Politik mit Zukunft

E-Government, Leadership und Reformen

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Viele glauben, dass E-Government nur daraus besteht, Behördendienstleistungen über das Internet anzubieten. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Irrglauben, die das Cockpit-Sichtfeld der Möglichkeiten für die Politik einschränkt, indem es dieses auf ein einziges Medium beschränkt. E-Government bedeutet die systematische Nutzung aller Möglichkeiten der Informationstechnologie zur Verbesserung der Lenkungsfähigkeit eines Staates, sei es beim Regieren, innerhalb von Behörden oder bei Dienstleistungen für die Bürger.

Das größte Rationalisierungspotential für die Politik besteht heute im Einsatz von E-Government-Software, die die unzureichenden Führungsfähigkeiten von Politikern auf ein erträgliches Maß beschränkt. Dies heißt nicht, dass es zukünftig keine Politik mehr geben wird, sondern dass eine Vielzahl bisheriger Verwaltungsfunktionen sich auf Maschinen verlagern wird. Zu den vier Dimensionen dieser Verlagerung zählen:

Schlüsselfunktion Leadership

Die Vision des E-Government ist die von integrierten Informationen und Dienstleistungen. Dies bedeutet radikale Veränderungen in den Geschäftsprozessen, den Informationsflüssen, den Arbeitsweisen, der Datenspeicherung, den Sicherheitsanforderungen sowie den Managementmethoden. Diese Anforderungen machen Leadership für die Umsetzung von E-Government zur entscheidenden Größe.

Leadership wird nicht nur für das Regieren, sondern auch für die Führung von Behörden immer wichtiger. Das besondere Merkmal der politischen Klasse ist jedoch nicht Leadership, sondern Heimlichkeit bei illegalen, aber auch legalen Entscheidungen. Nur bei der Diätenerhöhung versagt diese Geheimpolitik. Der wichtigste Unterschied zwischen einem Politiker und einem Unternehmer ist der, dass Politiker, wenn sie versagen, Steuergelder vergeuden, der Unternehmer, wenn er schwere Fehler macht, jedoch sein eigenes Geld verliert. Der Politiker wird jedoch bei einem Fehlverhalten nach seinem Amtsaustritt noch mit einer lebenslangen Rente belohnt, während der Unternehmer im Falle eines Fehlers vor dem finanziellen Ruin steht.

Ebenso wie Manager sind viele Politiker von einem imitierenden, bewahrenden und verwaltenden Verhalten geprägt. Die besondere Erweiterung dieser Merkmale ist ein extrem kurzsichtiges Denken, welches vor allem die persönliche Wiederwahl in den Vordergrund stellt. Unternehmertum in der Politik benötigt im Gegensatz hierzu Leadership, welches auf Innovationen, Kreativität sowie langfristige Überlebensstrategien setzt. Wenn es gelingt, Routineaufgaben zunehmend auf das E-Government zu übertragen, kann die Politik wieder mehr Zeit für die nachhaltige Lenkung der politischen Systeme haben.

Die Macht der vorzeitigen Abwahl stärken

Politiker verschulden den Staat meist immer um den maximalen Betrag, der möglich ist. Um so grotesker ist es, dass ausufernde Verschuldung heute nicht mehr das Amt kostet, sondern im Gegenteil sogar noch sichert, wenn es ein kurzfristiges Wirtschaftswachstum bewirkt. In einem solchen Umfeld haben es Sanierer wie der aktuelle Finanzminister Hans Eichel wahrlich nicht leicht. Dabei wird jedoch vergessen, wie wenig nachhaltig die Politik der Vorgänger war, die diese Erblast erzeugt hat.

Es gibt nur ein einziges Mittel, die Selbstherrlichkeit von Politikern zu beenden: die Möglichkeit der vorzeitigen Abwahl. Darüber hinaus sollte es von vorne herein keine zu langen Amtszeiten von Politikern geben. So kann der amerikanische Präsident nur zweimal gewählt werden. Warum ausgerechnet in einer so fortgeschrittenen Demokratie wie Deutschland die Amtszeit eines Bundeskanzlers unbegrenzt ist, wirft Fragen auf. Statt Ministerämter mit Personen zu besetzen, die über Leadershipfähigkeiten verfügen, wird der Parteizugehörigkeit immer die höchste Priorität eingeräumt. Aus diesem Grunde sollten bestimmte Nachkriegs-Spielregeln, die das Innovations-Verhinderungssystem Helmut Kohl erst hervorgebracht haben, beendet und die Effizienz des politischen Systems grundlegend überprüft werden.

In diesem Sinne spricht sich der Politikwissenschaftler Jens Borchert für tiefgreifende Reformvorschläge aus: Direktwahl des Ministerpräsidenten, Reformen der Parlamentswahlen, Einführung von Vorwahlen, Ausrichtung der Zahl der Parlamentsmandate nach der Höhe der Wahlbeteiligung, Einführung von Finanzstimmen, Amtszeitbeschränkungen sowie Ermöglichung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene. Sich Demokratie zu nennen, ist kein Freibrief, sich der notwendigen Weiterentwicklung demokratischer Prozesse zu entziehen. Nur wenn es neben den oben angesprochenen Reformen gelingt, systemorientierte und ganzheitliche Lenkungs-Cockpits auch in der Politik einzuführen, kann die Wirksamkeit der Politik wieder deutlich gesteigert werden.

Gesetzgeber in eigener Sache

Das Besondere an der politischen Klasse ist, dass sie als einzige Berufsgruppe die Regeln, die ihren Status bestimmen, selbst festlegen kann. Sie ist somit Gesetzgeber in eigener Sache. So ist der FDP-Abgeordnete Rexrodt mittlerweile Weltmeister im Sammeln von Aufsichtsrats- und Geschäftsführerposten, von denen er nicht weniger als neun innehat. Wenn er Anstand hätte, würde er freiwillig auf sein Abgeordnetenhonorar verzichten, da die Summe der Managementhonorare die Einnahmen des Bundestagsmandats bei weitem übersteigt.

Nicht selten führt ein derartiger Machtmissbrauch auch zu gravierenden Fehlentscheidungen, wie z.B. die Vergabe einer Landesbürgschaft an die Cargolifter AG durch das Bundesland Brandenburg in Höhe von 48 Millionen Euro. Die Folge war einer der größten Flops der deutschen Luftfahrtgeschichte zu Lasten der Aktionäre und Steuerzahler. Wenn Politiker beginnen, Unternehmen mit katastrophalen Geschäftsideen zu fördern, dann sollten bei jedem Steuerzahler dunkelrote Alarmlichter angehen. Staatsgelder für Business-Pläne zu geben, die nicht überlebensfähig sind, zeigt, wie wichtig es ist, die Verfilzungsstrukturen zwischen Politik und Wirtschaft zu durchbrechen.

Was wir heute in der Politik erleben, ist nur Ausdruck einer Hybris des monokausalen Denkens. Deutschland braucht Politiker, die in komplexen Zusammenhängen denken können. Es geht um eine Politik, die es zulässt, Differenzen zu leben, quer zu denken, unbequeme Fragen zu stellen und ständig nach besseren Lösungen zu suchen. Nur dann wird die Politik auch für die junge Generation wieder Anreize bieten und in Folge die heutige Politikverweigerung zurückgehen.

E-Government hat deshalb keine geringere Aufgabe, als den politischen Blindflug durch intelligente E-Government-Lösungen zu beenden und dafür zu sorgen, dass Politiker endlich wieder Orientierung für ihr Handeln bekommen. Intelligente Software sollte ihren Beitrag dazu leisten, dass Politiker vermehrt nach Ihrer Leistung und nicht mehr nach der Häufigkeit von leeren Phrasen und der Intensität des Stammtischpalavers bewertet werden.

Die Logik des Gelingens

Die heutigen Politiker konzentrieren sich auf eine Domäne der Maschinen: die Dinge richtig zu tun. Für die Lenkung des Staates kommt es jedoch darauf an, die politische Intelligenz dafür einzusetzen: das Richtige für die Gesellschaft zu tun. Statt dessen missbrauchen Politiker die Bürokratie für ihre Versteckspiele, die verhindern sollen, im Falle des Misslingens zur Verantwortung gezogen zu werden.

Der Jurist Hans Herbert von Armin, Autor des Buches "Das System" fragt zurecht, in was für einer Demokratie wir leben, wenn "die Institutionen so verformt sind, dass die Wähler niemanden mehr zur Verantwortung ziehen können, weil politische Zurechenbarkeit sich verflüchtigt und mit der mangelnden Abwählbarkeit von Politikern ein Zentralelement der Demokratie weitgehend entfällt."

Statt permanent blind den Zielen von Lobbyisten und sonstigen Interessengruppen zu folgen, sollten Politiker mehr Verantwortung für die Zukunft ihres Landes übernehmen und nachhaltige Visionen entwickeln. Deshalb sollten alle staatlichen Prozesse, die sich heute automatisieren lassen, durch Maschinen durchgeführt werden, damit Politiker wieder mehr Zeit haben, kreative Lösungen für die aktuellen Probleme zu finden. Nur so kann eine Logik des Gelingens etabliert werden, die die Überlebensfähigkeit des Staates sicherstellt.

Das größte Defizit vieler Politiker ist jedoch das fehlende Wissen über komplexe und lebensfähige Systeme. Ohne dieses Wissen versagt aber das Immunsystem der Gesellschaft, da Risiken, aber auch Chancen viel zu spät erkannt werden. Die Denkkatastrophen der Politiker manifestierten sich in den letzten Jahren im System Hunziger: Ein Unternehmen zahlt einem PR-Berater Geld, damit er diesen Einfluss bei Politikern verschafft. Der PR-Berater gibt das Geld wiederum an die Politiker weiter. Diese Parteispenden sorgen dann für die notwendige Dankbarkeit. Diesem System fielen sowohl der Grünen-Politiker Cem Özdemir, der sich von Hunzinger einen privaten "Kredit" geben ließ, als auch Rudolf Scharping zum Opfer, den Hunzinger bei einem noblen Herrenausstatter beraten und mit großzügigen Honoraren ausgestattet hat.

Wir erhielten von Herrn Moritz Hunzinger folgende Stellungnahme:

"Ich habe den Minister nicht nur beim Herrenausstatter nicht mit Honoraren bedacht, sondern NIEMALS bedacht. Der Ministerpräsident a. D., der einfache Bundestagsabgeordnete und der noch-nicht-in-Sicht-Minister war während seiner Zeit außer Dienst als Vortragsredner im Dienst."

Komplexität nicht mit Kompliziertheit verwechseln

Die mit Arbeitsplatzsicherheit ausgestatteten Politiker schaffen es heute immer weniger, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu erhöhen. Statt dessen werden unter dem Deckmantel der Wirtschaftspolitik eine hohe Unternehmensbesteuerung, versteckte Steuererhöhungen, eine Aushöhlung der Lehre an den Universitäten sowie die Schließung von Ämtern praktiziert.

Eines der wichtigsten Gesetze der Kybernetik, Ashby's Law, wird mit der Perfektion der vollständigen Arroganz ignoriert. Diese Gesetz besagt, dass man ein gegebenes System nur mit einem System unter Kontrolle bringen kann, dessen Komplexität mindestens ebenso groß ist, wie die des zu lenkenden Systems. Leider verwechseln viele Politiker aber Komplexität mit Kompliziertheit. Während man Kompliziertheit in der Tat vereinfachen sollte, ist diese Vorgehensweise bei komplexen Problemstellungen fatal.

Die Entwicklung vom statischen Web zu einem neuen dynamischen und interaktiven Netz stellt nicht nur die Unternehmen, sondern auch den Staat vor die Herausforderung, zunehmend komplexere Wechselwirkungen zu lenken. Die Tatsache, dass nur Vielfalt eine andere Vielfalt lenken kann, macht heute den Einsatz von Lenkungs-Cockpits für den Staat und seiner Verwaltungsorgane unverzichtbar. E-Government wird deshalb in zunehmenden Maße Politiker und Beamte substituieren. Transaktionen, die heute von dieser Berufsgruppe durchgeführt werden, können in äußerst wirksamer Weise auf Computer verlagert werden, z.B. durch Virtual Voting, Citizen Relationship Management oder Government-to-Citizen-Plattformen.

Es darf prognostiziert werden, dass ohne derartige Lenkungs-Software, die Deutschland keine dynamische Politik haben wird. Gegen den Trägheitstod der Schlafkrankheit hilft nur eine neue Aufbruchstimmung, die auch vor sogenannten Erbhöfen keinen Halt macht. "Die Kultur der mildernden Umstände", wie es der schweizerische Schriftsteller Hugo Loetscher formulierte, muss überwunden werden.

Allerdings wird eine Kritik, die an den bisherigen Fundamenten rüttelt, durch die bundesdeutsche Wachstumsschwäche und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit immer mehr Gehör finden. Der neue deutsche Bundespräsident Horst Köhler wird sich der Aufgabe annehmen müssen, die Verantwortlichkeit der Politiker gegenüber ihren Wählern, besonders aber gegenüber ihren Nichtwählern, einzufordern, wenn es in Deutschland keinen heißen Herbst geben soll.