendung betrachten und auf der Suche nach flexibel abrufbarer Information oder Literatur sind. Der Internet-Service bietet eine umfangreiche Palette elektronischer Hörware an, die mit jedem größeren Buchladen konkurrieren kann.

Und das geht so: Wer sich zum Beispiel den neuesten Roman von Frank McCourt, "Angelas Ashes", in Audioform zu Gemüte führen will, klickt auf der Webseite den Roman an, lädt sich die Software in einen kleinen Computer von der Größe eines Rasierapparates und schließt das Gerät entweder an sein Autoradio an oder setzt sich einen Kopfhörer auf die Ohren. Die Firma hat das dazugehörige Gerät gleich mitentwickelt. Zur Zeit kostet der Audible-Player 200 US-Dollar (330 Mark) und kann über das Internet bestellt werden.

Die Kosten für ein Hörbuch sind erstaunlich gering: Ein neu herausgekommener Roman kostet etwa zehn Dollar (16 Mark). Verfügbar sind über 5000 Titel, darunter zahlreiche Bestseller etwa von Stephen King oder John Grisham. Das Angebot im Sachbuchbereich konzentriert sich hauptsächlich auf Business, Selbsthilfe und Psychologie. So wird die Bestseller-Liste von Audible zur Zeit vom dem Roman "Midnight in the Garden of Good and Evil" (Autor: John Behrendt) angeführt, auf Rang zwei befindet sich der Beziehungs-Ratgeber "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus", gefolgt von einer Studie des Magazins "The Economist" über Electronic Commerce. Jeder, der eine Audio-Software auf seinem Computer geladen hat, kann sich einen kurzen Clip von allen angebotenen Audiobüchern anhören - allerdings sind alle Bücher ausschließlich auf Englisch.

Obwohl Audible noch ordentlich Verluste macht, könnte sich das Geschäft mit dem Vertrieb von Hörbüchern per Internet lohnen. Mitte der 80er Jahre kamen die ersten Audiobooks in den USA in Kassettenform in die Buchläden und haben sich als solche mittlerweile etabliert. 1997 wurden laut der American Audio Publishers Association rund zwei Milliarden US-Dollar (3,3 Mrd. Mark) für Audiobooks ausgegeben. Zum Vergleich: 1987 waren es noch 250 Millionen Dollar (400 Mio Mark).

Die meisten Audiobooks werden von den großen Verlagshäusern - Random House, Benthan Doubleday Dell, Time Warner, HarperCollins, Simon & Schuster - herausgegeben und kommen in der Regel zusammen mit der Printversion heraus. 68.000 Stück sind seit 1985 auf den Markt geworfen worden. Die meisten Verlage bringen jährlich rund 100 neue Titel in der Preislage zwischen 12 und 45 Dollar (ca. 16-55 Mark) heraus. Neben den großen Verlagshäusern engagieren sich auch andere Unternehmen im Bereich Audiobooks, darunter Universitäten (Cambridge, Harvard, Stanford), Fernsehsender (CBS Sports, CNBC) und Magazine ("The Economist").

Sogar einige Sendungen des öffentlichen Radiosenders NPR (National Public Radio) werden in Form von Kassetten vertrieben - allerdings nur dann, wenn eine entsprechende Hörernachfrage besteht. Im Angebot von Audible ist zum Beispiel der wöchentliche Publikumsrenner "Car Talk", wo Hörer über die Probleme mit ihren Autos berichten und einen "On-Air"-Reparaturvorschlag bekommen. Für die Macher von NPR ist dies der Versuch, neue Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Zwar wird bisher, nach Auskunft einer Produzentin, damit noch kein Vermögen gemacht. Immerhin habe man nach drei Jahren den Break-Even-Punkt erreicht.