Polarisierung der Politik und der Medien
USA: Republikaner und vor allem Trump-Anhänger trauen Medien und Journalisten nicht, aber die berechtigte Skepsis erlischt gegenüber Medien, die die "richtige" Meinung verbreiten
In den USA wird deutlich, dass Medien keine übergreifende Öffentlichkeit mehr schaffen, sondern Teil der sich polarisierenden Gesellschaft sind. In der gespaltenen politischen Landschaft der USA wird das besonders deutlich. Nach einer Pew-Umfrage sind die republikanischen Anhänger von Donald Trump, der sich mit pauschaler Medienkritik profiliert, extrem ablehnend gegenüber "den Nachrichtenmedien". Nur 16 Prozent der Anhänger der Republikaner sagen, Journalisten würden im besten Interesse der Öffentlichkeit handeln, was für 91 Prozent der Anhänger der Demokraten aber der Fall ist.
20 Prozent der Anhänger der Republikaner gestehen den Journalisten hohe ethische Maßstäbe zu. 30 Prozent sagen, die Presse würde im Interesse der Öffentlichkeit arbeiten. 40 Prozent der engeren Trump-Anhänger bescheinigen "den Journalisten" fehlende ethische Maßstäbe. Bei den Demokraten gehen 64 Prozent von hohen ethischen Maßstäben aus, 76 Prozent vertrauen den Journalisten. Zwar meinen auch nur 37 Prozent, dass die Nachrichtenmedien fair über alle berichten, bei den Republikanern sind es nur 12 Prozent. Und dann zweifeln an den Medien auch diejenigen stärker, die weniger Vertrauen in ihre Mitmenschen haben.
Dabei ist erschütternd, dass ausgerechnet die Medienskeptiker Medien bevorzugen, die noch sehr viel stärker und auch ganz ungeniert einseitig ausgerichtet sind, Fake News verbreiten, aggressive Stimmungen anstacheln und ideologische Interessen verfolgen. Gerechtfertigt wird dies dadurch, dass man angeblich unterdrückt wird. Dann können auch Milliardäre oder Oligarchen, die ihre Interessen mit der nationalen Politik vermischen, oder Massenmedien wie Fox News zu Vertretern der Alternative werden. Wenn die Meinung stimmt, ist die durchaus berechtigte Medienskepsis wie weggeblasen und wird auch den windigsten Argumenten und Behauptungen von Politikern oder Journalisten gefolgt.
Der Effekt ist, dass es nur noch heißt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das praktizieren nicht nur Trump und seine Anhänger, sondern auch seine Gegner, auch in den Medien, die Trump als Fake News bezeichnet. Alles, was sich nicht der Polarisierung fügt und seinen Lagerplatz einnimmt, also jeder Versuch eines übergreifenden Diskurses, wird dabei immer weiter auf die Seite gedrängt.
Allerdings ist die Fragestellung schon polarisierend. Pauschalisierend geht es um "die Journalisten" und "die Nachrichtenmedien", was schon suggeriert, dass es da eine Gemeinsamkeit gibt, was Ablehnung oder Vertrauen seltsam färbt. Haben wir Vertrauen in "die Nachrichtenmedien" mit einem Spektrum von Bild oder Compact über Spiegel, Süddeutsche und ARD bis hin zu junge welt, Junge Freiheit, RT? Eine absurde Frage, die nur zu absurden Ergebnissen führen kann. Wir haben wahrscheinlich auch nicht Vertrauen in alles, was einzelne Medien anbieten, sondern in einzelne Journalisten oder einzelne Berichte. Die Menschen rezipieren immer weniger Nachrichten in einem Paket von einem insgesamt als vertrauenswürdig geltenden Nachrichtenproduzenten, sondern stellen sich ihr Spektrum an Quellen selbst zusammen, soweit sie dies angesichts der Bezahlschranken machen können. Das macht es schwieriger, einer Marke zu vertrauen, man sieht sich eher bestätigt durch einzelne Personen (Influencer), die Informationen und Meinungen produzieren.
Der Anspruch, gewissenhaft zu versuchen, einen Einblick in Situationen und Entwicklungen zu gewinnen und so darzustellen, dass der Rezipient selbst mit seiner Urteilskraft die Schlüsse ziehen kann und muss, bleibt bei vielen Journalisten. Die Produktionsbedingungen machen dies auch ohne ideologische Gängelung schwierig. Nachrichten müssen schnell auf schwacher Quellenlage erzeugt und verbreitet werden, Personal und Löhne schrumpfen, der Druck steigt, dass auch einzelne Beiträge Quote bringen müssen, akzentuierte Meinung verkauft sich besser als gründliche Recherche, spektakuläre Reportagen (Relotius) besser als Erkundungen in komplexe Geflechte. Um neue Narrative durchzusetzen, müssen die etablierten ausgehebelt werden.
Das neue Barock: Suche nach der Gewissheit
Medien sollten eigentlich möglichst neutral, ohne Vorurteile und wahrheitsgetreu über das berichten, was in der Welt vor sich geht, und so eine Öffentlichkeit bzw. einen öffentlichen Diskurs schaffen, der auch zwischen Gesellschaft und Politik vermittelt. Das freilich ist ein Anspruch, der sich nur bedingt einlösen lässt, da nicht nur die Medien, vor allem die privatwirtschaftlichen selbst Interessen verfolgen, sondern sich auch Journalisten in einer bestimmten sozialen, wirtschaftlichen und ideologischen Nische befinden und aus ihrer Perspektive mit einer notwendig selektiven Auswahl von Informationen eine Wirklichkeit konstruieren.
Gleichwohl bleibt wahr, was der Soziologe Niklas Luhmann trotz aller Zersplitterung der Medienlandschaft und der sozialen Netzwerke sagte: "Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien." Dazu gehören auch das Internet und die Sozialen Netzwerke, die nur individueller informieren oder Irritationen schaffen. Fast alles, was wir wissen, wissen wir von Boten und gewissermaßen vom Hörensagen oder von Bildern, die auch immer unter dem Schein der Authentizität eine konstruierte Wirklichkeit liefern.
Seit einiger Zeit, wohl vor allem durch die Konkurrenz der traditionellen Massenmedien und der interaktiven Medien, ist die Autorität der traditionellen Massenmedien, wie Buch, Zeitung, Radio und Fernsehen, Informationen an Empfänger versenden, diesen aber nur eine marginale Antwortmöglichkeit bieten oder gewähren, eingebrochen. Das vor allem dadurch, dass die Rezipienten auch an andere Informationen selbst herankommen oder sich eben ungezählte Sender dazwischenschalten. Redaktionelle Medien konkurrieren mit zahlreichen anderen Informationsquellen bis hin zu Gruppen und Individuen, die weitgehend unreglementiert Nachrichten und Meinungen verbreiten.
Folge ist eine Unsicherheit oder ein fundamentaler Zweifel, wie sie schon einmal zur Neuzeit nach Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung des Lesens entstanden sind. Auch hier begann ein Drift weg vom Mainstream und zu neuen Ansätzen, Methoden und Darstellungen der Wahrheitsfindung. Bekannteste Beispiele sind die Reformation und der cartesianische Zweifelsgang. Heute sind wir noch nicht bei einem Wechsel, sondern stecken noch in der Skepsis oder der Verteidigung des Überkommenen fest.
Mit den digitalen Medien ist es einfacher, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen, die von der Ausrichtung der meisten größeren Medien abweicht und mit Bewegungen und Parteien verbunden ist, die sich gegen die angeblich herrschende Ideologie wenden. Das sind seit einiger Zeit nicht mehr die Linken oder Anarchisten, sondern die rechtspopulistischen, nationalen oder völkischen Bewegungen, die sich gegen herrschende Eliten und die Konformität des Etablierten wenden, auch wenn der vermeintliche Aufbruch rückwärtsgewandt ist, man will nicht in eine neue, erst ausgestaltbare Zukunft ziehen, sondern hängt am Untergehenden fest, das als eine Art Reenactment wieder hergestellt werden soll: die Reinheit des Volks, die Dominanz des Mannes, die Ideologie der Nation, der sich alles unterzuordnen hat, die Wiederherstellung vermeintlich alter Größe, die heroischen Gesten und die Lust an Riten als überindividuelle Ordnung oder Orientierung, die Unterordnung unter das Kollektiv etc.