Politisches Cybersquatting

Die Todesstrafenlobby in den USA will im Informationskrieg gegen ihre Kritiker unbedingt die Oberhand behalten

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Herausragendes Beispiel ist der Fall des wohl berühmtesten Todeszellen-Insassen Mumia Abu Jamal. Damit er der Hinrichtung nicht entgeht, setzen polizeinahe Websites jetzt auf Cybersquatting.

Dass der Umgang mit Domain-Namen auch in den USA ein weites und juristisch wenig beackertes Feld ist, machen sich in jüngster Zeit auch die Verbände zunutze, die schon vom Berufsbild her als rechtslastig gelten - die Cops. Vorwürfe, es mit der Trennung von rechter Politik und autoritären Beruf nie richtig ernst genommen zu haben, konnten in der Vergangenheit als boshafte Verschwörung von linken "cop bashers" und liberalen Buergerrechtlern weggewischt werden. Doch den Fall des afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu Jamal, dessen Leben am seidenen Faden hängt und für den sich unter anderem Amnesty International einsetzt, suchen Staatsdiener nach rechts hin zu politisieren, und das ganz offen. Anscheinend haben die zahlreichen Mumia-Solidaritätsgruppen zu spät gemerkt, dass das Internet längst kein beliebig befahrbarer, "demokratischer" digitaler Highway mehr ist. Der Informationsfluss wird umso mehr gelenkt und gesteuert, je schneller seine Elemente zu Privateigentum werden.

Eines dieser Elemente ist der Besitz von Domainnamen. Wer etwa auf www.Mumia.org klickt, erfährt seit Jahren das Neueste über den Todeszellen-Kandidaten und die Kungeleien der herrschenden Eliten, den verhassten Ex-Black-Panther einzuknasten und schließlich umzubringen. Doch wer ahnungslos auf www.Mumia.com geht, ist auf einer Website von militanten Mumia-Gegnern gelandet. "Mumia Abu Jamal ~ Cop Killer" heißt es dort. Unter dem Porträt des finster dreinblickenden Abu Jamal blickt einen nicht nur das Antlitz des getöteten Polizeibeamten Daniel Faulkner entgegen, sondern auch das Wappen der Polizei von Philadelphia. "18 years is far too long for justice to be served", heißt es weiter. Die Free-Mumia-Bewegung arbeite mit Täuschung, und Jamals Hauptanwalt Leonard Weinglass, der jüdischer Amerikaner ist, habe nur ein Interesse, heißt es in antisemitischer Manier - "getting rich".

Während hinter den Domains www.freemumia.com, www.freemumia.org und www.mumia2000.org der Namenswahl und dem Website-Inhalt entsprechend Mumia-Unterstützer stehen, ist die Mehrzahl der Mumia-Domains längst in Besitz der Gegenseite. Mumia.net, J4Mumia.com, mumiaabujamal.org, mumiaabujamal.com, mumia2000.com und mumia2000.net leiten auf eine Website, die zugunsten des Polizisten Daniel Falkner eingerichtet wurde. Doch sie ist keinesfalls seinem Gedenken gewidmet. Vielmehr dient Faulkners Tod nur als Folie für das eigentliche Anliegen der Website-Macher, die schnelle Hinrichtung Mumia Abu-Jamals nach Jahren in der Todeszelle: Mumia Abu Jamal "shouldn't be in an 8 X 10 Foot Cell, he should be 6 feet closer to Hell", lautet der sich ironisch gebende Tötungsaufruf.

Aufschlussreich sind die Links, auf die die Todesstrafen- und Cop-Fans verweisen. Dabei sticht www.danielfaulkner.com heraus, die die Witwe Maureen Faulkner seit Jahren betreibt. Zusammen mit Einheiten der Polizei fördert sie in Philadelphia offenbar einen regelrechten Kult um den Tod ihres Mannes. Demnächst soll die "2. Motorradfahrt" zum Andenken an Faulkner stattfinden, nebst ganztägiger Party, ein paar Tage später ein Fundraiser bei "Geno's Steaks". Einer ihrer Links führt auf die bezeichnende Website www.prodeathpenalty.com.

Darüber hinaus ist eine auch auf anderen Websites veröffentlichte Boykottliste zu finden: Individuen und Gruppierungen, die sich in irgendeiner Form für die Rettung von Mumia Abu Jamals Leben ausgesprochen haben. Die Polizeigewerkschaft von Philadelphia wollte nach einem Zeitungsbericht sogar verhindern, dass die Republikaner ihren Parteikonvent im August dieses Jahres aus einem von ihr boykottierten Veranstaltungsort verlegen. Die Band "Rage against the Machine", die sich für den Todeshäftling einsetzt, hatte vergangenes Jahr dort gespielt.

Ein besonderer Schocker ist die Website www.41shots.com aus New York. Der Domainname bezieht sich auf die 41 Schüsse, mit denen New Yorker Cops in einem Aufsehen erregenden Fall den afrikanischen Immigranten Amadou Diallo im Stadttteil Bronx abgefeuert hatten. Der Webmaster der Seite organisierte darauf nicht nur Solidaritätskundgebungen für die vier Polizisten, die schließlich sogar freigesprochen wurden, sondern setzt sich auch für die Kollegen in Philadelphia ein. Kürzlich mobilisierte die Site zusammen mit www.nyfinest.org zur Mumia-Gegendemo vor einer Free-Mumia-Veranstaltung im Madison Square Garden - und 150 Beamte kamen.

Wie der rechte Webmaster mit cybersquatting agiert, erzählt er frei von der Leber weg. Er besitze inzwischen nicht nur amadou.org und amadou.net (Amadou ist der Vorname des niedergestreckten Afrikaners) oder dorismond.com, -.org und -.net (der Familienname des jüngsten schwarzen Cop-Opfers in New York), sondern auch AlSharpton.org, Al-Sharpton.com, -.org und -.net. Diese Domainnamen stehen eigentlich dem afroamerikanischen Bürgerrechtsaktivisten aus Harlem, Al Sharpton, zu. Der lebt allerdings noch. Sharpton könne sich die Domainnamen ja zurückkaufen, schreibt der Webmaster dazu eiskalt. Ein Paradebeispiel, wie die Rechten in den USA nicht nur geschickt politische Desinformation betreiben, sondern ihren lebensgefährlichen Schrott auch noch zu Geld zu machen versuchen.