Politik im Zeichen der vermeintlichen Klima-Apokalypse

Seite 2: Vom Warschauer Ghetto zum Klima-Aktivismus?

Dass sich das geschilderte Problem längst nicht mehr nur auf Randbereiche der Klimabewegung beschränkt, macht ein irritierender Ausschnitt in dem jüngsten Buch des in der Umweltbewegung recht bekannten Ökologen und Publizisten Andreas Malm deutlich. Im ersten Teil seines im Verlag Matthes & Seit in deutscher Sprache erschienen Buches Wie man eine Pipeline in die Luft jagt widmet sich der Klimaaktivist einer Kritik am radikalen Pazifismus vieler Umweltbewegter.

Dabei zieht er teilweise durchaus treffende historische Analogien. Doch dann bezieht sich Malm positiv auf Autorinnen und Autoren, die den Aufstand der jüdischen Polen im Warschauer Ghetto anführen, die im Wissen zum Kampf bereit gewesen seien, dass ihnen auch die Vernichtung drohe, wenn sie sich nicht zur Wehr setzten. Mit dem Aufstand hätten sie noch deutlich gemacht, sich nicht kampflos ermorden zu lassen.

Nun muss man sich fragen, warum Malm diesen historischen Exkurs in einem Buch mit dem Nebentitel Kämpfen in einer Welt in Flammen erwähnt? Dafür liefert der Autor selber die Erklärung:

Stellen wir uns nun vor, der letzte Rest der menschlichen Bevölkerung fristet sein Dasein in der Nähe der Pole. Ein paar Jahrzehnte bleiben ihnen noch. Und manche ihrer Nachkommen haben vielleicht sogar die Chance, etwas länger zu überdauern. Was würden wir ihnen mitteilen wollen? Dass die Menschheit ihr Ende vollkommend einmütig herbeigeführt hat? Oder dass manche Menschen doch gleich jener Jüdinnen und Juden kämpften, die um ihre bevorstehende Ermordung wussten?"

Andreas Malm, Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen, S. 170

Hier wird zwischen dem antisemitischen Mordprojekt der Nazis und dem Klimawandel scheinbar kein Unterschied mehr gemacht. Wo unterscheidet sich da Andreas Malm noch von den Einlassungen des Extinction-Rebellion-Mitgründers Roger Hallam, der 2019 für seinen Vergleich der Klimakrise mit dem Holocaust noch scharfer Kritik ausgesetzt war?

Dass es sich weder bei den Auslassungen von Hallam noch von Malm um die Verfehlungen Einzelner handelt, wie schnell mal behauptet wird, zeigte der Publizist Velten Schäfer in seinen Essay über die Rückkehr der Apokalypse in die Jugendkultur auf:

Im Zeichen der ablaufenden Sanduhr laden die Anführer der Bewegung mit Namen "Aufstand gegen die Ausrottung" zur – weit überwiegend – juvenilen Selbsterfindung als buchstäblich "letzte Generation der Menschheit". Wie wörtlich die Gründer das nehmen, ist unklar. Doch im Gefolge greift die neue Apokalyptik mit einem Impetus, der auch Skepsis hervorruft: Eine Idee, die als ultimativen, objektiven Horizont nichts Geringeres anruft als menschliche "Arterhaltung", ist radikal gesinnungsethisch: Wer nicht mittut, hat nicht andere Auffassungen, sondern ist "Sünder", "Schädling", "Leugner" – mit dem Präfix "Klima-" ist das Alltagssprache.

Velten Schäfer, Neues Deutschland

Die Auseinandersetzung mit solchen apokalyptischen Vorstellungen in der Umweltbewegung ist gerade dann notwendig, wenn die Bewegung eine Perspektive jenseits kurzzeitiger Mobilisierungen haben will. Die Mühen der Ebenen mit Bündnisarbeit, die da nötig ist und für die es sinnvolle Ansätze gibt, verträgt sich nicht mit der Vorstellung, dass man sich hier heroisch gegen den Untergang der Menschheit stellt.

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