Polen: Andrzej Duda gewinnt Präsidentschaftswahl mit Sozialversprechen

Das liberale Polen beginnt sich nun zu fürchten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Applaus in der ehemaligen Warschauer Festung Sokolnickiego der Komorowski-Getreuen hielt nach 22.30 lange an - trotz des Ergebnisses: Der Amtsinhaber Bronislaw Komorowski hatte die Stichwahl gegen den Herausforderer Andrzej Duda mit bislang 48 zu 52 Prozent der Stimmen verloren. Heute wird mit dem offiziellen Ergebnis gerechnet. Die Wahlbeteiligung lag mit 55 Prozent um sechs Prozent höher als beim ersten Durchgang.

Komorowski- Wahltorte. Bild: J. Mattern

Bronislaw Komorowski gratulierte zwar dem Gewinner, beschwerte sich aber über die "Wellen des Hasses, die meiner Meinung nach Polen gefährden", mit denen er konfrontiert wurde. Nun müsse man unbedingt die Parlamentswahlen im Herbst gewinnen. Das Klatschen am Sonntagabend war auch ein Mutmachen für die kommende Herausforderung.

Das nationalkonservative Milieu um die Partei des Herausforders Andrzej Dudas "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hat Komorowski als Präsidenten nie akzeptiert und ihm nie verziehen, dass er Präsident Lech Kaczynski "beerbte", der beim Flugzeugabsturz bei Smolensk 2010 ums Leben kam. Zudem erlebte Polen eine Internetkampagne gegen Komorowski, das Gros der Kirchen und der Gewerkschaften war gegen ihn eingestellt. Komorowski vermochte die sozialen Probleme vieler Polen nicht wirklich ernst zu nehmen: die ungenügenden Renten, das marode Gesundheitssystem, die Arbeitsmigration nach Westeuropa, die befristeten Arbeitsverträge, wegen derer junge Menschen sich nicht trauen, eine Familie zu gründen. Bronislaw Komorowskie segnete stets die Gesetzesvorlagen der Regierung ab, darunter die sehr umstrittene Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre.

Die Wahlhelfer Komorowskis wollten am Sonntag keine rechte Auskunft über die Gründe des Scheiterns geben: "Nun, weil die Leute so entschieden haben." Zwei meinten, dass Komorowski stellvertretend für die siebenhalbjährige Regierungspolitik der PO abgestraft wurde, zudem habe Duda sehr viel versprochen.

Wahlsieger Andrzej Duda. Bild: andrzejduda.pl

Der EU-Parlamentarier Andrzej Duda trat mit vielen sozialpolitischen Verheißungen an die "gewöhnlichen Polen" heran (Wahlkampf in Polen: "Wende zum Guten"). Der 43-Jährige punktete vor allem auf dem Land und im strukturschwachen Osten des Landes, den er im Wahlkampf ausgiebig bereist hatte. Der polnische Präsident verfügt über mehr Kompetenzen als der deutsche, er ist Oberhaupt der Streitkräfte im Verteidigungsfall, er darf das Land außenpolitisch vertreten (hier sind die Kompetenzen etwas unklar) und er kann Gesetzesvorlagen des Parlaments boykottieren. Doch wirklich politisch gestalten kann er kraft seines Amtes nicht.

Dazu muss die PiS die Parlamentswahlen im kommenden Herbst gewinnen. Dazu soll Jaroslaw Kaczynski wieder als Premier antreten, wie Duda Montag früh ankündigte. Kaczynski bestimmte zwischen 2005 und 2007 als Parteichef und Premier das Land und griff mit polizeistaatlichen Methoden seine politischen Gegner an. Sein Vorbild ist der ungarische Premier Viktor Orban. Das liberale Polen (das linke hat derzeit kaum wahrnehmbaren Repräsentanten) beginnt sich nun zu fürchten. "Niemandem in Polen droht etwas, nur weil die Polen gewählt haben, was sie gewählt haben", versuchte der PiS-Politiker Joachim Brudzinski am Montagmorgen die Gemüter zu beruhigen.

Besonders angesichts des aktuellen Konflikts mit dem russischen Nachbarn fragen sich viele Kommentatoren, wie Duda wirklich tickt. Polen war bislang ein deutlicher Befürworter der neuen Kiewer Regierung und von Sanktionen gegen Moskau. Dudas Kurs ist in der Ukraine-Krise unklar. Vor kurzem sprach er sich noch für die Entsendung von Truppen in die Ukraine aus. Um die Wähler auf dem Land, die vom Lebensmittel-Embargo betroffen sind, milder zu stimmen, betonte er die Notwendigkeit des Dialogs mit dem Kreml.

Eine gewichtige Rolle wird zudem noch Pawel Kukiz spielen, der ehemalige Rocksänger konnte scheinbar aus dem Nichts in der ersten Wahltour über 20 Prozent der Stimmen gewinnen. Mit seinem eher diffusen "Wir gegen die die da oben"-Programm könnte er nach der geplanten Parteigründung mit der PiS koalieren.

Der Wahlkampf geht jedenfalls weiter. Wie bereits nach dem Sieg in der ersten Runde verteilte der designierte Präsident mit frohem Lächeln früh morgens Kaffee an die Passanten vor der Warschauer U-Bahn-Station "Centrum". Die große sahnige Komorowski- Wahltorte fand in der Festung Sokolnickiego an Sonntagnacht jedoch nur wenige Liebhaber.