Polizist erliegt Schussverletzungen
Der durch einen "Reichsbürger" gestern schwer verletzte SEK-Beamte ist in der Nacht gestorben
Ist der gestern durch einen "Reichsbürger" bei einer Razzia im mittelfränkischen Georgensgmünd lebensgefährlich verletzte Polizist das erste Todesopfer der neuen deutschen Welle rechter Gewalt der letzten beiden Jahre? Laut verschiedener Chronologien ereigneten sich zwar 2014 und 2015 Mordtaten, bei denen ein rechtsextremer Hintergrund existiert oder vermutet wird. Der tragische Tod des SEK-Beamten macht indes erschreckend deutlich, wie extrem sich Teile der rechten Szene schon radikalisiert haben.
Nach den Schüssen eines selbst ernannten "Reichsbürgers" in Georgensgmünd (Bayerischer Innenminister Hermann: Stärker gegen Reichsbürger vorgehen) ist einer der verletzten Polizisten gestorben. "Das Polizeipräsidium Mittelfranken bedauert mitteilen zu müssen, dass der lebensgefährlich verletzte Beamte der Spezialeinsatzkräfte Nordbayern in den frühen Morgenstunden in einer Klinik in Folge seiner schweren Schussverletzungen verstorben ist", hieß es in einer Mitteilung der bayerischen Polizei. Schon am Mittwochabend hatte die Polizei den Tod des Beamten zunächst noch fälschlicherweise vermeldet, entsprechende Infos aber nach rund 45 Minuten dementiert.
Betreiber einer Kampfsportschule und Fachtrainer für Gewaltprävention
Der 32 Jahre alte Beamte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) war am Mittwochmorgen von dem 49-jährigen Wolfgang P. angeschossen worden. Ein weiterer Beamter wurde bei dem Einsatz schwer und zwei Polizisten leicht verletzt. Der mutmaßliche Täter, ein "Reichsbürger", war Betreiber einer Kampfsportschule und Fachtrainer für Gewaltprävention, zudem war er Jäger und Sportschütze. Er besaß über 30 Lang- und Kurzwaffen, wurde aber nach seiner - wie sich dann herausstellte - Radikalisierung zum "Reichsbürger" von den Behörden als nicht mehr zuverlässig eingestuft. Deshalb sollten ihm seine Waffen entzogen werden.
"Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sie sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Etliche Akteure sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern auch in der rechtsextremen Szene aktiv. Wolfgang P. aus dem südlich von Nürnberg liegenden Georgensgmünd schien sich erst in den letzten Monaten sehr stark radikalisiert zu haben, so publizierte er auf seinem Facebook-Profil im Januar eine Art Bekenntnis "unter Eid", in dem er sich als "Reichsbürger" zu erkennen gibt.
Weitere Einträge entsprechen der klassischen Gedankenwelt der "Reichsbürger", eine auf den ersten Blick krude wirkende Mischung aus Demokratie-, Behörden-, Politiker-, Asyl- und Fremdenfeindlichkeit gepaart mit Verschwörungstheorien. Wenige Tage vor den Schüssen auf die SEK-Beamten teilte P. etwa das Posting einer Fotomontage.
Diese zeigt Nazigrößen beim Kriegsverbrecherprozess von Nürnberg, hineinmontiert wurden aber die Gesichter von Bundeskanzlerin Merkel, Bundespräsident Gauck und anderen Politikern der Bundesregierung. Zusatz: "Schuldig - hängen!"
Tatsächlich werten "Reichsbürger", unabhängig davon, wie nahe sie selbst oft der Ideologie oder der Anwendung der "Rassegesetze" der Nazis stehen, sich selbst als Freiheits- und Widerstandskämpfer und betrachten die Demokratie als Diktatur.
de Maizière: "zunehmende Angriffe von Extremisten sind unerträglich"
Der SEK-Beamte verstarb nun im Zuge einer Welle rechter Gewalt seit Mitte 2014, seitdem sich die rechte und fremdenfeindliche Szene weiter radikalisierte, seitdem "Pegida" in Dresden und Ableger davon oder ähnlicher Bündnisse bundesweit auf die Straßen gehen. Das Opfer ist wohl das erste seit dem Zustrom von Flüchtlingen Mitte 2015 im Zuge des Anstiegs von Gewalttaten, Übergriffen und Bedrohungen auf Menschen und Einrichtungen, die ins Fadenkreuz der rechtsradikalen Szene geraten sind. Dass es nicht schon eher in dieser neuen deutschen Gewaltwelle von rechts zu Todesopfern kam, dürfte nur mit Glück zu tun haben.
Im August 2015 war etwa ein Brandsatz ins Kinderzimmer eines Flüchtlingsheims im niedersächsischen Salzhemmendorf geflogen, die Kinder schliefen zufällig in jener Nacht im Zimmer der Mutter und blieben unversehrt. Im Oktober 2015 überlebte Henriette Reker in Köln nur durch eine Notoperation eine Messerattacke (Fast Lebenslang für Reker-Attentäter (Fast Lebenslang für Reker-Attentäter) durch einen Neonazi.
Im Zuge der Brutalisierung der Demokratie (Brutalisierung der Demokratie) wurde kürzlich der Bürgermeister von Oersdorf in Schleswig-Holstein brutal niedergeschlagen. In Dresden flog im September ein Brand- respektive Sprengsatz auf eine Moschee und die Wohnung des Imams in Dresden (Anschläge in Dresden gegen Moschee und Kongresszentrum). Bei einer Zwangsräumung gegen einen "Reichsbürger" in Sachsen-Anhalt lieferte sich dieser schon im August mit dem SEK einen Schusswechsel.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière- dessen Gesicht übrigens auch in der oben erwähnten Fotomontage der "Naziverbrecher", die Wolfgang P. verbreitet hat, auftaucht - hat in einer ersten Stellungnahme zum Tod des SEK-Beamten mitgeteilt, Polizistinnen und Polizisten würden alles für die Sicherheit in unserem Land tun. "Die zunehmenden Angriffe von Extremisten sind unerträglich und inakzeptabel", so de Maizière weiter.
Morde an Polizisten durch Neonazis gab es nicht zum ersten Mal. Im Jahr 2000 tötete in Nordrhein-Westfalen ein Neonazi drei Polizisten, der Mord 2007 an einer Polizistin in Heilbronn wird der Neonazi-Terrorgruppe NSU zugerechnet.