Polen: Ist die PiS alternativlos?

Seite 2: Wofür steht die PiS?

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit ihrem Sieg in Oktober 2015 betreibt "Recht und Gerechtigkeit" eine Sozialpolitik, die bei ihren Zielgruppen gut ankommt und nach Expertenmeinung bereits zu einer spürbaren Reduktion der absoluten Armut im Land beigetragen hat. Die erfolgreichen Sozialtransfers überschatten in Polen die anderen Agenden der Partei.

Die PiS setzte seit ihrer Gründung ein konservatives, soziales, in ihrer Diktion "solidarisches", dem werte -und wirtschaftsliberalen Polen entgegen, sie wollte "christliche Werte" und den Nationalstolz der Polen, der aus ihrer Sicht in einer heldenhaften polnischen Geschichte begründet war, staatlich stärker gefördert sehen. Durch ihre Verbindungen mit der mächtigen katholischen Kirche, mit klerikalen Medien, etwa dem verschwörerischen und erzkonservativen Sender "Radio Maryja", tritt die PiS für eine enge Bindung zwischen Staat und Kirche ein.

Indem sie Umtriebe rechtsextremer Bewegungen wie der "Allpolnischen Jugend" billigt und ihre Anhänger als "echte Polen" oder "Patrioten" bezeichnet, holt sie diese in das politische Mainstream. Einige dieser Rechtsextremen wurden mit Schlüsselpositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien oder in der Nationalbank belohnt. Bei Frauen -oder Minderheitenrechten vertritt sie erzkonservative Standpunkte, sie schürt Vorurteile gegen Fremde, vor allem Flüchtlinge aus muslimischen Ländern.

Durch die heftige Kritik aus Brüssel, wird für sie zunehmend auch die Europäische Union zum Feindbild. Mit der Forderung von Reparationszahlungen für Kriegsschäden und einer massierten antideutschen Propaganda in den Staatsmedien wurde zuletzt auch wieder die antideutsche Karte hervorgezogen.

Wem dient die Sozialpolitik?

Aufgrund der starken Ideologisierung ihrer Politik, könnte man einwenden, dass es der PiS nicht um das Wohlergehen ihrer Wähler geht, dass die Sozialpolitik auf Kosten eines möglichen Budgetdefizits reiner Populismus zum Machterhalt ist. Das wird von einigen besonders zynischen PiS-Gefolgsleuten mehr oder weniger offen kommuniziert. Etwa von zwei Spin-Doktoren der PiS, Józef Orzeł und Marcin Wolski, die im sog. Ronin-Klub über die Situation nach der Wahl noch vor der Einführung des Kindergeldes "500 plus" diskutierten:

"Wenn die Menschen einmal dieses Geld sehen, wird 500 plus zu großen politischen Veränderungen führen", so Orzeł. "Und nach der vierten Auszahlung werden sie Angst bekommen, dass andere kommen könnten, um es ihnen wieder wegzunehmen", fügte Wolski hinzu.

Während in der Außen- und Verteidigungspolitik eine einheitliche Linie schwer zu erkennen ist und die jeweiligen Minister durch ihre Inkompetenz und Linientreue zum Parteivorsitzenden auffallen, folgt der Umbau in Richtung zu einem mehr autoritären Staat einem logischen Plan, der konsequent realisiert wird.

Im Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Oktober 2015 dominierten bei "Recht und Gerechtigkeit" soziale Versprechen, etwa 500 Zloty Kindergeld, Senkung des Pensionsantrittsalters von 67 auf 65 Jahre, die Anhebung des Mindestlohns, die Abschaffung der sog. "Müllverträge", unter denen Millionen junger Menschen unterbezahlt und ohne eine Renten- oder Krankenversicherung arbeiten, oder die Umwandlung der Franken-Kredite, die hunderttausende junge Familien zum Wohnungskauf aufnahmen.

Die PiS-Wähler haben aber auch für einen Wechsel in der Politik gestimmt. Nach acht Jahren liberaler Regierungen unter Donald Tusks wirtschaftsliberaler "Bürgerplattform" (PO) waren sie der Arroganz der Macht überdrüssig. Die Wahlstrategen der PiS haben der Partei in diesem Wahlkampf ein neues, gemäßigtes Gesicht verpasst, haben die Blut- und Boden-Propaganda und die Verschwörungstheorien rund um den Absturz der Präsidentenmaschine über Smolensk, die zum PiS-Grundrepertoire gehörten, umschifft, die Partei gab sich sozial und mit dem Duo Duda-Szydło beinahe jugendlich-moderat. Jarosław Kaczyński und einige radikale Mitstreiter wie Antoni Macierewicz, der jetzige Verteidigungsminister, wurden im Wahlkampf geschickt im Hintergrund gehalten, um jüngere Wähler nicht abzuschrecken.

Wie ich in meiner Analyse vom 5. August 2017 ("Die PiS als neue polnische Linke?") versucht habe darzustellen, werden die sozialen Wahlversprechen eingelöst. Bei Umfragen genießt die PiS nach wie vor eine Unterstützung von mittlerweile bis zu 47 Prozent des Wahlvolkes, das bedeutet, dass sie diese beachtlich ausbauen konnte.

Zwar liegen keine Analysen der potentiellen Wähler vor, dennoch kann man davon ausgehen, dass viele, die Kaczyńskis Partei nicht gewählt haben, nun dank der fühlbaren Sozialtransfers zu ihren Unterstützern wurden. Selbst in der ansonsten PiS-kritischen liberalen Presse wird zugegeben, dass das Programm "500 plus" unzählige Kinder und Familien aus der absoluten Armut geholt hat. Umgekehrt dürften sich einige, die der PiS aus Protest gegen die Vorgängerregierung ihre Stimme gegeben haben, angesichts des Demokratieabbaus und diktatorischer Tendenzen von der Partei angewidert abgewendet haben.