Pop~Feature - GASH(|)girl - VNS Matrix
Cyberfeministinnen im Körper- und Datenraum
Die australische Künstlerinnengruppe VNS Matrix präsentierte beim MEME Symposium im Rahmen der Ars Electronica in Linz (3-7.Sept. 1996) die Alpha-Version ihrer CD-ROM für Mädchen. Mit Körper und Netzwerkpräsenz vertraten sie cyberfeministische Inhalte bei den Herbstfestivals zur elektronischen Kultur, wie etwa DEAF (Dutch Electronic Arts Festival) und ISEA (International Society for Electronic Arts) in Rotterdam.
Pop FEATURE - VNS Matrix & Gashgirl
VNS Matrix Girl Francesca da Rimini alias Gashgirl sprengt mit ihrer Radikalität nebelige Verschwörungstheorien zur Rettung der Welt. Gashgirl ersetzt politische Machtfantasien durch erotische Netzsexstrukturen. Sie programmiert Bedingungen zur sozialen Interaktion in Avatarwelten und fantastischen textbasierenden MOOs.
Ihr Charakter ist provokativ und wie der Name "Gash"=Schlitz zeigt, sexuell bestimmt. Mit ihren verschiedenen virtuellen Charakteren manipuliert sie willige Subjekte in Textwelten. Wie viele andere, die sich in die Tiefen der Onlinekommunikation und der MOOerfahrung ziehen lassen, fand sie sich selbst bald die meiste Zeit ihres realen Lebens in einem Online-Zustand. Sie schuf sich eine komplexe Existenz im VL (virtual life=Virtuelles Leben), obwohl sie auch eine charismatische Präsenz im RL (real life=Wirkliches Leben) hat. Gashgirls erotische Kommunikationsräume werden wie ein scharfer klarer Schlitz erlebt.
Durch die Schaffung von Alter-Egos wird Francesca da Rimini zur am deutlichsten ausgeprägten Online-Persönlichkeit der VNS Matrix Gruppe. Francesca benutzt auch einige andere virtuelle Alter-Egos: Puppet Mistress, Orphan Slut, GenderFuckmeBaby, Oracle Snatch, Brenda Walsh, Rentboy oder Madame de Clairwil. Die von ihr geschaffenen Räume in LambdaMOO klingen mindestens ebenso verführerisch: HiveMind, The Puppet Quarter, Therese's Caravan of Iridescent Dreams und Subliminal Shift.
Online Bekanntschaften inspirieren sie zu ihren phantastischen Texten. Viele werden sich mit den Inhalten dieser Welt erotischer und zwischenmenschlicher Extreme kaum identifizieren können. Ihre Struktur ist allerdings vielschichtig und beruht auf Kommunikation. Zur "puren provokativen Fiktion" dient eine Auswahl ihrer Texte auf einem Server in Northridge, Californien, die einer ihrer Online-Freunde angelegt hat.
Sie schreibt: "I am my own freak show. My devoted puppets do my bidding. I am Gash Girl...Puppet Mistress... Exquisite Aberrant Intelligence These are my stories. I will not remain silent. hey are all true. I am not mad. I have wept enough."
Online hat Francesca"...die Möglichkeit in Gefühle einzutauchen und zu spielen" und ".. intime Beziehungen zu haben, die leichter zu erhalten sind als im Alltagsleben."
Neben ihrer Online-Präsenz stellte Francesca da Rimini kürzlich mit ihrer VNS-Matrix Schwester Josephine Starrs ein Videoband zum Thema Frauen und Wahnsinn mit dem Titel "White" her.
Ihr jüngstes Schreibprojekt ist eine online Novelle "_A Smear of Roses_ or _Fleshnet_."
Gashgirls Texte erscheinen regelmäßig in
GeekGirlAustraliens cyberfeministischem online Journal.
Gashgirls fiction writing
Pure futuristic filth
pop~Access - Eine MOO Erfahrung mit Gashgirl
Um in eine elektronische Umgebung wie z.B. eine MOO (Multi-User-Dimension-Object Oriented) zu gelangen, startet man eine Telnet-Session zu einer bestimmten Netzadresse. Man gelangt in eine Datenbank, die eine Textumgebung speist.
Die MOO ist ein virtueller Raum, der durch Text repräsentiert wird. Eine Vielzahl von gleichzeitigen Teilnehmern vermitteln jede Bewegung, jede Emotion und ihre Aussagen mit Hilfe von geschriebenem Text und vorprogrammierter Textteile. Eine Gruppe trifft sich im elektronischen Raum, kommuniziert, interagiert mit Hilfe von Texten über die gemeinsame Netzadresse der MOO. Teilnehmer können auch Objekte schaffen, weshalb MOO auch objektorientierter textbasierter Raum für mehrere User bedeutet.
Nach einiger Zeit wird die MOO-Kommunikation zu einem äußerst realen Erlebnis. Besucher und Gäste sind oft mehr als 10 Stunden in einer Sitzung online (auf den Befehl @users wird angezeigt wer wie lange eingeloggt war).
Gash könnte uns Anweisungen wie etwa folgende geben: "...teleport to my hub room, Truly Madly Deeply by typing @go #81885.
Gashgirls MOOräume: #81885 Truly Madly Deeply #93927 Marquis de Sade's insatiable lust for Brenda Walsh's magnificent ass #2024 Therese's Caravan of Iridescent Dreams #71587 Last Tango in Paris #86201 GenderFuckMeBaby's Palace of Unparalleled Cynicism #93618 HiveMind #93923 The Puppet Quarter #14266 Home of the Puppet Mistress #63214 Subliminal Shift
Subliminal Shift is my portable room like the Tardis in Dr Who, which you can enter, then journey n, s, e, w to move around my other rooms. If other characters in the rooms you visit you can stay in the sub and eavesdrop on them. To get out of the sub to enter a room type "exit".
Francesca Da Rimini
Obwohl für Gäste und Newbies (ein Neuling in einer MOO) die Unterhaltungen oft ihren eigenen Regeln zu folgen scheinen, kann es für jeden, der möchte, ein eigenes MOOleben geben.
Einige MOOwelten sind bestimmten Themen zugeordnet, wie Science Fiction, Fantasy oder ähnliches. Viele MOOs befinden sich noch auf Universitätsservern und scheinen insbesondere auf junge Männern mit großem sexuellem Interesse eine starke Anziehungskraft auszuüben.
Textbasierte Charaktere dienen der Bildung einer Online-Persönlichkeit. Dies ist ein Überschneidungspunkt mit allgemeinen Netztheorien. Der Online-Schriftsteller und Netzmystizist Erik Davis referierte bei der Budapester Konferenz MetaforumIII Ende Oktober 96 über Avatarwelten und die Konstruktion digitaler Territorien durch künstliche Welten. Nicht zufällig verfaßte gerade ein Netzreligionsanalytiker wie Davis bereits 1994 "It's a MUD, MUD, MUD, MUD WORLD", eine detaillierte Beschreibung persönlicher Online-Erfahrungen.
Der Verwandtschaft zwischen Online-New Age und digitalen Mystizismen wird in der freimaurerähnlichen Ästhetik der Figuren vieler MOOs deutlich.