Politik- und Islamwissenschaftler statt Juristen?

Seite 2: Verwendungsbreite und Verwendungstiefe

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Nicht-Juristen sind nicht auf Augenhöhe mit Juristen, haben Sie gesagt. Haben Sie das selbst zu spüren bekommen? Hatten Sie den Eindruck, in Ihrer eigenen Erfahrung, dass man Sie nicht auf Augenhöhe, so im Umgang behandelte?

Thomas Grumke: Mir persönlich ging das nicht unbedingt so. Aber es ist im System angelegt, dass jemand, der eben nicht vorher diese Stationen durchlaufen hat, überhaupt nicht für Führungspositionen in Frage kommt. Weil er eben diese Verwendungsbreite nicht hat. Und nach der Verwendungstiefe wird gar nicht gefragt - also nach den Kenntnissen ... Das ist nicht selten irrelevant.

Sie haben gesagt, das analytische Niveau vieler Partnerdienste sei höher - haben Sie da Beispiele?

Thomas Grumke: Die Briten und die Niederländer etwa haben eine ganz andere Einstellungspraxis. Die sagen, ok, wir haben ein bestimmtes Phänomen, ein bestimmtes Problem, und stellen dann ziemlich freihändig Leute ein, die sie für richtig halten.

Fachleute?

Thomas Grumke: Genau. Wir haben ja heute ganz eindeutig ein Problem mit Cyberangriffen, -spionage und Fake News. Versuchen Sie mal, hierfür in Deutschland einen hervorragend ausgebildeten IT-Menschen zu bekommen: Was für eine Stelle wollen Sie dem anbieten? Der verdient bei jeder x-beliebigen Firma das dreifache. Damit fängt es ja schon an. Wir haben ja überhaupt nicht die Flexibilität, auf Leute zuzugehen

Aber auf der Website der Bundesamtes werden IT-Spezialisten gesucht ...

Thomas Grumke: Ja, aber wenn der fragt, was für eine Perspektive habe ich in diesem Amt, dann sagt man ihm ehrlicherweise: Gar keine! Sie sind für Ihr Leben ein Referent. So wie ich das auch gewesen wäre.

Ein anderes Thema: Sie sprachen von Email-Entwürfen und haben beschrieben, wie Terroristen miteinander kommunizierten, in dem sie einen gemeinsamen Email-Account einrichteten und die Emails im Entwürfe-Ordner speicherten, aber sie einander nicht zusandten. Das Verfahren ist bekannt, wo liegt für den Verfassungsschutz das Problem?

Thomas Grumke: Deutsche Sicherheitsbehörden dürfen da nicht rein! Das ist juristisch gesehen keine Kommunikation, die man abfangen dürfte, wie Briefe oder Mails. In einen privaten Account darf man sich nicht reinhacken. Die Sauerland-Gruppe hat so "gearbeitet", aber es waren die Amerikaner, die uns den Tipp gegeben haben.

Solche Zusammenarbeit könnte in Gefahr geraten, oder ist schon in Gefahr geraten, durch Veröffentlichungen?

Thomas Grumke: Nachrichtendienste müssen verdeckte Ermittlungen durchführen können! Das darf nicht durchbrochen werden! Die Offenlegung verdeckter Erkenntnisse ist inakzeptabel. Beim NSU-Untersuchungsausschuss sind Akten im Netz aufgetaucht, teilweise bevor der Untersuchungsausschuss sie gesehen hat. Unsere europäischen Partner haben kein Vertrauen zu uns, wenn sie nicht sicher sein können, dass Informationen, die sie an uns weitergeben, verborgen bleiben. Und die Medien berichten auch.

Fatalist

Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen journalistischer Arbeit und einem Maulwurf!

Thomas Grumke: Natürlich, die Journalisten sollen ja auch berichten! Aber wir müssen einen Konsens erreichen, dass Journalisten, Politiker und die Öffentlichkeit begreifen, was der Verfassungsschutz tut und warum er es tut. Man darf Arbeitsweise und Erkenntnisse aber nicht transparent machen, das kann nicht alles transparent sein! Sonst kann man den Nachrichtendienst auflösen. Schließlich können sich dann ja auch Terroristen und Extremisten auf diese Erkenntnisse einstellen - und das ist ein Riesenproblem.

Und Journalisten können natürlich auf einer Pressekonferenz Fragen stellen. Aber im Untersuchungsausschuss wird manchmal gefragt, wie viele V-Leute hattet Ihr denn? Ja, das waren so drei oder vier - das sind schon Dinge, die eigentlich nicht in eine öffentliche Sitzung gehören: Dann funktioniert diese Arbeit nicht mehr. Und was den NSU betrifft, da spreche ich von Fatalist, der wahrscheinlich in Thailand am Strand liegt - es ist erstaunlich, was der so bekommt. An diese Unterlagen käme ich nie ran, und das ist auch völlig richtig so.

Ist das überhaupt ein strukturelles Problem, das den Nachrichtendienst betrifft, oder nicht eher ein Problem mit zwei oder so Leuten, die etwas durchstechen?

Thomas Grumke: ... die dann aber nicht bereit sind, gewisse Regeln zu befolgen, die in den Nachrichtendiensten aber ganz wichtig sind. Man muss einen Konsens erreichen, damit die begreifen, warum das so ist, wie es ist.

Sind das vielleicht nur Leute, die vielleicht gerade über die NSU-Ermittlungen frustriert sind?

Thomas Grumke: Das mag sein, aber das ändert natürlich an dem Problem nichts.

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