Polen: Ober nahm Politiker auf
Wprost veröffentlicht weiter peinliche Protokolle
Letzte Woche veröffentlichte das polnische Magazin Wprost ("Direkt") das Protokoll eines Gesprächs, in dem der Innenminister und der Notenbankchef verabreden, Wahlgeschenke im nächsten Wahlkampf unter anderem mit dem eigentlich verbotenen Ankauf von Staatsanleihen durch die Notenbank zu finanzieren. Das führte dazu, dass der Inlandsgeheimdienst Agencja Bezpieczeństwa Wewnętrznego (ABW) in der Redaktion auftauchte und Material mitnehmen wollte (was ihm jedoch nicht gelang).
Außerdem wurde wild darüber spekuliert, wer wohl das Gespräch aufgenommen haben könnte. Mehrere polnische "Experten" tippten auf den russischen Geheimdienst - wobei offen blieb, welches Interesse Russland daran haben sollte, dass der jetzige Ministerpräsident Donald Tusk stürzt und durch den ostpolitisch ähnlich selbstbewussten Oppositionsführer Jarosław Kaczyński ersetzt wird.
Jetzt stellte sich heraus, dass Lukasz N., der Ober des Warschauer Nobelrestaurants Sowa & Przyjaciele, die Politiker, die in einem Prominentenséparée speisten, mit einer modifizierten elektronischen Rufvorrichtung belauschte, die die Gäste drücken konnten, wenn sie sofortigen Service wünschten. Lukasz N. soll die Aufnahmen an den inzwischen ebenfalls festgenommenen Geschäftsmann Marek F. weitergegeben haben, der sie angeblich Wprost zuspielte.
Auf ihn kamen die Ermittler unter anderem deshalb, weil eine Freundin seines kleinen Bruders in einem anderen Warschauer Nobelrestaurant arbeitete, in dem ein Gespräch zwischen Außenminister Radosław Sikorski und Ex-Finanzminister Jacek Rostowski stattfand, über das Wprost in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Sikorski, der vor der Enthüllung als Amerikafreund galt, hatte dabei offenbart, dass er es für "naiv" hält, "den Amerikanern den Schwanz zu lutschen" und zu glauben, das würde außenpolitische Probleme lösen.
Angeblich verfügt Wprost noch über 900 Stunden Material, die derzeit ausgewertet werden. Davon, wie sehr die mitgeschnittenen Politiker auf diesen Aufnahmen aus sich herausgehen, dürfte es abhängen, ob sich genug Druck für Neuwahlen aufbaut oder nicht.
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