Polen: Ist die PiS alternativlos?

Seite 7: Hat die Opposition eine Chance?

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Eine neue, glaubwürdige Oppositionsbewegung, oder eine der etablierten Parteien, müssen die PiS in Fragen der sozialen Gerechtigkeit überbieten. Die PiS hat den Weg vorgegeben, ihre Sozialpolitik funktioniert und sie ist finanzierbar, sie sollte weiter ausgebaut und zu einer Selbstverständlichkeit der Regierenden werden. Dies wird ein schwieriges Unterfangen, denn das würde für die meisten der bisherigen politischen Akteure einem Tabubruch gleich kommen, sie könnten riskieren, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Ein weiterer Punkt ist ein sensibler Umgang mit der Zuwanderung außereuropäischer Migranten. Die PiS hat über die von ihr kontrollierten Medien eine massive antimuslimische Propaganda verbreitet und damit bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung eine Stimmung der Angst vor außereuropäischen Migranten etabliert. Nach der Wahl wurden in den Staatsmedien die leitenden Journalisten durch Propagandisten rechtsnationaler und klerikaler Sender und Zeitungen ausgetauscht. Seitdem werden in den Nachrichtensendungen Halbwahrheiten und offensichtliche Lügen kolportiert.

Mit Moslems, die massiv nach Europa drängen würden, hat die PiS den äußeren Feind gefunden und kann sich als Garant eines sicheren und terrorfreien Landes, welches die "christlichen Werte" verteidigt, hochstilisieren. In Aussagen ihrer Politiker und durch die Staatsmedien überzeichnet sie absichtlich die Probleme des Zusammenlebens zwischen Moslems und Nichtmoslems in anderen Ländern der EU. Jeder Anschlag in Europa, jeder Sieg rechtsgerichteter Parteien sind für sie ein willkommener Anlass, sich in ihrer Politik bestätigt zu sehen.

Diese Propaganda trägt bereits Früchte: Waren noch vor drei Jahren 72 Prozent der Polen für die Aufnahme der Flüchtlinge und nur 21 Prozent dagegen, sind 2016 bereits 57 Prozent gegen jegliche Präsenz von politisch Verfolgten in Polen. Bei einem nach wie vor hohen, 88-prozentigen Zustimmungswert zur Europäischen Union würden dennoch 52 Prozent der Befragten eher aus der EU austreten, als Flüchtlinge aufnehmen.

Dieses Thema muss von jeder Oppositionspartei, die die PiS von der Macht stürzen möchte, neutralisiert werden. Dabei muss auch die EU mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen, denn die Stimmung in Polen ist in dieser Hinsicht gegenwärtig auf einem Tiefpunkt angelangt.

Schafft es die Opposition nicht, mit einer Stimme zu sprechen und diese zwei großen Themen glaubwürdig anzugehen, bleibt zu befürchten, dass "Recht und Gerechtigkeit" ihre Macht auch in der Zukunft erhalten und ausbauen wird können. Es droht das ungarische Szenario: eine von rechtsnationalen Bewegungen flankierte PiS-Dominanz über eine schwache liberale und linke Opposition.