Politiker verschlafen Speicher-Revolution – Energiewende vor dem Aus?

Windrad und Solarmodul bei Wind und Sonne und bei Dunkelflaute, überbrückt von Batterien

Deutschland benötigt mehr Stromspeicher. Doch die Politik verschläft den Ausbau. Droht damit das Ende der Energiewende?

Während Deutschland mit Hochdruck an der Energiewende arbeitet, könnte ein entscheidendes Element übersehen werden: die Energiespeicher. Diese Technologie, die für Flexibilität und Stabilität im Stromnetz sorgt, bleibt trotz ihrer zentralen Rolle im Schatten politischer Entscheidungen. Obwohl die Speicherbranche bereit ist, ihre Verantwortung für ein zukunftsfähiges Energiesystem zu übernehmen, scheint die Politik noch in alten Denkmustern gefangen zu sein.

Der Bedarf an Speichern wächst rasant mit dem Ausbau erneuerbarer Energien, doch bislang fehlt eine klare politische Unterstützung. Ohne eine strategische Integration der Speichertechnologien könnte die Energiewende ins Stocken geraten. Wird die Politik rechtzeitig handeln, um dieses Potenzial zu nutzen, oder droht ein Rückschlag, der die Fortschritte der letzten Jahre gefährdet? Die Antwort auf diese Frage könnte die Zukunft der Energieversorgung in Deutschland entscheidend beeinflussen.

Fakt ist: Teile der deutschen Elektrizitätsversorgung sind noch immer so organisiert, wie sie in den 1930er-Jahren angelegt worden sind. Wenige Akteure standen einer großen Zahl an Kunden gegenüber, die selbst nicht wirtschaftlich aktiv werden konnten. Heute spielen viele als Prosumer – als Produzenten und Konsumenten – eine andere Rolle.

Die Strombezugsverträge der Haushaltskunden legen bis heute fest, dass Kunden, welche auf einen permanenten Strombezug angewiesen sind, selbst für die Sicherung der Stromverfügbarkeit sorgen müssen. Dafür gibt es unterbrechungsfreie Stromversorgungen, die zumeist in Ländern wie Frankreich oder Italien produziert werden, wo die Stromversorgung traditionell labiler ist als in Deutschland, sowie Notstromgeneratoren, die nach einer Trennung vom öffentlichen Netz betrieben werden können.

Statistisch zählen in Deutschland nur Stromunterbrechungen über drei Minuten als Stromausfall. Dieser Grenzwert stammt noch aus Zeiten, als er für träge Geräte nicht störend war. Computer und andere digitale Geräte gab es damals noch nicht.

Flexillience wird ein Kernthema der Stromversorgung der nächsten Jahre

Die Energiespeicherbranche sieht sich gerüstet, Verantwortung für Systemstabilität und Versorgungssicherheit zu übernehmen und Flexillience ins Energiesystem zu bringen. Flexillience beschreibt die Vision für ein zukunftsfähiges Energiesystem.

Der Begriff „Flexillience“ setzt sich aus den englischen Wörtern „flexibility“ (Flexibilität) und „resilience“ (Resilienz) zusammen. Er beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell und anpassungsfähig auf Veränderungen einzustellen und gleichzeitig widerstandsfähig gegenüber Herausforderungen und Krisen zu sein.

Bedarf an Speichern wächst

Der Bedarf an Speichern im Stromnetz wächst parallel zum Ausbau erneuerbarer Energien. Das Fraunhofer ISE schätzt, dass bis 2030 Stromspeicher mit einer Kapazität von 100 Gigawattstunden notwendig sein werden. Flexibilität im Netz ist gewissermaßen der Zwilling der erneuerbaren Energien.

Nur durch den konsequenten Ausbau von Technologien, welche die Diskrepanz zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgleichen und die Netze in Zeiten von Überschüssen entlasten, kann die Integration erneuerbarer Energien vorangetrieben und damit die Energiewende erfolgreich umgesetzt werden.

Noch immer fehlen zentrale Schritte, um Flexibilitätstechnologien vollumfänglich in die Stromversorgung integrieren zu können. Die Zeiten, als fossile Gaskraftwerke die Lücken der Erneuerbaren schließen können, sind vorbei, seit die Gasversorgung nicht mehr auf Dauer gesichert werden kann und der Betrieb der Gasnetze für die abnehmende Zahl der Kunden kaum mehr wirtschaftlich ist.

Doppelbelastung für Speichern

Seit vielen Jahren drückt sich die Politik um eine Lösung der Doppelbelastung von Speichern als Stromverbraucher und Stromquelle. Wenn dieses Problem gelöst ist, können die Speicher in den Preiswettbewerb mit anderen Stromquellen eintreten und dabei helfen, Strom in den Dunkelflauten kostengünstig bereitzustellen.

Mit stabilen und kostengünstigen Stromspeichern kann die Energiewende weg von den fossilen Energieträgern hin zu den Erneuerbaren gelingen. Dann kann auch die deutsche Elektrizitätsversorgung wieder wettbewerbsfähig werden, ohne dass politische Träumer abermals zur Kernkraft zurückwollen oder von Fusionskraftwerken fantasieren, die auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen und für deren Kosten es bislang keine vernünftige Kalkulation gibt.

Betrieb der Speicher

Mit der zunehmenden Wirtschaftlichkeit von Speichern wachsen die Gelegenheiten, dass Speicher als Wettbewerber zu fossilen Kraftwerken zur Sicherung der deutschen Stromversorgung im Markt auftreten. Damit werden fossile Kraftwerke und die für ihre Brennstoffversorgung benötigte Infrastruktur von Braunkohlebergbau über Steinkohleimport bis zu Erdgasnetzen und LNG-Terminals auf Sicht nicht mehr benötigt.

Ihr Rückbau senkt die Kosten für ein resilientes Elektrizitätsversorgungssystem, weil die Ersatzkraftwerke sukzessive immer seltener benötigt und aufgrund ihrer kurzen Einsatzzeiten kaum noch wirtschaftlich betrieben werden können.

Zudem wird das Stromnetz durch den Ausbau der Digitalisierung und die Nutzung digitaler Zwillinge entlastet, weil die Netzführung deutlich schneller realisiert werden kann und träge Verbraucher zur Lastsenkung auch kurzfristig heruntergeregelt werden können, ohne dass die betroffenen Verbraucher dadurch eingeschränkt werden müssten. Zudem würden solche regelbaren Verbraucher durch abgesenkte Netzkosten für ihren Beitrag zur Flexibilität begünstigt werden.

Ein vollständiger Lastabwurf, wie er bislang in vielen Industriestromverträgen noch erwähnt wird, würde dann der Vergangenheit angehören und nicht mehr benötigt.

Der Vorteil einer Netzstabilisierung durch Speicher sorgt nicht nur für eine Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der öffentlichen Stromversorgung, sondern auch für eine Kostensenkung, nicht zuletzt durch die Reduzierung des Bedarfs an CO2-Zertifikaten.