Polen: PiS-Regierung mit Rechtsaußen für die Digitalisierung
Der ehemalige Chef der rechten "Allpolnischen Regierung" wurde zum Staatssekretär für Digitalisierung, vermutlich weil "Radio Maryja" nun eine eigene Partei gründen will
"Ich war nie ein Faschist, diese Ideologie ekelt mich an wie der Kommunismus", erklärte Adam Andruszkiewicz, der kürzlich nominierte Staatssekretär im polnischen Ministerium für Digitalisierung. Doch es gibt Zweifel an dieser Aussage. Der 28 Jahre junge Mann beschäftigt darum Polens Öffentlichkeit.
Andruszkiewicz war noch 2015 Chef der "Allpolnischen Jugend" - einer Rechtsaußen-Organisation, die sich in den 1930-er Jahren nach dem Vorbild der spanischen Faschisten "Falange" gegründet hat. Deren Mitglieder argumentieren gegenüber Andersdenkenden schon mal mit Fäusten und Schuhwerk. Derzeit wendet sich die Vereinigung vor allem gegen Migranten aus Nahost und gegen Liberale.
Andruszkiewicz geriet dann 2015 mit der populistischen Partei "Kukiz 15" in den Sejm und probierte mehrere Seilschaften aus, bis er sich der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) annäherte. Als Empfehlung für seine künftige Aufgabe wies er auf seine Erfahrung mit den Neuen Medien und seine über 200.000 Abonnenten auf Facebook.
Doch der Schwenk nach rechtsaußen von Premierminister Mateusz Morawiecki hat wohl noch andere Gründe. Denn der PiS droht eine Konkurrenz radikaler Art - der einstige Unterstützer Tadeusz Rydzyk, Chef der Medienimperiums "Radio Maryja", geht gerade eigene Wege. Im vergangenen Dezember ließ er über einen Vertrauensmann eine eigene Partei mit dem Namen "Bewegung wahrhaftiges Europa" anmelden.
Das rechtsklerikale Milieu des Landes, in dem über 90 Prozent der Katholischen Kirche angehören, ist immer unzufriedener mit der Regierung. Diese traut sich nicht, das Abtreibungsrecht zu verschärfen, da sie den Protest auf der Straße fürchtet. Dabei hat "Radio Maryja" 2015 für die PiS bei den Wahlen geworben, wie auch das Episkopat, das empfahl, für die Lebensschützer zu stimmen.
Auch hat Morawiecki mit dem ambitionierten Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro zu kämpfen, der die umstrittene Rechtsreform in Polen vorantreiben will.
Nun soll das nationalistische Milieu gewonnen werden, über deren Größe es zwar keine Zahlen gibt, aber das sich in Polen immer selbstbewusster zeigt und auch zusammen mit der Regierung bei einem Marsch am 11. November im vergangenen Jahr in Warschau 100 Jahre Unabhängigkeit feierte (Rechter Rand darf in die Mitte).
Die ehemaligen Rechtsaußen-Kameraden sind von dem Karriereschub des studierten Außenpolitikers wenig begeistert und sehen ihre Sache verraten, ein Stimmenanstieg ist aus diesem Milieu eher unwahrscheinlich. Auch sind die Anforderungen an den jungen Vizeminister weniger ideologischer denn technischer Natur - die Mobilfunkgeneration 5G soll eingeführt und die digitale Kommunikation zwischen Ministerien und Parlament ausgebaut werden.
Doch zu Beginn seiner Tätigkeit muss sich der angehende Minister vor allem mit seinem Auftreten und den Sprüchen der Vergangenheit auseinandersetzen. Einst hatte er etwa in schwarzer Bomberjacke gegen die "Sodomiten" protestiert, gemeint sind Homosexuelle, oder noch 2015 gefordert, amerikanische Truppen sollten nicht in Polen stationiert werden.
Eine für die Opposition bezeichnende Aussage. Da es Hinweise gibt, dass das nationalistische Milieu in Polen durch den Kreml finanziert wird, hatte die vormalige Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) Antrag auf Überprüfung von Andruszkiewicz beim Inlandgeheimdienst AW gestellt. Der Vorwurf basiert auch auf einer Liste von möglichen Begünstigten des liberalen ungarischen Thinktanks "Political Capital", in der auch der Name des jetzigen Vizeministers zu finden sei.
Polen könnte sich somit mit der Personalie Andruszkiewicz einen erneuten Image-Schaden einhandeln, wie schon durch den umstrittenen Unabhängigkeitsmarsch im November geschehen. In Amerika ist die Personalie bereits in den News und das American Jewish Committee hat schon Bedenken geäußert - vor allem da sich gerade Antisemitismus im Netz zunehmend verbreiten soll. Schon während der ersten Regierungszeit der PiS 2005 bis 2007 kam es zu einer Besetzung eines Rechtsaußen. Piotr Farfal, damals Mitglied des Koalitionspartners Partei "Liga Polnischer Familie", wurde 2006 zum Präsidenten des Staatsfernsehens TVP gekürt. Er musste sich die Bezeichnung "Ex-Neonazi" gefallen lassen. Mitglieder der Allpolnischen Jugend dürfen heute in Polen jedoch nicht mehr "Faschisten" genannt werden - der Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz wurde wegen dieser Aussage zu einer Geldstrafe verurteilt.